Baden‑Württemberg: Knapp 2 000 »Hitzetote« im Sommer 2015

Statistisches Landesamt legt erstmals Schätzergebnisse zur Zahl der Sterbefälle seit dem Jahr 2000 aufgrund hoher Temperaturen vor

In Baden‑Württemberg sind im Sommer 2015 annähernd 2 000 Menschen aufgrund hoher Temperaturen verstorben, davon ca. 1 100 allein im Monat Juli. Damit entfielen von rund 25 000 Sterbefällen im Sommer 2015 knapp 8 % auf »Hitze«. Dies ergab eine vom Statistischen Landesamt erstmals für den Zeitraum 2000 bis 2015 durchgeführte Analyse zur Ermittlung der Sterbefälle, bei denen Wärmebelastung eine Rolle gespielt hat (vgl. methodischer Ansatz).

Erwartungsgemäß wurde für den »Jahrhundertsommer 2003« die höchste Zahl an hitzebedingten Sterbefällen ermittelt, nämlich annähernd 2 700; davon entfielen allein 1 800 auf den August 2003. Dieser Monat war – gemessen an der Durchschnittstemperatur – der zweitwärmste Monat seit Bestehen des Landes (21,7 Grad). Geringfügig wärmer war der Juli 2006 mit 21,8 Grad. In diesem Monat wurden 850 Sterbefälle durch Hitze mitverursacht. Ebenfalls sehr hoch lag die Zahl der »Hitzetoten« vor allem im Juli 2015 sowie im August 2011, in denen die Temperaturen ebenfalls weit über dem langjährigen Durchschnitt lagen.

Für die in den einzelnen Jahren sehr unterschiedliche Zahl an hitzebedingten Todesfällen sind nicht allein die Temperaturen verantwortlich. Vielmehr haben hierfür unter anderem auch die Luftfeuchtigkeit und die Windverhältnisse einen entscheidenden Einfluss. Ob Menschen aufgrund einer Wärmebelastung sterben, hängt auch von individuellen Risikofaktoren ab. Hierzu zählen insbesondere ein höheres Alter sowie Vorerkrankungen (z. B. chronische Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen). Sterbefälle, bei denen Wärmebelastung eine Rolle gespielt hat, können in fast allen Todesursachengruppen vermutet werden. Dies zeigte eine Untersuchung des saisonalen Verlaufs in der Todesursachenstatistik für die Jahre 2000 bis 2005 und 2010 bis 2015. Todesursachen, die bei Hitze besonders zunehmen, sind insbesondere in den Bereichen »Krankheiten des Kreislaufsystems«, »Psychische und Verhaltensstörungen« sowie »Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten« zu finden. Zu den psychischen und Verhaltensstörungen gehört die Todesursache »Demenz«. Betroffen sind in der Regel hochbetagte Menschen, die häufig unter weiteren Erkrankungen leiden und bei denen erkrankungsbedingt das Durstempfinden gestört sein kann.

Mit welcher künftigen Entwicklung ist bei der Zahl der hitzebedingten Sterblichkeit zu rechnen? Wenn in den kommenden Jahrzehnten von weiter steigenden Temperaturen auszugehen ist, sind diesbezüglich höhere Sterbefallzahlen zu erwarten. Hinzu kommt, dass auch demografisch bedingt von mehr Todesfällen auszugehen ist: Die Zahl der von Gesundheitsrisiken durch Hitze besonders betroffenen älteren Menschen wird nämlich aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung und einer wohl weiter steigenden Lebenserwartung in den kommenden Jahrzehnten deutlich zunehmen. Allerdings bedeutet der mit dem Klimawandel zu erwartende Temperaturanstieg nicht zwangsläufig, dass es tatsächlich zu (deutlich) mehr hitzebedingten Sterbefällen kommen muss. Zum einen ist davon auszugehen, dass sich die Bevölkerung besser auf Hitze einstellen wird, beispielsweise durch den verstärkten Einbau von Klimaanlagen. Zum anderen werden zunehmend längerfristige Anpassungsstrategien von staatlicher Seite an steigende Temperaturen verfolgt, die nicht zuletzt eine klimagerechte Stadtplanung (z. B. durch den Erhalt von Freiflächen und Parkanlagen sowie von Frischluftflächen) zum Ziel haben.

