Bundesregierung und Koalitionsfraktionen haben im Bundestag einen Gesetzentwurf für die Krankenhausreform eingebracht, der bei den Trägern der Krankenhäuser, den Verbänden und Organisationen der Mitarbeiter in Medizin und Pflege auf breite Kritik und große Empörung stößt. Denn die Reform gibt auf die zentralen Finanzierungsprobleme der Krankenhäuser nicht nur keine Antwort, sondern verschärft diese auch noch. Am 23. September findet bundesweit ein Aktionstag „Krankenhaus-Reform – So nicht!“ statt, mit dem Ziel, der Politik klar zu machen, wo die Probleme liegen und wo wirklich Hilfe benötigt wird.
Die Diskussionen um das Krankenhausstrukturgesetz treten im Herbst in die entscheidende Phase. Um die Forderungen der Krankenhäuser weiterhin mit Vehemenz vorzutragen, werden am heutigen bundesweiten Aktionstag „Krankenhaus-Reform – So nicht!“ am Brandenburger Tor in Berlin rund 10.000 Mitarbeiter aus Kliniken erwartet. Begleitet wird die zentrale Veranstaltung von bundesweiten Aktionen der Krankenhäuser vor Ort. Auch rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ALB FILS KLINIKEN machten an beiden Klinikstandorten im Rahmen einer „Aktiven Mittagspause“ deutlich, dass die Krankenhäuser flächendeckend betroffen sind. 200 Luftballons haben sie mit einer kurzen politischen Botschaft in den Himmel aufsteigen lassen.
Die ALB FILS KLINIKEN unterstützen vollumfänglich die Prämisse des Krankenhausstrukturgesetzes, dass eine konsequente Patientenorientierung im Mittelpunkt stehen muss. „Konsequente Patientenorientierung erfordert jedoch, dass in den Kliniken die dafür notwendigen Ressourcen und Strukturen vorgehalten werden können und die Leistungsfähigkeit der Kliniken gefördert wird“, so Dr. Jörg Noetzel, Medizinischer Geschäftsführer. „Die angestoßene Diskussion um die Verbesserung der Versorgungsqualität unterstützen wir vollumfänglich und da sind wir in den ALB FILS KLINIKEN an vielen Stellen sicher Vorreiter. Jedoch kann es nicht sein, dass – wie in der Krankenhausreform geplant – zukünftig der Medizinische Dienst der Krankenkassen, der von den Kassen finanziert wird, die Qualität überprüft. Da entsteht zwangsläufig ein Interessenkonflikt. Dafür sind beispielsweise die unabhängigen Landesgeschäftsstellen für die Qualitätssicherung viel geeigneter.“ Die ALB FILS KLINIKEN stellen mit rund 2.300 Mitarbeitern die Gesundheitsversorgung von über 250.000 Bürgern sicher. Im Jahr 2014 waren rund 145.000 Patienten stationär und ambulant zur Behandlung in den ALB FILS KLINIKEN, im stationären Bereich ein Plus von 1.000 Patienten im Vergleich zum Vorjahr. Die demografische Entwicklung und der medizinisch-technische Fortschritt wird auch künftig dazu führen, dass bundesweit in den Krankenhäusern mehr Patienten behandelt werden. Das Gesetz muss sicherstellen, dass die Krankenhäuser für diese Patienten eine Vergütung bekommen, die die Kosten vollständig deckt. Die geplante Krankenhausreform gibt auf diese großen Zukunftsfragen des Gesundheitswesens keine Antworten.
„Die zentralen Probleme der Krankenhäuser wie die Finanzierung des Personals, der ambulanten Notfallversorgung und der erforderlichen Investitionen in Medizintechnik, Neubauten oder Sanierung bestehender Bauten sowie IT-Infrastruktur bleiben ohne Lösung“, zieht Wolfgang Schmid, Kaufmännischer Geschäftsführer, Bilanz. „Im Gegenteil, die neue Reform bringt neue Kürzungen und weitere Belastungen mit sich“.
