Glyphosat-Untersuchung: 75 Prozent der Deutschen deutlich belastet

Eine heute in Berlin vorgestellte Datenerhebung zu Glyphosatrückständen im Urin weist eine deutliche Belastung von über dreiviertel der Bundesbevölkerung mit Glyphosat nach. Demnach liegt bei 75 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die Belastung mit mindestens 0,5 ng/ml um ein Fünffaches höher als der Grenzwert für Trinkwasser mit 0,1 ng/ml zulässt. Ein Drittel der Bevölkerung hat sogar eine 10-fache bis zu 42-fache Menge der für Trinkwasser zulässigen Grenzwerte im Urin.

Die höchsten Belastungen ließen sich nach Altersgruppen aufgeschlüsselt bei Kindern von 0-9 und Kindern/Jugendlichen von 10-19 Jahren nachweisen, nach Berufsgruppen vor allem bei Landwirten. Fleischessende Studienteilnehmer, sogenannte Mischköstler, wiesen höhere Belastungen als Vegetarier und Veganer auf. Bio-Esser sind weniger belastet als Menschen, die sich konventionell ernähren.

Insgesamt ließen sich bei 99,6 Prozent von insgesamt 2009 Probanden eindeutig verifizierbare Glyphosatrückstände nachweisen. An der Erhebung nahmen Freiwillige aus allen Postleitzahlenbereichen der Republik im Rahmen der Urinale 2015 teil, einer Aktion der Bürgerinitiative Landwende und der Bio-Supermarktkette Basic. Die Analyse der Proben wurde von den Teilnehmern mit jeweils rund 53 Euro selbst bezahlt.

Johannes Heimrath von der Bürgerinitiative Landwende erklärte:“Mit dieser Aktion wollten wir herausfinden, wie weit Glyphosat bereits in die Umwelt vorgedrungen ist. Bisherige Untersuchungen basierten stets nur auf kleinen Datenmengen im zweistelligen Bereich. Nun haben wir über 2000 Datensätze, und 99,6 Prozent der Proben enthalten Glyphosat – das heißt, wir alle sind belastet. Bei Bier kann ich entscheiden, ob ich Alkohol zu mir nehme oder nicht. Diese Freiheit habe ich demnach bei Glyphosat nicht – und ob das gesundheitsgefährdend ist oder nicht, kann bis heute niemand mit Sicherheit sagen. Da die Behörden es bisher versäumt haben, so eine Feldstudie zu machen, musste es eben die Zivilgesellschaft selbst in die Hand nehmen.“

Die von der emeritierten Veterinärmedizinerin Prof. Monika Krüger betreute und vom akkreditierten Labor BioCheck-Holzhausen  durchgeführte Untersuchung ist die weltweit größte bisher durchgeführte Felduntersuchung zum Nachweis von Glyphosat in Urinen.

„Die durchgeführte Untersuchung bestätigt die Ergebnisse des Umweltbundesamtes, dass Glyphosat im Urin bei einem Großteil der deutschen Probanden nachweisbar ist“, stellte Monika Krüger fest. „Es ist die zahlenmäßig bisher größte Untersuchung dieser Art weltweit und mit Probanden aus ganz Deutschland. Die nachgewiesenen Glyphosatkonzentrationen in den Urinen belegen eine erhebliche Belastung der Probanden. Zur gesundheitlichen Bedeutung dieser Ergebnisse müssen weitergehende wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden, um Zusammenhänge zwischen der Belastung mit Glyphosat durch Lebensmittel, durch Trinkwasser, durch beruflichen Kontakt etc. und dem Gesundheitsstatus sowie bestimmten Erkrankungen in der Bevölkerung zu erkennen“, so Krüger.

Der Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der grünen Bundestagsfraktion und Agrarexperte Harald Ebner MdB sagte: „Bei Glyphosat darf es kein Weiter-So geben. Dass fast jeder von uns das Pflanzengift im Körper hat, heißt für mich ganz klar, dass es jetzt keine überstürzte Neuzulassung bis 2031 geben darf. Denn die gesundheitlichen Folgen von Glyphosat sind umstrittener denn je.“  Laut Ebner sei der Expertenstreit noch in vollem Gange, denn die Glyphosat-Bewertungen der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA) und der gemeinsamen Pestizid-Komission (JMPR) der UN-Weltgesundheits- und Ernährungsorganisationen WHO und FAO stünden noch aus.

Auch das Umweltbundesamt sieht weiteren Forschungsbedarf zur Glyphosatbelastung der Bevölkerung. „Wahrscheinlich krebserregende“ Stoffe dürfen nach aktuellem EU-Recht nicht als „Pflanzenschutzmittel“ zugelassen werden.

„Die Bundesregierung muss in Brüssel das Vorsorgeprinzip nach vorne stellen und ein voreilige Zulassung von Glyphosat stoppen. Christian Schmidt darf dem Vorschlag der EU-Kommission kommende Woche daher keinesfalls zustimmen, notfalls muss Umweltministerin Barbara Hendricks ihn stoppen.“, so Ebner.

Die Untersuchungen wurden mit dem Abraxis-ELISA-Test im akkreditierten Labor BioCheck-Holzhausen nach Angaben des Herstellers durchgeführt. Die Validierung des ELISA-Tests erfolgte mit einer für den Glyphosatnachweis zugelassenen Methode (GC-MS/MS, Krüger et al. 2014). Mit den Untersuchungen sollten folgende Fragestellungen beantwortet werden: 1. Sind die Probanden mit Rückständen belastet? 2. Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern? 3. Spielen Essverhalten, Alter, Wohnort, BMI sowie hauptsächlicher Kontakt zu Glyphosat eine Rolle für die Konzentrationen im Urin?

PM

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