Städtisches Museum im Storchen nun fast barrierefrei – Einweihungswochenende steht bevor

Nach dreijähriger Umbauphase wird das Städtische Museum im Storchen am Wochenende bei freiem Eintritt wiedereröffnet. Zugleich findet die erste Sonderausstellung im neuen Storchen, dem Gralglas gewidmet, statt. Am Samstag und Sonntag wird jeweils um 14 und um 16 Uhr durch die neue Präsentation geführt; und am Samstag, 20. Juni, 17 Uhr, spielt unter dem Motto „The Joy of Toy“ Isabel Ettenauer auf Toy Pianos von Schoenhut und Michelsonne; Dr. Karl-Heinz Rueß spricht über Albert Schoenhut, der nach seiner Auswanderung aus Göppingen eine der größten Spielwarenfabriken Amerikas aufbaute.

Storchen außen hochNach dreijähriger Schließzeit geht das Museum im Storchen wieder an den Start. In dieser Zeit wurde das fast 500 Jahre alte Liebenstein’sche Stadtschloss baulich saniert. Mit dem Einbau eines Sicherheitstreppenhauses wurden die Anforderungen zum Brandschutz erfüllt, mit dem Einbau eines Aufzugs wurde der barrierefreie Zugang bis ins erste Dachgeschoss hergestellt. Gleichzeitig werden die kultur- und stadtgeschichtlichen Sammlungen neu präsentiert, vieles wird erstmals gezeigt. Die Ausstellungsthemen reichen von den ersten Spuren der Besiedelung über das Mittelalter, die Stadt vor und nach dem Stadtbrand, die Zeit der Industrialisierung bis in die Nachkriegszeit. In diesem Zusammenhang werden auch markante Persönlichkeiten und deren Ideen gewürdigt. Einen Schwerpunkt bildet die Spielwarenherstellung in Göppingen; vorgestellt werden die Firmen Märklin, Schmohl, Keller, F. & R. Fischer sowie die A. Schoenhut Compony, gegründet in Philadelphia von dem nach Amerika ausgewanderten Albert Schoenhut. Für die jüngeren Besucher gibt es spezielle Stationen zur Erforschung und Entdeckung der Stadtgeschichte.

Mit der Wiedereröffnung des Museums startet auch die erste Sonderausstellung. Hierfür stehen nun die Räume im 1. Obergeschoss zur Verfügung. Zu sehen ist eine Ausstellung über die Geschichte der Firma Gralglas, die in Göppingen gegründet wurde und dann den Betrieb nach Dürnau verlagerte. Die Glasmanufaktur gehörte zu den bedeutenden deutschen Glashütten der Nachkriegszeit und schrieb mit ihren Produkten Designgeschichte. Ob Bundespräsidialamt oder Kanzleramt; in der 1950er und 1960er Jahre gehörten die Gläser der Firma Gralglas zu den Repräsentationsobjekten in der westdeutschen Bundeshauptstadt. Gezeigt werden Gebrauchs- und Ziergefäße mit besonderem Designanspruch – die Sonderausstellung heißt denn auch „gralglas: Deutsches Design 1930 bis 1981“. Daneben werden die wichtigsten Trinkglasservice sowie nach Künstlerentwürfen gefertigte Unikate präsentiert.

 

Der Storchen

Die Adelsresidenz wurde um 1536 vom Freiherren Hans von Liebenstein erbaut und ist damit das älteste Fachwerkhaus der Stadt. Über 200 Jahre residierten hier die Nachkommen der Liebensteiner, bevor sie das Haus 1781 an den Amtsarzt Dr. Gottlieb Friedrich Oetinger verkauften. Der neue Besitzer ließ das ursprüngliche Treppenhaus abreißen und baute ein neues an der Stelle des jetzigen Fahrstuhls ein. Doch schon 1806 verkaufte die Witwe von Dr. Oetinger das Haus wieder, sodass in der Folgezeit die Eigentümer durch Verkäufe und Erbgänge immer häufiger wechselten. In den 1850er Jahren richtete Georg Bantel im Erdgeschoss des Hauses eine Werkstatt ein und betrieb im ersten Stockwerk eine Weinwirtschaft, in der keine Polizeistunde galt, da diese durch ein noch aus Adelsbesitz stammendes Privileg aufgehoben wurde. Aus dieser Zeit stammt auch der Name „Storchen“, der sich bis heute gehalten hat und in dem Storchen-Brunnen am Klosterneuburg-Platz, unmittelbar vor dem Museum, wiederfindet. 1925 gründete sich der Göppinger Geschichts- und Altertumsverein, der mit dem Aufbau einer Sammlung begann. 1937 erwarb die Stadt das damals aus Brandschutzgründen verputzte Anwesen mit dem Ziel, dort die Sammlung als Stadtmuseum unterzubringen – der Zweite Weltkrieg verhinderte die Verwirklichung rund zwölf Jahre lang. Allerdings wurde 1937 das prächtige Fachwerk freigelegt. Und bereits 1949, als die Stadt noch unter schweren Kriegsschäden litt, öffnete das Museum seine Pforten. Damals wurde übrigens ein neues, auf alt getrimmtes Treppenhaus eingebaut, das bis zur Schließung des Hauses vor drei Jahren seinen Dienst tat.