Konkret sieht der Kabinettsbeschluss Kürzungen im Jahr 2017 für alle Krankenhäuser in Deutschland im Umfang von etwa 1 Milliarde Euro vor. Seit 2013 erhält jedes Krankenhaus einen Versorgungszuschlag von 0,8 %, deutschlandweit sind das 500 Millionen Euro. Dieser soll nun 2017 ersatzlos gestrichen werden. Damit verlieren die ALB FILS KLINIKEN jährlich rund 1 Million Euro und damit Mittel, die dringend für die Finanzierung des Personals gebraucht werden. „Das im Gesetzentwurf vorgesehene Pflege-Förderprogramm zur Bezuschussung von Neueinstellungen bei Pflegekräften stellt weit weniger Mittel zur Verfügung, als die an anderer Stelle geplanten Kürzungen ausmachen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass jedes Jahr gerade mal etwa eine Pflegekraft pro Krankenhaus zu 90 Prozent finanziert werden soll, ist das zwar gut gemeint, aber beileibe keine Entlastung, die spürbar beim Patienten und dem Personal ankommt“, so Dr. Jörg Noetzel. „Unser vordringliches Problem ist die Finanzierung des Personalbestandes. Dazu brauchen wir den Versorgungszuschlag. Die Fördermittel für Neueinstellungen sind wenig hilfreich, wenn das Personal, das bereits beschäftigt ist, nicht gesichert finanziert werden kann“, ergänzt Wolfgang Schmid. Der Betriebsratsvorsitzende der ALB FILS KLINIKEN, Max Radloff, weist auf Folgendes hin: „Schon heute arbeiten Beschäftige in den Krankenhäusern landauf landab an ihrer Belastungsgrenze, um die Patienten rund um die Uhr zu versorgen. Das geplante Pflege-Förderprogramm ist reine Symbolpolitik und bringt nicht die absolut notwendige Entlastung. Für eine bedarfsgerechte Personalbesetzung benötigen wir deshalb an dieser Stelle deutliche Verbesserungen im KHSG und eine faire Finanzierung der Personalkosten. Zur Gewinnung von Klinikmitarbeiter/innen müssen wir auf Dauer attraktive Arbeitsplätze bieten um Patientinnen und Patienten mit guter Qualität versorgen zu können.“
Im Gesetz sind bisher Mechanismen verankert, die zu einem Absinken des für alle Krankenhäuser geltenden Landesbasisfallwertes – der Grundpreis für die Krankenhausleistungen – führen, wenn die Leistungen bei einigen Krankenhäusern im Land steigen. Dies führt zu Ungerechtigkeiten. Mit den Eckpunkten der Krankenhausreform soll es ab dem Jahr 2017 keine Absenkungen des Landesbasisfallwertes mehr geben. Bisherige Abzüge aufgrund Leistungssteigerungen bei allen Entgelten, die nicht mit Fallpauschalen im Rahmen des DRG-Katalogs vergütet werden, bleiben jedoch bestehen. Neue Abzüge werden darüber hinaus eingeführt. Weiter sieht der Regierungsbeschluss vor, dass mit den Krankenkassen ab 2017 vereinbarte Leistungszuwächse, in der Regel mehr Behandlungsfälle, nur noch zu massiv abgesenkten Fallpauschalen vergütet werden sollen. Diese Absenkungsquoten führen weiter dazu, dass der zukünftige medizinische Versorgungsbedarf der Menschen in der Region nicht kostendeckend finanziert werden kann.„Unsere dringende Erwartung, dass mit dem neuen Strukturgesetz die unabweisbaren Kostensteigerungen zum Beispiel aufgrund Tariflohnerhöhungen auch zu gleich hohen Steigerungen bei den Budgets führen müssen, wird weiterhin nicht erfüllt“, beanstandet Wolfgang Schmid. Im Jahr 2015 steigen die Budgets in Baden-Württemberg für Krankenhäuser ohne Leistungssteigerungen nur um 1 Prozent, obgleich Tariflohnerhöhungen von rund 3 Prozent zu verkraften sind.
Ein weiterer Brennpunkt im Reformentwurf stellt die ambulante Notfallversorgung dar. Jahr für Jahr wenden sich immer mehr Patienten an die Krankenhäuser. Auch in den ALB FILS KLINIKEN zeichnet sich seit Bestehen der beiden Zentralen Notaufnahmen in Geislingen und Göppingen eine deutliche Steigerung ab. Im Jahr 2014 haben an beiden Standorten über 61.800 Patienten die Notaufnahme aufgesucht, davon sind rund 45.300 Notfallpatienten ambulant behandelt worden. Die ambulante Notfallversorgung ist jedoch deutlich unterfinanziert. Pro behandeltem Patienten erhalten wir durchschnittlich 32 Euro, das ist bei weitem nicht kostendeckend. Laut einer Studie der DGINA (Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e.V.) ist die Notfallversorgung bundesweit um etwa 1 Milliarde Euro unterfinanziert. Das Krankenhausstrukturgesetz sieht lediglich eine leichte Verbesserung der Vergütung vor, die aber nicht mehr als der berühmte ‚Tropfen auf den heißen Stein‘ ist.
Auch eine verlässliche Finanzierung der Investitionskosten sieht der Reformentwurf nicht vor, so dass es nach wie vor einen Investitionsstau geben wird. Finanzielle Mittel, die dringend benötigt werden, um in moderne Strukturen und Qualität investieren zu können.
„Der Gesetzentwurf beinhaltet ohne Zweifel auch punktuelle Entlastungen, diese stehen jedoch in keinem Verhältnis zur bestehenden und – wenn die Krankenhausreform so kommt – noch weiter dramatisch verschärften Unterfinanzierung der Krankenhäuser“, macht Dr. Jörg Noetzel deutlich. „Wir appellieren an die Bundesregierung und die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, den Regierungsentwurf für die Krankenhausreform insbesondere in folgenden zentralen Punkten nachzubessern: Sicherstellung der Finanzierung tariflicher Personalkostensteigerungen, Weiterführung des Versorgungszuschlags, faire Vergütung der Leistungszuwächse, endlich eine adäquate Finanzierung zum Abbau des anwachsenden Investitionsstaus sowie last but not least die adäquate Finanzierung der Notfallversorgung. Für einen bedarfsorientierten gezielten Bettenabbau ist eine nach Bundesvorgaben angestoßene eindeutige Landesplanung sinnvoller, als nun über indirekte und diffuse Maßnahmen den Druck auf alle Kliniken – ohne Rücksichtnahme Versorgungsnotwendigkeit vor Ort – zu erhöhen. Uns geht es um die Versorgungsqualität vor Ort, damit wir im Interesse unserer Patienten die qualitativ hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung zukunftsfähig erhalten können.“
PM