Die Zahl der in Baden-Württemberg wegen einer Jugendstrafe inhaftierten Personen hat einen historischen Tiefstand erreicht. 315 junge Gefangene waren zum Ende Januar 2016 in den Jugendstrafanstalten des Landes untergebracht, so wenige wie nie zuvor seit Etablierung des Jugendstrafvollzugs in Baden-Württemberg im Jahr 1974. Vor einem Jahr befanden sich noch 392 Personen in Jugendstrafhaft, im Jahr 2010 467.
Justizminister Rainer Stickelberger teilte dies anlässlich der Konferenz „European Communities of Restoration“ in Leonberg mit. Bei der internationalen Tagung diskutieren über 40 Expertinnen und Experten aus Europa, aber etwa auch aus den USA und Brasilien, über neue Ansätze für einen modernen Justizvollzug.
„Im Interesse der Sicherheit der Menschen in unserem Land werden selbstverständlich auch Straftaten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen konsequent verfolgt und angemessen sanktioniert, im äußersten Fall mit Freiheitsstrafen und Jugendstrafvollzug. Der seit Jahren rückläufige Trend bei der Zahl der jungen Gefangenen steht dazu nicht in Widerspruch, sondern macht deutlich, dass die Jugendkriminalität in Baden-Württemberg stetig und nachhaltig sinkt“, sagte Minister Stickelberger. Bestätigt werde dies durch die Entwicklung bei den strafgerichtlichen Verurteilungen von jungen Menschen. Die Zahl der verurteilten Jugendlichen sank im Jahr 2014 gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent deutlich und erreichte mit 4.893 Verurteilungen nahezu den Tiefstand aus dem Jahr 1991, als 4.813 Personen verurteilt wurden. Auch die Zahl der verurteilten Heranwachsenden, also der Personen im Alter von 18 bis unter 21 Jahren im Zeitpunkt der Tatbegehung, ging 2014 merklich um 8,1 Prozent auf 9.513 zurück. Zum Vergleich: Im Jahr 2007 waren noch 9.533 Jugendliche und 13.575 Heranwachsende verurteilt worden.
„Der Justiz ist immanent, dass sie erst auf bereits begangene Straftaten reagieren kann. Dann jedoch bietet die baden-württembergische Justiz ein umfassendes Bündel an Maßnahmen und Hilfestellungen, um gerade bei jugendlichen Straftätern Rückfällen vorzubeugen und sie auf ihrem Weg in eine straffreie und hoffnungsvolle Zukunft zu unterstützen. Diese Anstrengungen zahlen sich nun aus“, sagte Justizminister Stickelberger. Er verwies auf die in Stuttgart-Bad Cannstatt, Pforzheim und Mannheim bereits eingerichteten Häuser des Jugendrechts, in denen Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendhilfe eng zusammenarbeiten, um eine rasche und wirkungsvolle Sanktion gegenüber jugendlichen Straftätern sicherzustellen. Daneben hob Stickelberger das „Projekt Chance“ hervor, das derzeit im Seehaus Leonberg und im Kloster Frauental in Creglingen als so genannte „freie Form“ des Jugendstrafvollzugs eine gesetzlich verankerte Alternative zum klassischen offenen und geschlossenen Vollzug bietet. „Aktuell 22 jungen Männern bieten wir dort die Chance für einen echten Neuanfang. In einem klar strukturierten Tagesablauf lernen sie, Regeln einzuhalten, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen, Verantwortung zu übernehmen und ihren Mitmenschen mit Respekt und Anstand zu begegnen. Viele erleben hier oft zum ersten Mal Anerkennung, Zuwendung und ein Gefühl von Heimat“, erläuterte Minister Stickelberger. Wer sich nicht an die strengen Regeln und den straffen Tagesplan halte, müsse zurück in die geschlossene Haftanstalt.
Den Beschäftigten der Einrichtungen in Leonberg und Creglingen sprach Minister Stickelberger seinen Dank aus: „Solch eine innovative Vollzugsform steht und fällt mit den Menschen, die vor Ort mit den jungen Gefangenen arbeiten. Als Hauseltern, im Werk- und Bildungsbereich oder etwa bei Freizeit und Sport leisten Sie tagtäglich vorbildliche Arbeit von unschätzbarem Wert. Vorbilder wie Sie brauchen die Gefangenen für einen erfolgreichen Start in ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung“, so Stickelberger.
PM