IBA-Intendant Andreas Hofer will dabei die Zukunft der Region mit Gebäuden und Ereignissen erlebbar machen. Was ist 2035 interessant und wie könnte die Welt dann funktionieren? Vor diesen Szenarien ausgehend will die IBA 2027 Projekte zeigen, die Schritte auf diesem Weg darstellen.
Beispielhafte IBA-Quartiere, IBA-Festivals der temporären und experimentellen Architektur und ein IBA-Netz, das verschiedene Zukunftsprojekte in der Region zusammenbringt: Auf diesen drei Ebenen will die Internationale Bauausstellung IBA 2027 StadtRegion Stuttgart in den kommenden zehn Jahren Ideen für das Leben und Arbeiten im 21. Jahrhundert sichtbar machen. So sieht es das Umsetzungskonzept vor, das IBA-Intendant Andreas Hofer am Dienstag vor Mitgliedern der Grünen in Göppingen vorgestellt hat. „Die IBA 2027 will die Zukunft der Region erproben und sie mit einer Vielzahl von Gebäuden, Projekten und Ereignissen modellhaft erlebbar machen“, so Hofer. Neben dem inhaltlichen Umsetzungskonzept stellte Hofer auch den Stand der Planungen zur Organisation der IBA 2027 vor.
Internationale Teams planen durchmischte IBA-Quartiere
Im Zentrum des Umsetzungskonzepts stehen bis zu sieben IBAQuartiere, die in den kommenden Jahren in der Region Stuttgart entstehen sollen: Durchmischte Viertel, die Wohnen, Arbeiten und Freizeit verbinden, verschiedene soziale und Altersgruppen zusammenbringen und über neuartige Energie- und Verkehrskonzepte verfügen. „Diese Viertel brauchen eine hohe Dichte und eine Mindestgröße, damit vielfältige Nachbarschaften entstehen und sich alltägliche Angebote wie Läden, Restaurants und Nahverkehr wirtschaftlich betreiben lassen“, erläutert Andreas Hofer. „Die Quartiere sollen Raum für Experimente bieten. Hier können neue Wohnformen und neue Ideen für bezahlbaren Wohnraum ausprobiert werden, aber mittendrin könnten beispielsweise auch Flächen für Gewerbe und emissionsarme industrielle Produktion entstehen.“ Nicht gedacht ist hier ganz bewusst an Neubausiedlungen mit Ein- oder Zweifamilienhäusern. Somit ist das von der Stadt Göppingen angedachte Neubaugebiet Dittlau mit Sicherheit kein IBA-Projekt, so Hofer auf Nachfrage.
Um eine hohe architektonische und städtebauliche Qualität zu erreichen, sollen für die Planungen der IBA-Quartiere internationale Wettbewerbe ausgeschrieben werden und in der Umsetzung möglichst mehrere Planungsteams aus verschiedenen Ländern zusammenarbeiten. „Entscheidend ist der gute Dialog zwischen den Planern, den künftigen Nutzern, Nachbarn und der Öffentlichkeit. Dazu sollen auch neue Beteiligungsformate entwickelt und erprobt werden“, betont der IBA-Intendant. Die Quartiere sollen zudem neue Technologien und Abläufe beim Planen und Bauen zeigen. Auch die in der Urform aus dem Ende des 19. Jahrhunderts stammende Bauordnung ist hierbei ein Thema, dessen man sich annehmen müsse. Die geltenden Bauordnungen entsprechen nicht mehr den Anforderungen der Zukunft, so Hofer
Entstehen könnten die Quartiere als Neubauviertel, bevorzugt auf bislang anders genutzten Flächen, aber auch durch Nachverdichtung und den Umbau bestehender Wohn- und Gewerbegebiete.
„Wir rechnen derzeit mit fünf bis sieben solcher Quartiere. Sie sollen sowohl in den städtischen Zentren der Region entstehen als auch in den ländlicheren Gegenden“, sagt Hofer. „Die konkreten Orte werden wir in den nächsten Monaten in Zusammenarbeit mit den Partnern in den Kommunen
entwickeln.“ Dabei wollte er auch nicht ausschließen, dass es ein derartiges Projekt auch im Landkreis Göppingen geben könnte. Alternativ wären für den Landkreis aber auch andere Formen der Teilhabe möglich, zum Beispiel durch die Ausrichtung von Festivals zu Zukunftsthemen des Bauens.
