Novellierung Tariftreuegesetz – schlechte Politik, kein guter Stil

ver.di kritisiert die für heute im Landtag in erster Beratung angesetzte Novellierung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes scharf.

Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter: „Der Staat sollte Vorreiter im Kampf gegen Niedriglöhne sein, nicht Förderer. Das ist schlechte Politik für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von Dumpinglöhnen leben müssen. Der Versuch, eine öffentliche Debatte darüber zu vermeiden, in dem diese Änderung im Naturschutzgesetz versteckt wurde, ist kein guter Stil. Ja, wir sind enttäuscht.“

Mit der Änderung wird der eigentliche Kern des Gesetzes, der Mindestlohn für öffentliche Vergaben, jeglichem landespolitischen Gestaltungsanspruch entzogen. Der Bereich Verkehr, in dem aufgrund der europäischen Rechtsprechung Tariftreue möglich ist, ist von der Änderung nicht berührt.

ver.di weist den Bürokratie-Vorwurf der Arbeitgeber zurück, der vom Land als Begründung angeführt wird.

„Kein Unternehmen ist gezwungen sich auf öffentliche Vergaben zu bewerben. Wer Aufträge des Staates, die aus Steuern bezahlt werden, übernehmen will, sollte kein Problem damit haben, seine Beschäftigten anständig zu bezahlen und dies auch nachzuweisen“, so Gross.

Hintergrund:

Mit dem Landestariftreue- und Mindestlohngesetz, das grün-rot 2013 verabschiedet hatte, galt bei öffentlichen Vergaben (außerhalb des Verkehrsbereichs) ein Mindestlohn von 8,50 Euro, über dessen Erhöhung eine paritätisch besetzte Kommission den zuständigen Ministerien Vorschläge machen sollte. Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes 2015, spätestens mit dessen Erhöhung auf 8,84 Euro 2017, wurde dieser Vergabemindestlohn zweitrangig. Anstatt diesen nun zu erhöhen auf einen für Baden-Württemberg angemessenen Betrag, wird mit dieser Novellierung der jeweils gültige gesetzliche Mindestlohn für Vergaben festgeschrieben. Dieser gilt aber selbstverständlich ohnehin. Damit verzichtet das Land künftig auf die Möglichkeit, bei öffentlichen Vergaben eigene Lohngestaltungsmöglichkeiten zu haben.

Anstatt das Tariftreuegesetz in weiten Teilen überflüssig zu machen, sollte es aus ver.di Sicht den Anforderungen dringend angepasst werden:

Das Mindestentgelt sollte sich an der untersten Entgeltgruppe des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst im Land (TV-L) orientieren und entsprechend der tariflichen Steigerungen jährlich erhöht werden. Aktuell liegt der Stundenlohn dort in der niedrigsten Entgeltgruppe bei 10,46 Euro. Damit wäre sichergestellt, dass Vergaben nicht allein deshalb erfolgen, weil Personal schlechter, also billiger für den Auftraggeber, bezahlt werden, als wenn es das Land oder die Kommune mit eigenem Personal machen würde.

Echte Tariftreue, also bei öffentlichen Vergaben die Vorschrift, Tarifverträge anzuwenden, ist aufgrund der europäischen Rechtsprechung nur im Bereich des ÖPNV zulässig.

Dort besteht das Problem, dass so gut wie keine Kontrolle stattfindet, da die Kontrolle eine Kann-Regelung für die Kommunen ist. Die Kommunen profitieren aber selbst in ihren Haushalten von billigeren Anbietern und kontrollieren deshalb faktisch nicht. Deshalb gibt es hier zwar bei der Ausschreibung regelkonforme Angebote, danach aber vor allem über Subunternehmer das Unterlaufen der Tarifverträge, die eigentlich bindend sind. In Rheinland-Pfalz ist das beispielsweise besser geregelt, dort kontrolliert eine Service-Stelle die Einhaltung des Gesetzes. Außerdem ist dort bei Neuvergaben die Übernahme der bisherigen Beschäftigten zu den gleichen Konditionen vorgeschrieben. Das verhindert Dumpingangebote auf dem Rücken von Beschäftigten und sichert die Arbeitsplätze. Beides hätte eine Situation wie in Pforzheim verhindert, wo durch die Neuvergabe des Nahverkehrs alle Beschäftigten des bisherigen Anbieters SVP gekündigt wurden und nur wenige später zu deutlich schlechteren Konditionen vom neuen Anbieter übernommen wurden.

PM

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