Allgemeines Interesse findet das Thema „Sünde“ allenfalls, wenn man es mit einem gewissen Augenzwinkern in den Mund nimmt oder gar einen besonderen Reiz erkennt: Im Ratgeberteil der Lifestyle-Magazine findet sich dann schon mal etwas zu Mode- oder Ernährungssünden, doch das schlechte Gewissen bereitet längst keine schlaflosen Nächte mehr, eher schon orientieren wir uns an: „nur eine Frage der Zeit, des Geldes und/oder des richtigen Motivationskurses“. Unsere Alltagssprache hat noch eine Ahnung von der ursprünglichen Tiefe des Begriffs „Sünde“. Verkehrssünden zum Beispiel sind eben nicht nur Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung. Die Gefährdung eigenen und fremden Lebens geht über eine rein materielle Schadensdimension hinaus. Sie kann bleibende Folgen haben.
Bei der Aufarbeitung vom Thema „Schuld“ dieser Tage beim forum thomas in Göppingen hat Frau Dr. Katharina Peetz (Foto) aus Saarbrücken die Begrifflichkeit von Schuld und Sünde in eine horizontale und vertikale Ebene eingeteilt. Während „Sünde“ das Verhältnis zwischen Mensch und Gott beschreibt, ist die vertikale Ebene die „Schuld“ immer zwischen Menschen.
„Viele Leute leiden heute an Schuldverstrickung, die sie selbst nicht auflösen können. Das Bewusstsein gegenüber Gott nimmt permanent ab“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Systematische Katholische Theologie der Universität des Saarlands. Zur Voraussetzung für eine Vergebung braucht es „ein Schuldbekenntnis, und es braucht ein Angebot für Wiedergutmachung – das ist unsere christlicher Perspektive“, so die Theologin. „Die heutige Bußpraxis ist sehr einseitig geworden. So musste man im Mittelalter noch echt Buße tun. Das erbrachte Bußwerk war öffentlich und nach der Reue und dem Bekenntnis kam die Lossprechung“, weiß die Referentin. Dieser Dreierschritt ist aus unseren Köpfen entschwunden. „Warum ist dies so wichtig? Wir machen das für uns und für den Geschädigten. Denn aus der Selbstbezogenheit kommen wir nicht heraus“, weiß die Redakteurin der Online-Zeitschrift „Theologie.Geschichte“.
„Unterlassungen sind ganz konkret. Menschen kommen durch sie tatsächlich zu Schaden. Wer die Dinge laufen lässt, dem laufen die Dinge am Ende wirklich aus dem Ruder“. Verantwortung beginnt aber dort, wo wir mit unserem Namen einstehen. Wer als Sünder oder Sünderin Verantwortung übernimmt, der muss sich nicht aus Scham verstecken“, ergänzt Frau Peetz.
„Wer sich der eigenen Sündhaftigkeit bewusst bleibt, macht die Erfahrung, dass Anerkennung etwas ist, das ich mir nicht selbst geben kann. Nach christlichem Verständnis begründen Eingeständnis und Bekenntnis der Sünden die Würde vor Gott. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was in unserer weltlichen Logik Anerkennung schafft. Christlich gesehen ist es das liebende Gegenüber Gottes, das mir meinen „guten“ Namen gibt. Lossprechung geschieht in einem zutiefst menschlichen Akt des Eingeständnisses der eigenen Sündhaftigkeit“, nennt die Fachfrau abschließend.
Felix Müller, Dekanatsreferent