Auf Einladung des VVS informierten sich mehr als 100 Verkehrsexperten über die Ziele der neuen grün-schwarzen Landesregierung – Minister Hermann kündigt „Zukunftsoffensive für Bahnen und Busse an“ – Oberbürgermeister Kuhn fordert, die Förderung der Schienenfahrzeuge wieder aufzunehmen
Beim diesjährigen Stuttgarter ÖPNV-Forum haben sich heute mehr als 100 Verkehrsexperten aus Baden-Württemberg getroffen. Allen voran der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart Fritz Kuhn und der alte und neue Verkehrsminister Winfried Hermann, der die verkehrspolitischen Ziele in der neuen Legislaturperiode vorgestellt hat.
Das Stuttgarter ÖPNV-Forum hat eine lange Tradition. Seit sieben Jahren findet das Forum in Regie des VVS unter der bewährten Sitzungsleitung der beiden VVS-Geschäftsführer Horst Stammler und Thomas Hachenberger im Haus der Architekten statt.
OB Kuhn formulierte in seinem Statement die Wünsche der Großstädte und Ballungsräume an die neue Landesregierung: „Wir brauchen in Stuttgart und der Region einen leistungsfähigen ÖPNV. Und wir brauchen die finanzielle Unterstützung des Landes, damit wir den Nahverkehr weiter ausbauen können. Allein schaffen wir das nicht.“ Kuhn forderte in diesem Zusammenhang, dass das Land die Schienenfahrzeugförderung wieder aufnehmen soll: „Die Fahrzeuge, die die Verkehrsunternehmen in den 1990er Jahren mit Landesförderung beschafft haben, müssen in absehbarer Zeit ersetzt werden. Wenn die Unternehmen die Fahrzeuge dann zu 100 Prozent selbst finanzieren müssten, wäre das eine riesige Belastung.“ Kuhn verwies darauf, dass die Zusatzkosten nicht allein von den Fahrgästen oder Kommunen getragen werden können.
Verkehrsminister Hermann (Foto) betonte in seinem Vortrag, dass die kommunalen Verkehrsunternehmen vor großen Herausforderungen stünden. Er verwies darauf, dass im Koalitionsvertrag die Schienenfahrzeugförderung enthalten sei: „Wir prüfen nicht ob, sondern in welchem Umfang die Schienenfahrzeugförderung wieder aufgenommen werden kann.“ Der Minister kündigte in seinem Vortrag eine „Zukunftsoffensive für Bahnen und Busse in Baden-Württemberg“ an. Die Offensive würde sich nicht nur auf die Ballungsräume, sondern auch auf die Fläche erstrecken
„Dies bedeutet, dass wir bis 2025 ein verlässliches Grundangebot für den ÖPNV, der landesweit tagsüber mindestens im Stundentakt verkehrt, schaffen werden. Ferner werden wir den Rad- und Fußverkehr fördern und ein Mobilitätsangebot erarbeiten, das jedem Menschen die mobile Teilhabe ermöglicht“, so Hermann. Die ÖPNV-Finanzierung würde auf neue Beine gestellt. Auch die Verbundförderung würde neu gestaltet werden: „Dabei wollen wir den Zusammenschluss von Verkehrsverbünden durch Anreize unterstützen“. Der VVS ist derzeit mit dem Landkreis Göppingen über eine Ausdehnung seines Verbundgebietes auf den Staufferkreis im Gespräch.
Bei den weiteren Fachvorträgen ging es unter anderem um mögliche Auswirkungen des autonomen Fahrens auf den öffentlichen Verkehr. Die aus Stuttgart stammende Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin Professorin Barbara Lenz hat dazu aufgerufen, dass sich auch die Verbünde mit diesem Thema beschäftigen und sich zu echten Mobilitätsverbünden weiterentwickeln müssen. „Die Automatisierung des Straßenverkehrs wird den Verkehr von Haltestelle zu Haltestelle durch Tür-zu-Tür-Verkehr ablösen“. Und Volkhard Malik, Chef des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar, ergänzt: durch die Automatisierung entsteht ein „öffentlicher Individualverkehr“.
Am Nachmittag widmeten sich die Teilnehmer dem Thema „Wettbewerb im ÖPNV“. Für den Schienenverkehr haben bereits Wettbewerbsverfahren stattgefunden, über die der Geschäftsführer der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, Volker M. Heepen referierte. Der gesamte regionale Busverkehr im VVS wurde in 50 Linienbündel aufgeteilt. Diese werden in den nächsten Jahren nach und nach im Rahmen von Wettbewerbsverfahren vergeben. Dabei kann es sein, dass die langjährigen ortsansässigen Betreiber nicht mehr zum Zuge kommen. Über die Chancen und Risiken der Wettbewerbsverfahren, die aufgrund von EU-Recht durchgeführt werden müssen, diskutierten die anwesenden Busunternehmer und Aufgabenträger.
Das Stuttgarter ÖPNV-Forum findet jährlich statt. Der VVS organisiert diese Veranstaltung, die bei Verkehrsexperten einen ausgezeichneten Ruf genießt. Dazu tragen jedes Jahr hochrangige Referenten und die besondere Atmosphäre im Haus der Architekten bei. Daher ist die Veranstaltung regelmäßig wenige Tage nach Ankündigung des neuen Programms ausgebucht.
PM