Mit dem heutigen Urteil trägt das Bundesverwaltungsgericht der Gesundheit der Anwohner in stark belasteten Straßen Rechnung und mahnt unmissverständlich verkehrspolitische Veränderungen an. Dabei markiert dieser Gerichtsentscheid den Höhepunkt einer jahrelang fehlgeleiteten Politik der Bundesregierung: Sie hat in den letzten Jahren versäumt, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Luft in den Städten zu verbessern.
Im Kuschelkurs mit der Autolobby lehnte sie Hardwarenachrüstungen ab und setzte lediglich auf die billigeren, aber wenig erfolgversprechenden Softwareupdates. Auch die Idee eines kostenlosen Nahverkehrs war nur eine Nebelkerze der Bundesregierung, die sie in den letzten Tagen in Richtung EU warf, um die eigene Ratlosigkeit zu verschleiern. Es waren noch keine 24 Stunden vergangen bis die Meldung relativiert und schließlich völlig zurückgezogen wurde. In der vergangenen Legislaturperiode änderte die Große Koalition extra die Verfassung, um die Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) einzufrieren, mit denen die Länder und Kommunen den Ausbau von S-Bahnen und Straßenbahnen finanzieren. Im neuen Koalitionsvertrag verständigten sich Union und SPD nun darauf, die Mittel zu verdreifachen. Das hatten wir Grüne lange gefordert. Es bleibt beim Eindruck von Regierungsparteien ohne klare Linie. Die Bundesregierung irrt orientierungslos wie Geisterfahrer durch die Gegend. Probleme wurden nach Merkel’scher Art einfach ignoriert und ausgesessen. Dabei muss der Gesundheitsschutz der Bürger im Mittelpunkt jedweder Politik stehen.
Jetzt sind technische Nachrüstungen bei den betroffenen Diesel-PKW gefragt ─ auf Kosten der Hersteller. Die auf den Dieselgipfeln im letzten Jahr verabredeten Maßnahmen für Kommunen können nur ein Anfang sein. Sie werden die Stadtluft nur mittel- bis langfristig und zudem in einem viel zu geringen Ausmaß verbessern. Deshalb muss die Bundesregierung bei den Herstellern jetzt technische Nachrüstungen durchsetzen. Deren Wirksamkeit hat der ADAC Württemberg in Tests mit Unterstützung des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg nachgewiesen. Nur durch Hardwarenachrüstungen lassen sich die Stickoxidemissionen wirkungsvoll an der Hauptquelle reduzieren.
Die jetzt gerichtlich angeordneten Fahrverbote lassen sich vermutlich nicht in allen von zu hohen Schadstoffwerten betroffenen Städten durch technische Nachrüstungen verhindern. Aber Fahrverbote können auf weniger Fahrzeuge beschränkt werden.
Durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes wurde Rechtssicherheit geschaffen und klargestellt, dass das Land eigene Fahrverbote einführen darf. Für wichtiger und sinnvoller halte ich es aber, dass der Bund eine einheitliche Plakettenregelung für alle Städte schafft. Ansonsten droht ein chaotischer Flickenteppich von lokalen Einzelregelungen. Autofahrer wären mit zahllosen unterschiedlichen Regelungen in Deutschland konfrontiert. Fahrverbote ohne Plakettenlösung sind für die Kommunen nur schwer durchzusetzen.
Wenn wir den Gesundheitsschutz und das Gerichtsurteil ernst nehmen wollen, dann ist es notwendig, dass das Land und die Landeshauptstadt Stuttgart an eigenen Regelungen arbeiten, die nur dann in Kraft treten sollen, wenn der Bund weiterhin sein Handeln verweigert. Bis spätestens Anfang 2019 muss gewährleistet sein, dass die Grenzwerte eingehalten werden.
In Stuttgart zeigt die Idee einer blauen Plakette bereits erste Erfolge und löste einen regelrechten Modernisierungsschub aus: Während Anfang 2017 nur 60 Prozent der Stuttgarter Autoflotte die Auflagen einer blauen Plakette erfüllt hätten, so sind es Anfang 2018 bereits 70 Prozent. Die Anzahl der betroffenen Autobesitzer eines Fahrverbots hat sich dadurch bereits drastisch reduziert.
STATEMENT MATTHIAS GASTEL MDB:
Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes erklärt Matthias Gastel (Grüne), Mitglied im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages aus der Region (Filderstadt):
„Der Gerichtsentscheid markiert den Höhepunkt einer jahrelang fehlgeleiteten Politik der Bundesregierung! Der Gesundheitsschutz der Menschen wurde vom Bund sträflich vernachlässigt. Eigene Verantwortung wurde immer wieder ausgeblendet.
Jetzt sind technische Nachrüstungen bei den betroffenen Diesel-PKW gefragt – und zwar auf Kosten der Hersteller.
Um keine weitere wertvolle Zeit für den Gesundheitsschutz der Menschen zu verlieren, ist es notwendig, dass die Länder an eigenen Regelungen arbeiten. Vorrang hat aber eine bundeseinheitliche Lösung mittels blauer Plakette, wofür die Bundesregierung ihre Arbeitsverweigerung beenden muss. Bis Anfang 2019 muss sichergestellt sein, dass die Grenzwerte endlich eingehalten werden.“
PM