Einen Vorgeschmack der neuen Sozialgestalt von Kirche, wie Sie die Diözese Rottenburg – Stuttgart in ihren geplanten Entwicklungsprozess gehen will, erhielten knapp 50 Kirchengemeinderäte aus dem ganzen Dekanat von Hohenstadt bis Ebersbach in Göppingen Sankt Paul am Samstagnachmittag beim 14. Gemeindeforum.
„Unsere Kirche hat große Ausstrahlungskraft, wenn Sie den Menschen nahe ist. Nähe sei ein entscheidendes Stichwort einer Pastoral – wenn sie bei den Menschen und deren existenziellen Fragen ist“, davon ist der Referent Max Himmel vom Seelsorge-Referat der Diözese überzeugt. Anhand von 14 Thesen legte er dar, wie er sich die „Nähe der Pastoral“ zu den Menschen vorstellt. Eingangs stellte er einen Text vom Propheten Jeremia vor, wie bereits 586 v. Chr. dem Volk nahe gelegt wurde, nicht in Depressionen zu versinken, nicht in Schuldzuweisungen stecken zu bleiben, sich nicht in einen Ghetto abzuschotten – sondern die Gesellschaft konstruktiv mitzugestalten. Mit dem Bibelzitat: „Bemüht euch um das Wohl der Stadt“, wurde schon damals das Volk aufgefordert zum Wohl beizutragen und mitzugestalten. Denn vieles das das damalige Volk Israel erlebt hatte, wurde zur Chance, in einer neuen Weise Glaube zu leben. „Dieser Hinweis aus Bibel kann auch für unsere Gemeinden hilfreich sein, den Veränderungsprozess aktiv mitzugestalten“, so der Pastoraltheologe Himmel aus Rottenburg. „Ist es nicht so? – Was wir gewohnt waren, was ich lange Zeit bewährt hat, was wir als heilig und unabänderlich betrachtet haben, erweist sich nicht mehr als tragfähig. Überfüllte Gotteshäuser, blühende Jugendarbeit, selbstverständliches Hineinwachsen in eine Glaubenstradition, jede Gemeinde versorgt von ihrem Pfarrer und vieles andere sind eher nostalgische Erinnerungen“, so der Referent. Himmel schlägt deshalb vor: „Wir werden neue Formen der Vergemeinschaftung in unserm Glauben finden müssen. Wir werden mündiger unser „Christsein“ leben müssen, auskunftsfähiger in Glaubensfragen, weniger abhängig davon, wie gut wir von Priestern und anderen Profis versorgt werden, wir werden neu lernen müssen, dass die Kirche insgesamt und die Gemeinden nicht für sich selber da sind, sondern dazu berufen, dem Gelingen menschlichen Lebens und Zusammenlebens zu dienen“. Auch ist der Theologe davon überzeugt: „Wir werden die Erfahrungen machen, dass wir nicht nur gebende sind, sondern auch Empfangende und Lernende. Wir werden die Erfahrung machen das Gott ganz oft schon da ist, wo wir ihn hinbringen möchten, denn er ist Gott aller Menschen und nicht nur der Kirchenmitglieder.
Ein weiteres: „Unsere Überzeugung, dass es im Volk Gottes keine Ausländer gibt, wäre ein außerordentlich wichtiger Impuls zur Friedenssicherung, positiver Globalisierung, weltweiter Solidarität, wenn es gelinge, dies noch glaubwürdiger in Spiel zu bringen“.
Es stimmt und ist wahr, was viele sagen und spüren: „Unsere Kirche, unsere Gemeinden sind in einer Krise, aber die sie Krise kann uns wie damals das Exil zur Chance werden, wenn wir sie als Herausforderung begreifen zu lernen in einer neuen Art und Weise Kirche zu sein, offener für die Welt, weniger auf uns selbst fixiert, den Menschen dienend und auf Gott vertrauend“.
Felix Müller, Dekanatsreferent