„Natur- und Artenschutz sind eine große Herausforderung für die Gesellschaft. Dies gilt insbesondere für ein starkes Industrieland wie Baden-Württemberg. Die Landesregierung hat daher den Naturschutz ins Zentrum der Politik gerückt. Wir haben den Naturschutz damit erstmals als Querschnittsthema verankert, dem alle Ministerien verpflichtet sind, und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe definiert. Wir wollen beweisen, dass wirtschaftlicher Erfolg, Wohlstand und ein verantwortlicher Umgang mit der Natur Hand in Hand gehen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag (12. Januar 2016) anlässlich der Vorstellung des ersten Berichts zur Lage der Natur in Baden-Württemberg. Naturschutzminister Alexander Bonde hatte diesen heute dem Ministerrat vorgestellt. Der Bericht wird nun dem Landtag zugeleitet.
Im vor kurzem verabschiedeten neuen Landesnaturschutzgesetz sowie in der Naturschutzstrategie Baden-Württemberg hat sich die Landesregierung verpflichtet, einmal in jeder Legislaturperiode einen „Bericht zur Lage der Natur“ vorzulegen. „Mit dem ersten Bericht zur Lage der Natur beschreiten wir völlig neue Wege, indem wir transparent darlegen, wie es um Natur, Landschaft und die biologische Vielfalt im Land steht und wo Handlungsbedarf besteht“, sagte Naturschutzminister Alexander Bonde. Der Bericht dokumentiere außerdem den Stand der Umsetzung der Naturschutzstrategie Baden-Württemberg. „Mit unserer bundesweit gelobten neuen Naturschutzstrategie haben wir die Naturschutzpolitik des Landes strategisch neu ausgerichtet und wichtige Schwerpunkte gesetzt, um unserer Verantwortung für den Erhalt der Artenvielfalt gerecht zu werden. Wir haben einen konkreten Fahrplan vorgelegt und lassen uns an klaren Zielen messen“, betonte der Minister.
Aktuelle Informationen zum Zustand und zur Entwicklung von Natur und Landschaft sowie der biologischen Vielfalt seien für eine erfolgreiche Naturschutzpolitik unverzichtbar. Sie dienten außerdem der fachlichen Bewertung von Naturschutzmaßnahmen und dem effizienten Einsatz von Personal und Finanzmitteln.
Großschutzgebiete bringen Mehrwert für Natur und Mensch
Die Landesregierung habe bereits viele wertvolle Maßnahmen umgesetzt, um den immer noch anhaltenden Rückgang der biologischen Vielfalt in Baden-Württemberg zu stoppen. „Der Nationalpark Schwarzwald geht in sein drittes Jahr und ist überaus erfolgreich – bei den Baden-Württembergerinnen und Baden-Württembergern genießt er große Beliebtheit“, betonte Bonde. Zum 1. Februar 2016 werde das Biosphärengebiet Schwarzwald eingerichtet. „Damit starten gleich zwei Großschutzgebiete in dieser Legislaturperiode, die einen großen Mehrwert für Natur und Gesellschaft bringen“, so der Minister.
Naturnähe der Wälder im Land hat zugenommen
„Erfreulicherweise hat auch die Naturnähe unserer Wälder zugenommen“, sagte Bonde. Im Jahr 2014 wurden rund 50 Prozent der Wälder in Baden-Württemberg als „sehr naturnah“ oder „naturnah“ eingestuft. „Das ist der höchste Wert im gesamten Bundesgebiet“, betonte der Minister. Auf diesem Erfolg ruhe sich das Land aber nicht aus: „Die neue Richtlinie landesweiter Waldentwicklungstypen und die konsequente Anwendung des Alt- und Totholzkonzepts tragen dazu bei, dass Baden-Württembergs Wälder an Vielfalt und Naturnähe noch weiter zunehmen werden“, sagte der Minister. Die 2014 verabschiedete Gesamtkonzeption Waldnaturschutz von ForstBW bilde einen verbindlichen Handlungsrahmen für die Umsetzung und Weiterentwicklung der für den Staatswald bestehenden Naturschutzkonzepte. „So haben wir uns das Ziel gesteckt, dass bis 2020 zehn Prozent des Staatswaldes komplett nutzungsfrei sein werden“, sagte Bonde. Seit Mai 2014 sei der Staatswald Baden-Württemberg zudem mit dem Ökosiegel für Forstwirtschaft (FSC) für nachhaltige Waldwirtschaft zertifiziert.
