Einige Tunnelabschnitte, die für Stuttgart 21 gebaut werden müssen, führen durch Anhydritschichten. Das Problem dabei ist, dass Anhydrit aufquillt, wenn es mit Wasser in Verbindung kommt. Deshalb betont die Deutsche Bahn immer wieder, dass sie ein spezielles Tunnelbauverfahren anwendet. Dieses habe Prof. Walter Wittke entwickelt, der die Bahn beim Tunnelbau bei Stuttgart 21 berät.
Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Filderstadt, hat bei der Bundesregierung nachgefragt, ob es bereits fertiggestellte Tunnel gibt, die nach diesem Verfahren gebaut wurden und ob es im Nachhinein Probleme durch aufquellendes Anhydrit gegeben hat. Die Bundesregierung konnte jedoch trotz mehrmaliger Nachfragen – und obwohl sie sich erfahrungsgemäß bei derartigen Fragen bei der Deutschen Bahn erkundigt – keinen einzigen Tunnel benennen, der in dieser Bauweise gebaut und in bereits in Betrieb genommen wurde. Schließlich nannte Staatssekretär Barthle (CDU) den Engelbergbasistunnel als Beispiel für einen mit „bewährtem“ Verfahren gebauten Tunnel, der durch Anhydritschichten führt. Was der Staatssekretär nicht dazu sagte: Für diesen Tunnel fielen bereits beim Bau erhebliche Mehrkosten wegen des Anhydrits an und seit seiner Verkehrsfreigabe im Jahr 1999 musste er bereits dreimal saniert werden. Im Jahr 2018 steht die nächste teure Sanierung wegen erheblicher Schäden durch das aufquellende Gestein an. Matthias Gastel folgert daraus: „Es gibt offenbar noch keinen in Betrieb genommenen Tunnel, der nach dieser von der Deutschen Bahn angepriesenen Bauweise gebaut wurde. Stuttgart 21 wird mit einem nicht erprobten Verfahren gebaut und es steht in den Sternen, ob sich die Tunnel nach einigen Betriebsjahren bewähren.“
In dem vor wenigen Wochen an die Öffentlichkeit gelangten KPMG-Gutachten, das die Deutsche Bahn in Auftrag gegeben hat, wird nachträglich aufquellendes Gestein befürchtet. Es bestehe, so das Gutachten, die Gefahr, dass es Jahre nach Inbetriebnahme der Tunnel zu umfangreichen Sanierungsarbeiten kommen könne. Das von der DB selbst in Auftrag gegebene Gutachten schätzt die Gefahren durch das aufquellende Gestein offensichtlich kritischer ein als das Bahnunternehmen selbst.
Unterdessen räumte die Bundesregierung, die selber mit mehreren Personen im Bahnaufsichtsrat vertreten ist, auf Nachfrage von Matthias Gastel ein, dass sie das Gutachten nicht kennt. Zuvor hatte schon Prof. Wittke einräumen müssen, dass er das KPMG-Gutachten ebenfalls nicht gesehen hat.
Matthias Gastel zeigt sich darüber sehr verwundert: „Die Bundesregierung kennt das Gutachten ihres eigenen Bahnkonzerns nicht, obwohl sie dem Aufsichtsrat angehört. Der Bund kommt damit seinen Kontrollpflichten nicht nach. Das macht deutlich, dass die Anhydrit-Problematik weder von der Deutschen Bahn noch von deren Kontrolleuren ernst genommen wird. Das verheißt nichts Gutes.“
PM