 

Das neue Museum

Das Städtische Museum im Storchen war nicht nur nicht barrierefrei; es erfüllte auch nicht mehr die gestiegenen Anforderungen des Brandschutzes. Eigentlich musste ein zweiter Fluchtweg geschaffen werden; das aber hätte das Haus und seinen unverwechselbaren Charakter schwer in Mitleidenschaft gezogen. Im städtischen Hochbaureferat wurde schließlich der „Gordische Knoten“ durchschlagen: Mit einem Sicherheitstreppenhaus wurde nicht nur der Brandschutz, sondern sogar noch die Barrierefreiheit zumindest bis ins erste Dachgeschoss hergestellt. Das aus dem Jahr 1949 stammende Treppenhaus wurde entfernt und durch ein neues, in Glas eingehaustes Treppenhaus ersetzt. Im Brandfall schließen die Türen und ein Gebläse erzeugt im Treppenhaus einen Überdruck. Werden nun die Türen geöffnet, um aus dem Haus zu flüchten, verhindert der Überdruck das Eindringen von Rauch in das Treppenhaus – der Rettungsweg bleibt passierbar. Zudem konnte noch ein Fahrstuhl eingebaut werden, der das erste und zweite Obergeschoss sowie das erste Dachgeschoss erreicht; lediglich das zweite Dachgeschoss ist nur über Treppen zugänglich. Der neue Teil hebt sich optisch von der Altbausubstanz ab und ist als modernes Werk erkenntlich, dank der Verglasung und einer dezenten Farbgebung aber sehr zurückhaltend ausgefallen. Rund 900.000 Euro flossen in dieses Sicherheitstreppenhaus; insgesamt kostete der Umbau etwa 1,85 Millionen Euro. Kaum sichtbar und dennoch erforderlich sind auch die Elektroinstallationen; so wurden 20 Kilometer Kabel im Haus verlegt.

 

Die neue Konzeption

Knapp 430.000 Euro standen für die konzeptionelle Neugestaltung der Ausstellungen zur Verfügung. Im Erdgeschoss wird das Mittelalter in Göppingen thematisiert; ein jetzt nutzbares Gewölbe zeigt erste Siedlungsspuren aus archäologischen Ausgrabungen. In der Eingangshalle wird die älteste Ansicht des Filstals, das 4,3 Meter lange Filstalpanorama aus den Jahren 1534/35, nachgebildet; medial ergänzt mit Informationen zu den einzelnen Ortschaften aus jener Zeit und in der Gegenwart. Das erste Obergeschoss mit vier Räumen ist künftig Sonderausstellungen vorbehalten. Das zweite Obergeschoss bildet die Stadtgeschichte in chronologischen Zeitstrahlen ab: Um 1750 Handwerk und Zünfte, 1782 der zweite große Stadtbrand und der Wiederaufbau Göppingens im klassizistischen Grundriss; ab 1850 Industrialisierung und Urbanisierung, Beginn der Arbeiterbewegung und der liberalen Idee; Nachkriegszeit mit der Integration von 12.000 Flüchtlingen. Im ersten Dachgeschoss werden verschiedene Göppinger Personen vorgestellt, von Märklin bis zur Köchin, die das vermutlich älteste Spätzlesrezept niederschrieb – die älteste Erwähnung der Spätzle dürfte übrigens rund 100 Jahre zuvor ebenfalls aus Göppingen stammen, als empfohlen wurde, den Spätzlesteig mit Sauerwasser anzurühren, damit er schön locker wird. Das zweite Dachgeschoss schließlich stellt verschiedene Göppinger Spielzeugfirmen vor.

 

Der Außenbereich

Mit dem ebenfalls neugestalteten Freigelände werden gleich zwei Ziele erreicht: Zum einen wird der, ohne Eintritt frei zugängliche Außenbereich in die museumspädagogische Arbeit einbezogen, zum anderen wird die familienfreundlich gestaltete Freianlage als nichtkommerzieller Treffpunkt der Innenstadt weitere Attraktivität verleihen. Im ummauerten Museumsgarten werden auch weiterhin Ausstellungsstücke wie historische Grenzsteine oder ein Sühnekreuz Platz finden. Der südöstlich gelegene Freibereich hingegen ist als Pflanzenlabyrinth gestaltet. Wer den Weg zur Mitte gefunden hat, wird mit einem Bewegungsspiel zur Entfaltung der Sinne belohnt. Vor allem kleinere Kinder werden zu koordinierten Bewegungen eingeladen. Bänke sorgen für Ruheplätze; ein neuer Treppenaufgang zum benachbarten Klosterneuburg-Platz schafft Durchgängigkeit. Bekletterbare Spielskulpturen aus Holz – 2,5 Meter große Pferde und ein kleineres Fohlen der Firma Ostheimer aus Zell u. A. – verweisen auf die im Innern ausgestellten Spielzeuge.

 

Die Eröffnung

Am Eröffnungswochenende Samstag, 20. und Sonntag, 21. Juni, werden Führungen durch die neue Präsentation um 14 und 16 Uhr angeboten; der Eintritt am Eröffnungswochenende ist frei. Und am Samstag gibt Isabel Ettenauer um 17 Uhr unter dem Titel „The Joy of Toy“ ein Konzert mit Toy Pianos im Museum. Dr. Karl-Heinz Rueß wird dazu die Geschichte des Göppingen-Auswanderers Albert Schoenhut und seine Erfolgsgeschichte in Amerika vorstellen: Er baute eine der größten Spielwarenfabriken Amerikas auf und feierte mit dem Toy Piano und dem Humpty Dumpty Circus besondere Erfolge. Der musikalischen Umrahmung liegt eine besondere Verbindung zwischen der im Museum präsentierten Stadtgeschichte und der Partnerschaft mit Klosterneuburg zugrunde: Isabel Ettenauer aus St. Pölten spielt Kompositionen von Prof. Karlheinz Essl aus Klosterneuburg.

Das Städtische Museum im Storchen, Wühlestraße 36, ist geöffnet Dienstag bis Samstag von 13 bis 17 Uhr sowie Sonn- und Feiertag von 11 bis 17 Uhr.

 

Isabel Ettenauer spielt zur Eröffnung des Museums auf einem Toy Piano.

PM

 

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