„Bei sorgfältiger Betrachtung des Kreishaushaltes ist festzustellen, dass die Kreisumlage in den vergangenen Jahren zu hoch war und auch jetzt sowie künftig zu hoch ist“, fasst Göppingens Oberbürgermeister Guido Till seine Analyse zusammen. Anders hätte der Kreis keine allgemeinen, also nicht zweckgebundenen Rücklagen in Höhe von 70 Millionen Euro ansammeln können. „Deshalb beantragen wir, die Kreisumlage auf den Durchschnittssatz im Regierungsbezirk Stuttgart festzulegen.“
Wir, das sind in diesem Fall OB Till und der Vorsitzende der CDU-Gemeinderatsfraktion Felix Gerber – beide gehören auch dem Kreistag an. „Als Kreisräte sind wir natürlich dem Wohl des gesamten Landkreises verpflichtet. Aber als Göppinger Mandatsträger sind wir dem Interesse der Hohenstaufenstadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger im besonderen Maße verpflichtet.“, stellen die beiden Politiker fest. Die Höhe der Kreisumlage müsse immer ein Ausgleich zwischen dem Ansinnen des Landkreises und den Interessen der 38 einzelnen Kommunen sein. Es könne nicht angehen, dass die Kreisverwaltung ihre Liquidität dauerhaft bei annähernd 50 Millionen Euro aufrecht erhalte, während manche Gemeinde und manche Stadt am Rande ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit „um jeden Cent“ zu kämpfen habe. Deshalb fordern die beiden lang gedienten Kommunalpolitiker auch eine frühzeitige Einbeziehung der 38 Rathäuser in die Finanzplanung des Kreises. „Aus dem bloßen Mitteilungsverfahren muss ein echtes Mitwirkungsverfahren werden“, unterstreichen Till und Gerber.
Die Kreisumlage stellt die Haupteinnahmequelle des Landkreises dar. Sie richtet sich nach der Steuerkraft der Einwohner/-innen und ist von allen Kommunen, entsprechend ihrer Bevölkerungszahl, zu zahlen. Da die Steuerkraftsumme steigt, erhöhen sich die Einnahmen aus der Kreisumlage selbst bei gleichbleibendem Hebesatz. Kaum ein Landkreis in Baden-Württemberg erhöhe daher seinen Kreisumlagen-Hebesatz 2019; viele Kreise senken ihn stattdessen. Der Landesdurchschnitt liegt bei 30,87 von Hundert, der durchschnittliche Hebesatz im Regierungsbezirk Stuttgart bei 32,02 v. H. Der Landkreis Göppingen allerdings plant eine Erhöhung von ohnehin schon hohen 34,1 Prozent auf ursprüngliche 35,5 % und nunmehr immer noch auf 34,5 Prozentpunkte – alles andere als guter Durchschnitt! „Und die Tendenz der nächsten Jahre ist weiter stark steigend“, beklagen Till und Gerber, „auf sage und schreibe 38 Prozent im Jahr 2022 – und das ohne Klinikneubau und ohne den längst überfälligen VVS-Beitritt.“ Die beiden Kreisräte beantragen, nicht nur auf die Erhöhung zu verzichten, was 2019 immer noch deutlich höhere Einnahmen des Kreises zu Folge hätte als 2018. Angesichts steigender Steuerkraftzahlen und mit Blick auf die hohe, nicht begründete Rücklage von 70 Millionen Euro beziehungsweise der hohen Liquidität von jährlich 45 bis 50 Millionen Euro bis 2022 fordern sie, den Hebesatz auf den Durchschnittswert des Regierungsbezirks Stuttgart und damit auf 32 Prozent abzusenken. „Wir wollen einen klaren Kurswechsel zugunsten der Städte und Gemeinden. Es könne nicht sein, dass die Kreisverwaltung eine Liquidität von 50 Millionen Euro aufrecht erhält, während die Kommunen finanziell ausbluten. „Die Aushängeschilder des Landkreises Göppingen sind die 38 Städte und Gemeinden, nicht die Kreisverwaltung“, rücken Till und Gerber die Rangreihenfolge zurecht.