Grünlanderhalt ist aktiver Landschaftsschutz
Über ein Drittel der im Land heimischen Pflanzenarten kommen hauptsächlich im Grünland vor. Die Grünlandflächen haben seit 1979 jedoch von rund 650.000 Hektar auf etwa 550.000 Hektar im Jahr 2014 abgenommen – mit großen negativen Folgen für die Artenvielfalt. „Dies zeigt, wie wichtig die Maßnahmen zur Grünlanderhaltung sind. Mit dem Grünlandumwandlungsverbot im Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz sind wir hier Vorreiter beim Schutz unserer Landschaften. Den anhaltenden Grünlandverlust konnten wir durch ein Umbruchverbot stoppen“, so Bonde. Das Land habe auch die Rahmenbedingungen für den Schutz und die Pflege des Grünlandes deutlich verbessert. „Die Förder-sätze für die Bewirtschaftung wertvoller Lebensräume wie der Mageren Flachland-Mähwiesen und Berg-Mähwiesen haben wir erhöht. Auch für die naturschutzgerechte Beweidung in der Landschaftspflegerichtlinie haben wir die Fördersätze stark angehoben“, so Bonde.
Schulterschluss von Landwirtschaft und Naturschutz
Zurückgegangen sind auch die Flächen vieler Biotoptypen, die auf eine extensive Nutzung angewiesen sind. Damit sind auch die Vorkommen von Arten der offenen Agrarlandschaft wie Feldhamster, Feldlerche, Rebhuhn, Braunkehlchen oder Grauammer rückläufig. Aktuell sind noch etwa 60 Prozent dieser Lebensräume im Land in einem unzureichenden Erhaltungszustand. „Mit dem Agrarumweltprogramm FAKT und dem Vertragsnaturschutz wollen wir diese Lebensräume im engen Schulterschluss von Naturschutz und Landwirtschaft erhalten und gezielte Artenschutzmaßnahmen durchführen“, so Bonde. Außerdem habe das Land die Agrarförderung weiter ökologisiert nach dem Grundsatz „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“.
Lebensräume für bedrohte Arten erhalten und verbessern
Durch die Weiterentwicklung des Arten- und Biotopschutzprogramms wurden die Lebensräume stark gefährdeter Arten verbessert – beispielsweis der des vom Aussterben bedrohten Schwarzen Apollofalters. Eine wichtige Rolle nehmen hier – nahezu flächendeckend im ganzen Land – die Landschaftserhaltungsverbände ein. „In der Pflege der Kulturlandschaft bringen sich die Landschaftserhaltungsverbände vor Ort ein. Von den 31 Landschaftserhaltungsverbänden im Land sind 25 in dieser Legislaturperiode entstanden – auch dank der finanziellen Unterstützung des Landes“, so Bonde. Mit der Baumschnittprämie fördere die Landesregierung erstmals den fachgerechten Baumschnitt in Streuobstwiesen und trage hiermit, wie auch mit der Streuobstkonzeption des Landes, zum Erhalt dieses für viele Arten wertvollen Lebensraums bei. Durch all diese Maßnahmen konnten einige Arten wie der Wanderfalke, der Steinkauz oder die Schleiereule aus der so genannten Roten Liste entlassen werden, da hier erfreuliche Bestandszuwächse zu verzeichnen sind. Ehemals ausgestorbene Arten wie die Wildkatze, der Schwarzstorch und der Biber sind wieder eingewandert.
Viele wertvolle Biotope, die Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten sind, gingen und gehen durch Bebauungen, Landnutzung sowie Zerschneidung der Landschaft – beispielsweise durch Straßen und Schienen – verloren. „Besonders problematisch ist, dass der Austausch von Tieren und Pflanzen zwischen den einzelnen isolierten Gebieten erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird und damit zum Verlust von biologischer Vielfalt führen kann. Mit einem landesweiten Biotopverbund wollen wir die Wiedervernetzung von Lebensräumen ermöglichen und mehr grüne Infrastruktur schaffen“, betonte Bonde. Die Umsetzung der Moorschutzkonzeption leiste ihrerseits einen großen Beitrag zur Erhaltung und systematischen Renaturierung von Hoch- und Niedermooren – und damit einen Beitrag zum Klima- und Naturschutz.
Naturschutz im Zentrum der Politik – viel erreicht, aber noch nicht am Ziel
„Die neue Schwerpunktsetzung spiegelt sich auch in den für den Naturschutz bereitgestellten Finanzmitteln wider: In der laufenden Legislaturperiode hat Grün-Rot die Finanzmittel für den Naturschutz auf über 60 Millionen Euro aufgestockt und damit mehr als verdoppelt“, so Ministerpräsident Kretschmann. „Fünf Jahre grün-rote Politik haben der Natur im Land gutgetan. Wir haben unheimlich viel erreicht. Gleichzeitig liegen noch große Herausforderungen vor uns“, sagte Naturschutzminister Bonde abschließend.
Informationen zum Naturschutz in Baden-Württemberg finden Sie unter www.mlr-bw.de/Naturschutz.
Der Bericht zur Lage der Natur ist unter www.mlr-bw.de > Unser Service > Broschüren abrufbar. Dort finden Sie auch die Naturschutzstrategie Baden-Württemberg.
PM