Tabelle 1

Wärmebedingte Sterbefälle sowie Durchschnittstemperatur in den Sommermonaten in Baden-Württemberg seit dem Jahr 2000
Jahr Sterbefälle Temperatur  
Juni Juli August Juni Juli August  
Anzahl Grad Celsius  
Datenquellen: Sterbefälle Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung; Temperaturen: Deutscher Wetterdienst.

© Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2017

 
2000 409 194 662 17,5 15,3 18,1  
2001 284 507 694 14,5 18,3 18,7  
2002 692 221 269 18,3 17,4 17,4  
2003 534 358 1.797 20,9 19,1 21,7  
2004 316 242 407 15,6 17,2 17,9  
2005 596 391 473 17,4 17,7 15,6  
2006 694 850 486 17,0 21,8 14,4  
2007 316 434 290 17,0 17,1 16,5  
2008 159 329 471 16,9 17,7 17,1  
2009 313 128 342 15,4 17,7 18,7  
2010 334 601 528 16,4 19,6 16,3  
2011 95 166 853 16,3 15,7 18,2  
2012 65 304 479 16,5 17,4 18,9  
2013 481 521 376 15,6 19,8 17,6  
2014 233 394 552 16,9 18,1 15,7  
2015 205 1.096 649 16,7 20,8 19,9  

Weitere Informationen

Methodischer Ansatz:

Bei der Ermittlung der Übersterblichkeit infolge einer Hitzewelle wird oftmals die Anzahl der Verstorbenen eines Jahres mit derjenigen aus Vergleichszeiträumen zuvor verglichen. Ein solcher Ansatz greift nach Einschätzung des Statistischen Landesamtes jedoch zu kurz, da allein ein Anstieg der Gestorbenenzahl eines Jahres aufgrund des demografischen Wandels – es gibt immer mehr ältere Menschen – rein rechnerisch zu mehr »Hitzetoten« führen würde.

Deshalb wurden im gewählten Ansatz nicht die Anzahl sondern die Anteile der Todesfälle in den Sommermonaten zugrunde gelegt. Konkret wurden in einem ersten Schritt die Anteile der Verstorbenen in den Monaten Juni, Juli und August an den Sterbefällen der Monate April bis November des jeweiligen Jahres berechnet. Die Monate Dezember bis März blieben bei der Anteilsberechnung unberücksichtigt, da es nicht nur »Hitzetote« sondern auch viele Todesfälle aufgrund von Kälte gibt. Nicht zuletzt die saisonale Verteilung der Sterbefälle im Berichtsjahr 2015 hat gezeigt, dass es auch in den Wintermonaten deutliche Ausschläge nach oben geben kann, die – wiederum rein rechnerisch – dazu führen würden, dass die Anteile in den Sommermonaten entsprechend geringer ausfallen. In einem zweiten Schritt wurde das Jahr bzw. wurden die Jahre gesucht, in denen es keine bzw. nur sehr wenige »Hitzetote« gab. Dies dürfte in denjenigen Jahren der Fall sein, in denen der Anteilswert eines Sommermonats in einem Referenzzeitraum am geringsten war. Die Differenz zwischen den tatsächlichen Sterbefällen eines Sommermonats und denjenigen der Jahre, in denen es keine bzw. nur sehr wenige »Hitzetote« gab, wurde mit der Zahl der durch Wärmebelastung mitverursachten Sterbefälle gleichgesetzt.

Herausgegeben vom Statistischen Landesamt Baden‑Württemberg.

 

 

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