Der große Posten Klinikneubau mit einem Eigenanteil des Landkreises in Höhe von 100 Millionen Euro werde ausschließlich durch eine vollständige Kreditfinanzierung sichergestellt. Der Anbau des Landratsamtes sei durchfinanziert – übrigens zu ähnlichen Gesamtkosten wie das Städtische Verwaltungszentrum am Bahnhof, obwohl der Anbau nur die Hälfte der Arbeitsplätze aufnehmen werde wie der städtische Neubau. Weitere größere Ausgabepositionen seien weder im Haushalt 2019 noch in der Finanzplanung bis 2022 und auch nicht im Finanzierungskonzept 2030 aufgeführt. „Wozu also dieser sehr hohe Liquiditätsrahmen?“ fragen Till und Gerber. Für die Vollintegration in den Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) werde sogar eine weitere Erhöhung der Kreisumlage ins Spiel gebracht. „Was soll diese Drohgebärde?“ empören sich die CDU-Kreisräte. Sie verlangen stattdessen die Umkehr zu einer realistischen und damit deutlich abgesenkten Kreisumlage. „Unsere Bitten wurden in den vergangenen Jahren nicht gehört, deshalb werden wir jetzt unsere Forderung durch einen entsprechenden Antrag im Kreistag untermauern.“ Immerhin erhalte der Kreis vom Land 6,4 Millionen Euro mehr an Zuweisungen als im Etat eingeplant. Sehe der Plan nämlich eine Bedarfsmesszahl von 696 Euro pro Einwohner vor, liege die aktuelle Zahl bei 721 €/EW. €
Für die Hohenstaufenstadt Göppingen mache jeder Punkt des Hebesatzes 880.000 Euro aus – bei der beantragten Absenkung auf den Durchschnittssatz also rund zwei Millionen Euro, die ansonsten für Investitionen in die städtische Kinderbetreuungs-Infrastruktur, die nicht nur die Stadt Göppingen viel Geld koste, nicht mehr zur Verfügung stünden. Für den Schuldenabbau des Landkreises auf 19 Millionen Euro (Rechnungsabschluss 2017) haben Till und Gerber durchaus Verständnis, für die unbegründete Anhäufung der Rücklage von 70 Millionen Euro, ebenfalls Rechnungsabschluss 2017, und die hohe Liquidität von 50 bis 45 Millionen Euro hingegen nicht. Angesammelt wurde die Rücklage aus den ordentlichen Überschüssen des Ergebnishaushaltes in den vergangenen fünf Jahren. „Damit wurden circa 14 Millionen Euro pro Jahr (!) an Kreisumlage zu viel erhoben“, schlussfolgern Till und Gerber aus der Haushalts-Analyse, und das bei gleichzeitigem Schuldenabbau. „Die Kreisumlage ist aber eine nachrangige Finanzierung des Bedarfes beim Landkreis und dient nicht vorrangig zum Ausgleich des Ressourcenverbrauches.“ Dass die Kreisumlage in Göppingen entgegen den Trends im Regierungsbezirk und im Land weiter steigen solle, sei nicht begründet und nicht nachvollziehbar. Die Steuerkraft steige im Zeitraum von 2019 bis 2022 um zehn Prozent, die Kreisumlage steige im gleichen Zeitraum um 21,6 % und damit um mehr als das Doppelte. Im Finanzplanungszeitraum bis 2022 erhöhe sich dadurch der Liquiditätsbestand des Kreises planmäßig um 26,2 Millionen Euro – zu Lasten der Kommunen! Hauptbetroffene sei die Hohenstaufenstadt Göppingen als größte Stadt im Landkreis – sie allein müsse 25 Prozent der Kreisumlage aufbringen. „Wir haben mit großen Anstrengungen in den vergangenen Jahren unseren städtischen Haushalt stabil gehalten und stehen fast schuldenfrei dar – aber nicht, um beim Landkreis große Reserven anzuhäufen“, wollen der Oberbürgermeister und der Vorsitzende der größten Gemeinderatsfraktion die städtischen Interessen auch im Kreistag berücksichtigt sehen. Dabei hoffen sie auf Unterstützung aus den anderen 37 Rathäusern, denn betroffen seien alle Kommunen des Landkreises Göppingen. Aufgebracht werde die Kreisumlage zu 18 Prozent aus dem Oberen Filstal, zu 17 Prozent aus dem Mittleren Filstal und zu 65 % (!) aus dem Unteren Filstal. Angesichts dieser Zahlen werde deutlich, dass beispielweise die Helfenstein-Klinik nicht von der Wirtschaftskraft des Oberen Filstales getragen werde, sondern von der Finanzkraft des Unteren Filstals profitiere. Doch darüber müsse gesondert gesprochen werden; ebenso über die Frage, ob das Millionen-Defizit der Alb-Fils-Kliniken überwiegend oder ganz von der Helfenstein-Klinik verursacht werde und ob es richtig sei, die Effizienzrendite für beide Standorte primär durch den Standort Göppingen erbringen zu lassen.
Jetzt müsse aber über die beantragte Senkung der Kreisumlage auf den Durchschnittssatz des Regierungsbezirkes gesprochen werden – und über ein klares Signal für die Zukunft. 39 Prozent Hebesatz möge für die kassierende Kreisverwaltung eine „Schmerzgrenze“ sein, für viele zahlungspflichtige Gemeinden und Städte aber sei damit die Handlungsgrenze der kommunalen Selbstverwaltung überschritten. Damit dieses Horror-Szenario nicht Wirklichkeit werde, verlangen Oberbürgermeister Guido Till und Fraktionschef Felix Gerber für die Zukunft eine frühzeitige Beteiligung der 38 Rathäuser an der Etatplanung des Kreises. Der Landkreis dürfe das Recht der Gemeinden auf angemessene finanzielle Ausstattung nicht verletzen. Dies hätten mehrere Urteile erst jüngst wieder bestätigt. Um dieses Recht bereits im Vorfeld, bei der ersten Planung der Haushalts-Eckdaten, zu gewährleisten, fordern Till und Gerber eine echte Mitwirkung. Ziel sei es, gemeinsam eine konsensfähige Kreisumlage zu finden, die sowohl dem tatsächlichen Bedarf des Landkreises wie auch den vielfältigen Aufgaben der Kommunen vor Ort gerecht werde.
PM Stadtverwaltung Göppingen