In diesem Jahr jährt sich zum 80. Mal die Pogromnacht des Jahres 1938. Wie in vielen Orten in Deutschland und Österreich wurde auch in Göppingen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die Synagoge angezündet und zerstört. Nach der Brandstiftung durch einen SA-Trupp aus Geislingen wurden in der Stadt ein jüdisches Kaufhaus und ein Hotel demoliert, danach alle jüdischen Männer zwischen 16 und 65 Jahren verhaftet und in den Tagen danach in das KZ Dachau gebracht.
Am Sonntag, 4. November, um 17 Uhr hält Stadtarchivar Dr. Karl-Heinz Rueß im Museum im Storchen einen Vortrag über die Ereignisse, die sich vor 80 Jahre in Göppingen in dieser denkwürdigen Nacht abspielten. Ilona Abel-Utz wird im Kontext des Vortrags Berichte von Zeitzeugen lesen. Dabei kommen auch die couragierten Zeitgenossen wie Amtsrichter Dr. Gebhard Müller – der spätere Staatspräsident und Ministerpräsident Baden-Württembergs – und Feuerwehrkommandant Karl Keuler zu Wort. Die Ereignisse in dieser Nacht waren ein Wendepunkt in der „Judenpolitik“ der Nationalsozialisten. Während es in den ersten Jahren ihrer Herrschaft um die Diffamierung und Entrechtung der jüdisch-gläubigen Bürger ging, wurde jetzt ihr Leben bedroht und die Vernichtungspolitik eingeleitet
Der Vortrag behandelt auch die Verfolgung der Straftaten durch die Justiz in der Nachkriegszeit. In den Jahren 1948/49 wurde in Ulm gegen zehn Personen wegen des Tatbestands der Brandstiftung und des Landfriedensbruchs verhandelt. Am Ende wurden acht Angeklagte verurteilt, die höchste Strafe mit zwei Jahre Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für drei Jahre erhielt der ehemalige Kreisleiter der NSDAP. Er betonte im Schlussplädoyer seine Unschuld und insistierte auf sein Unwissen und seine Befehlsohnmacht. Nur einer der Angeklagten war geständig und sagte, aus: „„Ich habe mich seinerzeit mit meinen übrigen Kameraden in der Absicht nach Göppingen begeben, um befehlsgemäß an der Brandstiftung der Göppinger Synagoge mitzuwirken, d. h. sie sogar unter Umständen selbst in Brand zu stecken.“
Ein abschließender Aspekt des Vortrags ist die Entwicklung einer Gedenk- und Erinnerungskultur. Erstmals fand 1978 am Synagogenplatz eine öffentliche Gedenkfeier statt, die mit rund 700 Teilnehmern eine starke Resonanz hatte.
Eintritt fünf Euro. Bis 18 Jahre frei.
Foto: Die Brandruine der zerstörten Synagoge an der Freihofstraße nach dem 10. November 1938.
Gedenken
Am Freitag, 9. November, um 14 Uhr lädt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Göppingen (ACK) zum Gedenken an die Nacht der Synagogenbrände 1938 mit einem ökumenischen Friedensgebet in der katholischen Kirche St. Maria, die Ansprache hält Pastor Hans Martin Hoyer von der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). Anschließend führt der Friedensweg mit Kerzen zum Synagogenplatz; dort beginnt um 14:45 Uhr die städtische Gedenkveranstaltung mit Ansprache von Oberbürgermeister Guido Till. Im Anschluss lesen Schülerinnen und Schüler der Uhland-Realschule aus Berichten von Zeitzeugen: das Gedenkgebet „El male rachamim“ spricht Rafael Mizrahi, Jüdische Gemeinde Stuttgart und Mitglied der Unterstützergruppe Yad Vashem. Die musikalische Umrahmung übernehmen Thomas Reil (Klarinette) und Siegfried Köster (Akkordeon).
Lesung zu Mascha Kaléko
Am Freitag, 9. November, um 20 Uhr wird die Dichterin Mascha Kaléko unter dem Titel „Zerreiß deine Pläne. Sei klug und halte dich an Wunder“ von Cornelia Schönwald und Vladimir Miller in der Stadtbibliothek literarisch-musikalisch gewürdigt. Charakteristisch für das Werk Kalékos ist die „Großstadtlyrik“ in ironisch-zärtlichem Ton. Als einzige bekannte weibliche Dichterin der „Neuen Sachlichkeit“ in der Tradition Heines und Tucholskys wird sie häufig mit ihren männlichen Kollegen verglichen, so bezeichnet man sie als „weiblichen Ringelnatz“ oder nennt sie einen „weiblichen Kästner“. Ihre reizvollen und originellen frühen Gedichte verbinden Berliner Schnoddrigkeit mit der Wärme und Melancholie der Mentalität des Ostjudentums.
Cornelia Schönwald ist aufgewachsen in Göppingen und studierte Schauspiel in Ulm. Nach Engagements an verschiedenen Theaterbühnen lebt sie heute als freie Schauspielerin und Sprecherin in Berlin. Im Gedenken an die Novemberpogrome erinnert Schönwald an die jüdische Lyrikerin Mascha Kaléko, musikalisch begleitet von Vladimir Miller an Klarinette und Bassklarinette. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Kulturreferat Göppingen und Haus Lauchheimer statt. Karten zum Preis von zehn Euro sind ab sofort in der Stadtbibliothek und an der Abendkasse erhältlich.
Weitere Veranstaltungen
Am Donnerstag, 22. November, um 19:30 Uhr hält Helga Wittler-Morgen im evangelischen Gemeindezentrum Ebersbach einen Vortrag „Die Anfechtung lehrt aufs Wort merken“. Darin geht es um Hermann Diems „Kirchenkampf“ im Zusammenspiel mit den Sozietätsfreunden und im Konflikt von Kirche und Staat.
Am Mittwoch, 28. November, 19:30 Uhr spricht Pfarrer Dr. PD Peter Haigis im Pavillon der evangelischen Stadtkirche Göppingen über „Das Heil kommt von den Juden – Die Bekennende Kirche und ihre Haltung in der Judenfrage“.
Ebenfalls im Pavillon der evangelischen Stadtkirche Göppingen fragt am Mittwoch, 5. Dezember, 19:30 Uhr Prof. Dr. Jürgen Kampmann „Angepasst? – Widerständig?– Intakt?“. Inhalt ist die Ausrichtung des Wirkens Theophil Wurms und der württembergischen Landeskirche in der nationalsozialistischen Zeit.
PM Stadtverwaltung Göppingen