Die gefährliche Sucht nach einem falschen Ideal – Immer mehr junge Menschen im Kreis Göppingen leiden unter Essstörung und Magersucht

Sie kennen nur ein Ziel – hungern bis zu einem fraglichen Schönheitsideal. Denn nur ein extrem dünner Körper ist scheinbar attraktiv und perfekt, schließlich machen es Modemodels und Promis vor. Ein Trugbild, das vor allem Mädchen und junge Frauen zur gefährlichen Gewichtsabnahme anspornt. Im Kreis Göppingen steigt nach Angaben der AOK Neckar-Fils die Zahl der Betroffenen mit Essstörung seit Jahren an. 272 Versicherte befanden sich 2014 in ambulanter oder stationärer Behandlung, davon litten 68 unter Magersucht (Anorexia nervosa). In den vergangenen sieben Jahren haben Essstörungen jährlich um durchschnittlich sechs Prozent zugenommen; bei Magersucht beläuft sich die Steigerungsrate auf zehn Prozent.

Aktuell macht der Wettbewerb, wessen Taille hinter ein hochformatiges A4-Blatt passt, in den sozialen Netzwerken die Runde. „Dies kann zu einer schwerwiegenden Erkrankung führen. Bei starkem Untergewicht kommt es zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen, schlechten Blutwerten, Gehirnveränderungen und Osteoporose. Etwa die Hälfte der jungen Frauen gesunden wieder, aber es gibt viele chronische Verläufe – und ungefähr zehn Prozent versterben“, sagt Prof. Isa Sammet, Chefärztin am Klinikum Christophsbad Göppingen. Deshalb ist eine möglichst frühzeitige psychosomatische Behandlung umso wichtiger.

Laut Auswertung der AOK Neckar-Fils, die als größte Krankenkasse in der Region mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in den Kreisen Esslingen und Göppingen betreut, steigen die Behandlungszahlen von Essstörung – unter der vor allem 15- bis 34-Jährige leiden, seit Jahren unaufhaltsam an: 2014 waren 272 Versicherte betroffen und somit 23 mehr als in 2013 (2012: 239). „Auslöser für Essstörungen ist oft das Schlankheitsideal unter Gleichaltrigen. Ursächlich liegen unterschiedliche innerpsychische Gründe vor, wie die Vermeidung der ängstigenden Ablösung aus dem Elternhaus“, erklärt Prof. Sammet.

Dass Magersucht nicht nur ein Problem bei den 15- bis 19-jährigen Mädchen ist, sondern auch die jungen Frauen im Alter von 20 bis 29 Jahren betrifft, zeigt ein Blick in die Altersstatistik. Hier gibt es die höchsten Steigerungsraten; erst in der Altersgruppe ab 30 bis 34 Jahre sinken die Zahlen langsam. Insgesamt wurden 2014 wegen Magersucht 68 Versicherte behandelt (2013: 49; 2012: 38). Doch nicht nur junge Frauen, sondern auch Männer können von Magersucht betroffen sein. „Allerdings begeben sie sich selten in Behandlung und sollten vielmehr dazu ermutigt werden“, sagt die Göppinger Chefärztin.

Typisches Merkmal für Magersucht ist ein starker Gewichtsverlust, den die Betroffenen bewusst herbeiführen. Oft beginnt die Erkrankung mit einer normalen Diät, die aber nicht beendet wird. Damit beginnt das gefährliche Hungern, denn trotz Untergewichts haben die Betroffenen weiterhin das Gefühl dick zu sein.

Zusatzinformation:

Bei der AOK Baden-Württemberg befanden sich 2014 mehr als 11.000 Versicherte wegen Essstörung in Behandlung (9.463 Frauen, 1.881 Männer), davon litten mehr als 2.500 Versicherte an Magersucht. Seit 2008 haben Essstörungen landesweit jährlich um 3,8 Prozent zugenommen; bei Magersucht sind es 4,9 Prozent.

 

PM

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