Wie auf dem Jahrmarkt: Glyphosat zum ersten, zum zweiten…

Zum zweiten Mal ist die EU-Kommission heute mit einem Vorschlag zur Verlängerung der Zulassung von Glyphosat bei den EU-Mitgliedstaaten abgeblitzt. Nachdem sie im März vorgeschlagen hatte, die Zulassung beinahe ohne Auflagen um weitere 15 Jahre zu verlängern, war ihr zweiter Vorschlag bereits weitaus zahmer: Der Pestizidwirkstoff sollte für neun weitere Jahre auf den Markt und nur unter Auflagen, für die die Mitgliedstaaten verantwortlich seien[i]. Trotzdem zeichnete sich keine qualifizierte Mehrheit ab, weshalb die Abstimmung erneut vertagt wurde. Maria Heubuch, Bäuerin und Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung des Europäischen Parlaments, kommentiert:

„Hier wird mit Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz gefeilscht, als wären wir am Jahrmarkt. Dabei sind die europäischen Gesetze klar: Krebserregende, hormonstörende und erbgutschädigende Chemikalien dürfen nicht auf den Markt gebracht werden. Die Kommission hat zu hoch gepokert, als sie eine Zulassung für 15 bzw. später für 9 Jahre vorschlug. Ich bin erleichtert, dass die EU-Mitgliedstaaten diesem Geschenk an Monsanto & Co nicht zugestimmt haben. Bäuerlich und ökologisch wirtschaftende Höfe zeigen seit langem, dass Lebensmittelerzeugung auch ohne Glyphosat gut möglich ist. Diese zukunftsfähige Landwirtschaft muss Herr Minister Schmidt fördern und Glyphosat nicht mehr länger unterstützen. Frau Ministerin Hendricks hat verantwortlich gehandelt; durch die deutsche Enthaltung besteht nun wieder Hoffnung, dass die Kommission endlich ein Glyphosat-Verbot vorschlägt.“

Zu der Einschätzung des gemeinsamen Gremiums der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der WHO zu Pestizidrückständen (JMPR), wonach die in Lebensmitteln vorhandenen Glyphosatrückstände keine Risiken mit sich brächten, erklärt Heubuch:

„Dieses Ergebnis – und auch sein Zeitpunkt kurz vor der wichtigen EU-Abstimmung –  verwundern nicht, wenn man einen Blick auf die Verflechtungen der beteiligten Personen mit der Industrie wirft. Wissenschaftler wie Dr. Boobis und andere, die für das Industrie-Institut ILSI arbeiten, sind nicht besonders glaubwürdig, wenn es darum geht, die Gefährlichkeit von Pestiziden zu bewerten. Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Dementsprechend wurde auch die Vorgehensweise gewählt: Die potentiell besonders gefährliche Wirkung von gemischten Pestizid-Rückständen („Pestizid-Cocktails“) wurde ausgeblendet. Die Risiken der Aufnahme von Glyphosat über die Haut und Schleimhäute während der Anwendung wurden vom JMPR ebenfalls nicht betrachtet. Ob Glyphosat an sich krebserregend ist oder nicht, wurde nicht untersucht. Das ist aber gesetzlich entscheidend: Denn potentiell krebserregende Stoffe dürfen in der EU aus Vorsorgegründen nicht verkauft werden.“

Hintergrundinfos:

[i] Vorschlag der EU-Kommission:

Die Kommission hat ihren ursprünglichen Vorschlag, die Zulassung von Glyphosat ohne Auflagen um weitere 15 Jahre zu verlängern, überarbeitet, nachdem der Vorschlag bei den Mitgliedstaaten keine qualifizierte Mehrheit finden konnte (vgl. Pressemitteilung vom 8.3.2016: Etappensieg bei Glyphosat). Der neue Vorschlag sieht vor, Glyphosat für 9 Jahre zuzulassen und fordert die Mitgliedstaaten auf, verschiedene Vorsichtsmaßnahmen zu treffen:

– Besondere Sorgfalt bezüglich negativer Auswirkungen auf Tiere;

– Beachtung der Richtlinie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden, die vorsieht, den Pestizideinsatz durch integrierte biologische Schädlingsbekämpfung zu minimieren;

– Einsatz von Glyphosat in öffentlichen Parks und Sporteinrichtungen, Schulgeländen und Spielplätzen und in der Nähe von Gesundheitseinrichtungen minimieren oder verbieten.

Den weitreichenden Forderungen des Europäischen Parlaments wurde damit jedoch nur symbolisch Rechnung getragen (vgl. Pressemitteilung vom 13.4.2016: EU-Parlament zeigt gravierende Probleme bei der Wiederzulassung von Glyphosat auf). Das Europäische Parlament hatte am 13.4. unter anderem angemahnt, den Einsatz in Privatgärten sowie Vor-Ernte-Behandlungen von Getreide (sogenannte Sikkation) zu verbieten. Diese Forderungen wurden von der Kommission nicht aufgenommen.

Für eine Verlängerung der Zulassung ist eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten erforderlich. Eine Entscheidung muss vor Ende Juni 2016 getroffen werden, da dann die Zulassung für Glyphosat ausläuft.

PM

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