Der Demografie-Beauftragte des Landes Baden-Württemberg, Thaddäus Kunzmann, hat vor dem Kreisseniorenrat in dessen Mitgliederversammlung in Donzdorf die dringende Notwendigkeit alters-gerechten Umbauens betont, um Barrieren in Wohngebäuden zu beseitigen und Maßnahmen zur Einbruchsicherung vorzunehmen. Die dafür im Rahmen der Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen bereit gestellten Fördermittel hält er allerdings nicht für ausreichend und bezeichnete eine Verdoppelung des Programmvolumens auf 150 Millionen Euro als notwendig.
„Mit der Förderung des altersgerechten Umbaus ermöglicht der Bund vielen Bürgern einen möglichst langen Verbleib im vertrauten Wohnumfeld bis ins hohe Alter“, sagte Kunzmann und hob hervor, dass eine einschlägige Aus-bildung und Zertifizierung von Planern, Architekten und Handwerkern erforder-lich sei. Auch der Umbau von privaten Mietwohnungen müsse gezielt gefördert werden.
Anhand von mehreren Eckdaten erläuterte der Demografie-Beauftragte die altersmäßige Entwicklung Baden-Württembergs bis zum Jahr 2050, die sich differenziert nach städtischen und ländlichen Gebieten entwickle und folglich eine darauf abgestellte Planung auf mehreren Politikfeldern erfordere. Eine Umfrage des DIW habe ergeben, dass das Einfamilienhaus von 32 % der Befragten als der „Traum vom Wohnen“ eingestuft wurde. „Hier wird ein Konfliktfeld deutlich, weil eine weitere Zersiedelung im Prinzip nicht wünschenswert sein kann“, sagte Kunzmann.
Ziel der Demografie-Politik müsse es sein, so Kunzmann, ein ausgewogenes Verhältnis der Einwohnerstruktur zu erreichen, indem die Möglichkeit eines Hauserwerbs in Ortsmitten angestrebt und ein barrierefreier Geschoss-wohnbau ermöglicht wird. „Natürlich gehören ein gutes Schulangebot, eine ausgeprägte Kinderbetreuung und ausreichende Mobilitätsangebote sowie ein Breitbandanschluss dazu“, begründete Kunzmann die aus seiner Sicht notwendige Entwicklung in kleineren Kommunen. „Nur mit Kaufkraft und Nachfrage lassen sich nachhaltig Versorgungseinrichtungen des täglichen Lebens sichern“, fügte der frühere Landtagsabgeordnete hinzu.
Dem Handlungsfeld Mobilität sei eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, erklärte Kunzmann weiter und bezog sich auf eine Studie, wonach zwei Drittel der über 75jährigen sich selbst als wenig oder gar nicht mobil empfänden und hinsichtlich der Nutzung der verschiedenen Verkehrsmittel eine sehr zurück-haltende bis ablehnende Haltung hätten. So sei es bemerkenswert, dass über 75jährige sich im eigenen Auto am sichersten fühlen würden. Knapp dahinter folge das Taxi, nur mit großem Abstand die Bahn und der Bus. Eine knappe Mehrheit dieser Altersgruppe bezeichnete in der Umfrage sich zu Fuß als sicher (52 %). Weil sich im ländlichen Raum der Busverkehr zu sehr an den Schüler-verkehren orientiere, fehle ein ausreichendes Angebot für die Älteren.
„Wir brauchen vor allem niedrigschwelligere Angebote, wie sie zum Beispiel mit Bürgerbussen oder Ruftaxen schon vereinzelt angeboten werden“, schlug Kunzmann vor. Der öffentliche Raum müsse sich auf die Hochaltrigen mehr und besser einstellen durch Begehbarkeit der Gehwege, Beseitigung von Stolper-fallen, bessere Ausleuchtung, Ruhebänke und öffentliche Toiletten. Die unter-schiedliche Höhe von Bahnsteigen und Ausstiegshöhen an den Zügen sei ein lösbares aber bisher noch vernachlässigtes Problem, stellte Kunzmann fest.
„Baden-Württemberg ist ein Ehrenamtsland“, stellte Konzmann fest und sprach sich für eine Bündelung der Fördermaßnahmen aus. „Die ‚Projektitis‘ muss durch eine verlässliche Förderung abgelöst werden“, lautete dazu der Vor-schlag des Demografie-Experten. Dabei gehe es ihm nicht um mehr Geld für das Ehrenamt, sondern darum, dieses zielgerichteter einzusetzen.
In seinem Vortrag fehlte ein Hinweis auf die Digitalisierung nicht. Er sagte, dass ein flächendeckendes Glasfasernetz „in jedem Haus und entlang aller Straßen“ gebraucht würde, ebenso das neue 5G-Funknetz. Im Gesundheitswesen liege die Hauptproblematik in der Vielzahl chronischer Krankheiten, dem Fehlen von Anreizen für Präventionsmaßnahmen und gezielte geriatrische Reha-Maßnah-men. „Mehr Mittel für die Prävention würden sich letztlich nachhaltig für weniger Kosten in der Kranken- und Pflegeversicherung bemerkbar machen“, prognostizierte er. „Der kontrollierte Zuzug von Fachkräften könnte im Gesundheitswesen – aber nicht nur dort – zu einer Entspannung der Situation beitragen“, zeigte sich Kunzmann überzeugt.
Info: Demografie = Bevölkerungswissenschaft, die sich statistisch und theoretisch mit der Entwicklung von Strukturen befasst, die alters- und zahlenmäßige Gliederung und ihre geografische Verteilung sowie die umweltbedingten und sozialen Faktoren untersucht.
Der Demografie-Beauftragte soll als Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen, die Wirtschaft und soziale Akteure im Land dienen und die mit dem demografischen Wandel einhergehenden Herausforderungen sowie Lösungskonzepte der Öffentlichkeit zugänglich machen. Er arbeitet hauptamtlich und ist gegenüber der Landesregierung nicht weisungsgebunden.
PM Kreisseniorenrat Göppingen