Knapp 11 000 Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdungen

Jugendämter stellen bei 3 718 jungen Menschen akute oder latente Gefährdung fest

Nach Feststellung des Statistischen Landesamtes wurde im Jahr 2015 in Baden‑Württemberg für 10 963 Kinder und Jugendliche ein Verfahren zur Gefährdungseinschätzung nach § 8a Abs. 1 SGB VIII vorgenommen, das sind 8 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung eines Kindes bekannt. Es verschafft sich daraufhin einen unmittelbaren Eindruck vom betroffenen Kind oder Jugendlichen und seiner persönlichen Umgebung. Dies kann z. B. durch einen Hausbesuch, den Besuch der Kindertageseinrichtung oder Schule oder die Einbestellung der Eltern ins Jugendamt geschehen. Die Einschätzung des Gefährdungsrisikos erfolgt anschließend im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte.

Bei 1 762 Gefährdungseinschätzungen, das sind 16 Prozent aller Verfahren, wurde in 2015 eine akute Gefährdungssituation festgestellt. In diesen Fällen ist eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes oder Jugendlichen bereits eingetreten oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten. Dabei wurden bei 1 117 jungen Menschen Anzeichen für Vernachlässigung festgestellt. Bei weiteren 497 Kindern und Jugendlichen gab es Anzeichen für körperliche und bei 444 für psychische Misshandlung. Hinweise auf sexuelle Gewalt wurden bei 108 Kindern und Jugendlichen festgestellt. Bei diesen Angaben sind Mehrfachnennungen möglich.

In 1 956 Fällen (18 Prozent) lag eine sogenannte latente Kindeswohlgefährdung vor. Dabei konnte die Frage nach der tatsächlich bestehenden Gefahr nicht eindeutig beantwortet werden, es bestand jedoch weiterhin der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung bzw. eine solche konnte nicht ausgeschlossen werden.

Bei 3 959 Gefährdungseinschätzungen (36 Prozent) ergab sich zwar keine Kindeswohlgefährdung, wohl aber ein anderweitiger Unterstützungsbedarf. Bei 30 Prozent der Gefährdungseinschätzungen (3 286 Verfahren) wurden keine Gefährdung und kein weiterer Hilfebedarf ermittelt.

Insgesamt betrafen die Gefährdungseinschätzungen 5 711 Jungen und 5 252 Mädchen. Während in den Altersgruppen mit Kindern unter 14 Jahren stets für etwas mehr Jungen wie Mädchen Gefährdungseinschätzungen vorgenommen werden mussten, ist dies bei den Jugendlichen im Alter von 14 bis unter 18 Jahren umgekehrt: Hier waren mit 915 Fällen etwas mehr Mädchen betroffen als Jungen (898 Fälle).

Hinweise auf mögliche Gefährdungen kommen von verschiedensten Personen und Institutionen. So wurde z. B. in 2 348 Fällen (21 Prozent) das Jugendamt durch die Polizei, Gerichte oder die Staatsanwaltschaft über die mögliche Gefährdung informiert, in weiteren 1 519 Fällen (14 Prozent) von Nachbarn oder Bekannten des betroffenen Kindes oder Jugendlichen. In 9 Prozent der Fälle kam der Hinweis von Schulen (948). Jeweils 8 Prozent der Fälle gehen auf Meldungen des Sozialen Diensten bzw. der Jugendämter selbst (902) zurück bzw. auf Eltern bzw. Personensorgeberechtigten (860). In 598 Fällen (6 Prozent) wurde eine mögliche Gefährdung durch den medizinischen Bereich, also beispielsweise Hebammen, Ärzte, Kliniken oder Gesundheitsämter mitgeteilt.

Als Ergebnis der Gefährdungseinschätzungen wurden in 1 716 Fällen bereits geleistete Hilfen fortgeführt, aber auch zahlreiche Hilfen neu eingerichtet. Dabei können für ein Kind auch mehrere Hilfen in Frage kommen. In 2 075 Fällen wurden ambulante oder teilstationäre Hilfen zur Erziehung neu eingerichtet. Unterstützung nach §§ 16 bis 18 SGB VIII, wie z. B. Leistungen zur allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie, Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung oder Scheidung, wurde als Folge von 1 192 Gefährdungseinschätzungen gewährt. 745 Kinder oder Jugendliche wurden im Rahmen vorläufiger Schutzmaßnahmen in Obhut genommen. In jeweils 459 Fällen wurden familienersetzende Hilfen zur Erziehung (§§ 27, 33 – 35 SGB VIII) bzw. Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII eingeleitet.

Tabelle 1

Verfahren zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII in Baden-Württemberg im Jahr 2015 nach dem Ergebnis des Verfahrens
Ergebnis des Verfahrens Anzahl der Verfahren Anteile in %
© Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2016
akute Kindeswohlgefährdung 1.762 16,1
latente Kindeswohlgefährdung 1.956 17,8
keine Kindeswohlgefährdung, aber Hilfebedarf 3.959 36,1
keine Kindeswohlgefährdung und kein (weiterer) Hilfebedarf 3.286 30,0
Insgesamt 10.963 100,0

Tabelle 2

Verfahren zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII in Baden-Württemberg 2015
nach Alter und Geschlecht der betroffenen Kinder und Jugendlichen
betroffene Kinder und Jugendliche im Alter von … bis unter … Jahren Insgesamt davon
männlich weiblich
© Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart, 2016
unter 1 977 522 455
1 bis 3 1.489 798 691
3 bis 6 2.105 1.093 1.012
6 bis 10 2.507 1.361 1.146
10 bis 14 2.072 1.039 1.033
14 bis 18 1.813 898 915
Insgesamt 10.963 5.711 5.252

Herausgegeben vom Statistischen Landesamt Baden‑Württemberg.

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