Kultusminister muss sich noch stärker für Berufsschulen im Land einsetzen – Mehr qualifizierte Lehrkräfte, weniger Unterrichtsausfall, digitale Lernplattformen

Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) des Landes und der Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg e. V. (BLV) erwarten von der Landesregierung eine ausreichende Personal- und Sachausstattung der Berufsschulen. Nur so könne den rund 120.000 Auszubildenden im Land ein fachlich und pädagogisch hochwertiger Unterricht geboten werden. Die Integration von Migranten und Flüchtlingen in die Berufsausbildung und die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt seien zusätzliche Herausforderungen für die 265 öffentlichen Berufsschulen im Land. Die Forderungen basieren auf einer bundesweiten Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), an der sich in Baden-Württemberg etwa 2.000 Ausbildungsbetriebe und 400 Berufsschullehrer beteiligt haben. Die Ergebnisse werden heute bei einem Pressegespräch in Stuttgart vorgestellt.

„Der Unterrichtausfall ist mancherorts immer noch zu hoch“, sagt Bernd Engelhardt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart und Federführer Ausbildung der zwölf IHKs in Baden-Württemberg. Um Unterrichtsausfälle möglichst zu vermeiden, müssten mehr qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer rechtzeitig angeworben und zu attraktiven Rahmenbedingungen eingestellt werden.
Der Vorsitzende des Berufsschullehrerverbands Baden-Württemberg, Herbert Huber, erklärt dazu, dass die Einstellungstermine für Lehrkräfte zu spät lägen. Um beispielsweise Direkteinsteiger und Spezialisten für den Schuldienst gewinnen zu können, müssten die Bewerbungsverfahren wegen den Kündigungsfristen vielfach schon im November eines Schuljahres stattfinden. Ein weiteres Hindernis für die Nachwuchsgewinnung sei der Besoldungsabschlag in Höhe von acht Prozent im Eingangsamt (A13) über eine Dauer von drei Jahren. Das entspräche einem Gehaltsverzicht von etwa 11.300 Euro.

Laut Umfrage überzeugt die aktuelle Unterrichtsversorgung nicht einmal 40 Prozent der befragten Unternehmen. Zehn Prozent der Betriebe und 14 Prozent der Berufsschullehrer beurteilen die Unterrichtsversorgung sogar als mangelhaft. Nach Angaben der IHKs lag das eingeplante rechnerische Defizit bei der Unterrichtsversorgung an den Teilzeit-Berufsschulen im Land 2014 bei 5,6 Prozent. Durch Ausfälle wegen Krankheit und notwendiger Fortbildungen sei das Defizit an manchen Schulen sogar deutlich höher.

In der IHK-Umfrage beklagen rund 40 Prozent der befragten Ausbildungsbetriebe, dass es zu wenig qualifizierte Lehrer und Lehrerinnen an den Berufsschulen gibt und es auch in Zukunft einen Mangel an Lehrkräften geben werde. Auch mehr als die Hälfte der befragten Berufsschullehrer befürchten zukünftigen Lehrkräftemangel. Den Grund dafür sehen über 70 Prozent der Ausbildungsbetriebe darin, dass zu wenig Lehrer eingestellt werden. 65 Prozent der Berufsschullehrer beurteilen das ebenso.

Um den Lehrermangel auszugleichen und zukünftig zu vermeiden, halten mehr als drei Viertel der Ausbildungsbetriebe die Förderung von Seiteneinsteigern aus der Praxis für ein geeignetes Mittel und stimmen darin mit der Hälfte der befragten Lehrkräfte überein. Einigkeit gibt es auch bei dem Ziel, dass mehr junge Leute für ein Berufsschullehrerstudium gewonnen werden müssen. Engelhardt (IHK): „Seiteneinsteigern muss der Zugang zum Lehramt an beruflichen Schulen erleichtert werden. Dafür braucht es gezielte Anwerbestrategien und attraktive Angebote.“
Herbert Huber (BLV): „Aufgrund des zunehmenden Flüchtlingsstroms und des damit steigenden Bedarfs an Deutschunterricht in den Vorbereitungsklassen (VABO) könnte der Lehrermangel dramatische Ausmaße annehmen, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Berufliche Schulen benötigen ausgebildete Lehrkräfte mit Deutsch als Fremdsprache beziehungsweise Deutsch als Zweitsprache. Außerdem haben Lehrer Überstunden im Umfang von etwa 1.700 Deputaten angehäuft, die abgebaut werden müssen. Diese Überstunden entsprechen einer Forderung der Lehrkräfte an das Land in Höhe von etwa 95.000.000 Euro.“

Des Weiteren beurteilt rund ein Viertel der Unternehmen die Sachausstattung der Schulen mit Maschinen, Geräten, Unterrichtsmaterialien und digitalen Medien als veraltet oder unzweckmäßig. Sogar über 40 Prozent der Lehrkräfte sind dieser Meinung. Die Wirtschaft wünscht sich den vermehrten Einsatz von interaktiven Medien im Unterricht, wie zum Beispiel digitale Lernplattformen, um „digitales Lernen“ zu fördern.
Fast 80 Prozent der Unternehmen und 40 Prozent der Berufsschullehrer plädieren außerdem für regelmäßige Praktika von Lehrkräften in Ausbildungsbetrieben. Damit bekämen Lehrkräfte Einblicke in die Weiterentwicklung der beruflichen Anforderungen.

Nach Einschätzung der IHKs bleibt der langfristige Rückgang an Auszubildenden eine große Herausforderung nicht nur für die Betriebe. Er hat direkte Folgen für die regionale Verteilung von Berufsschulen. Aus wirtschaftlichen Gründen könne das Land aber nicht darauf verzichten, auch eine Konzentration von Berufsschulstandorten vorzunehmen. Kammern und BLV mahnen an, dabei die traditionell gute Zusammenarbeit von Schulen und Betrieben – rund 80 Prozent der befragten Unternehmen sind zufrieden damit – weiterhin im Auge zu behalten. Weite Entfernungen zur Berufsschule würden Unternehmen eher davon abhalten, weiterhin auszubilden. In Zukunft werden die Schülerbeförderungskosten und die Regelung der bislang nicht zufriedenstellend gelösten Kostenübernahme bei auswärtiger Unterbringung von Auszubildenden immer mehr an Bedeutung gewinnen.

PM

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