IBA-Netz bringt vielfältige Zukunftsprojekte zusammen
Neben den großen Quartieren will die IBA 2027 auch Raum schaffen für vielfältige weitere Projekte, die sich mit Zukunftsfragen der Region Stuttgart beschäftigen: einzelne modellhafte Bauvorhaben und Infrastrukturmaßnahmen, Forschungsprojekte, experimentelle Veranstaltungsformate, Publikationen, Ausstellungen und Kongresse. Diese Projekte bringt das IBANetz zusammen. „Durch die IBA sind schon in den vergangenen Monaten zahlreiche Aktivitäten in der ganzen Region entstanden, die sich mit der Zukunft der StadtRegion Stuttgart auseinandersetzen. Diesen Schwung wollen wir aufnehmen und weiterführen“, erklärt Andreas Hofer. Alle 179 Kommunen der Region Stuttgart sind aufgerufen, sich hier zu beteiligen – von der Großstadt über die fünftgrößte Stadt der Region, Göppingen, bis zur kleinsten Gemeinde.
Teil des IBA-Netzes könne jedes anspruchsvolle und neuartige Projekt in der Region Stuttgart werden, das sich schlüssig in die im IBA-Plattformprozess entwickelten Themen und Qualitäten einfüge. Die Projekte benötigten außerdem ein Potenzial als Vorbild für andere Städte und Regionen wie auch für eine internationale Ausstrahlung. Flächenschonung und Nachhaltigkeit bei den Baustoffen sind dabei grundlegende Themen.
In den kommenden Wochen soll dafür ein einfaches Aufnahmeverfahren entwickelt werden.
Hofer: „Wir möchten zu Beginn alle Vorhaben mit IBA-Qualitäten mitnehmen. Welche Projekte letztlich Teil der Ausstellung als solcher sein werden, ist eine kuratorische Entscheidung, die sich über den Lauf der Zeit formt. Wir sind uns sicher, dass die Einzigartigkeit der IBA 2027 dabei aus der Einzigartigkeit der Region Stuttgart entstehen wird.“
IBA-Festivals zeigen temporäre Bauwerke
Wichtig ist dem Intendanten, dass die Ideen der IBA 2027 mit konkreten Gebäuden sichtbar werden. „Ich glaube stark an die Kraft des gebauten Beispiels“, so Andreas Hofer. Neben den IBA-Quartieren und den Bauwerken, die im IBA-Netz entstehen, soll es daher Festivals der experimentellen und temporären Architektur geben. Geplant sind diese Festivals für die Jahre 2023, 2025 und 2027, wobei das letzte Festival der zentrale Besuchsort des Präsentationsjahres der Bauausstellung werden soll. Zu den Festivals sollen neuartige Bauwerke für unterschiedliche Nutzungen entstehen, etwa temporäre Wohnräume für Studenten und Flüchtlinge, Pavillons oder flexible Räume für Gründer und Kreative.
„Mit den Festivals schaffen wir eine Plattform für die hiesige Expertise in Leichtbau und Ingenieurwissen. Beiträge erhoffen wir uns sowohl aus den Hochschulen als auch aus den vielen innovativen Planungsbüros in der Region und darüber hinaus“, erläutert Andreas Hofer. Die Bauwerke sollen dabei nicht allein für die kurze Zeit der Festivals geplant und errichtet werden, sondern entweder anschließend in ihre Bestandteile zerlegt und recycelt oder an anderen Orten weiter genutzt werden.
IBA 2027 unterschiedlich stark in Projekte involviert
Im Zusammenhang mit der Vorstellung der inhaltlichen Umsetzungspläne informierte Andreas Hofer auch über die organisatorische Weiterentwicklung der IBA 2027. Im Zentrum der Arbeit steht das Team der IBA 2027 GmbH, das im Lauf des Jahres von derzeit sechs auf etwa zehn bis zwölf Personen wachsen wird. Die GmbH steuert die Bauausstellung in ihrer Gesamtheit, organisiert Veranstaltungen und gestaltet die Kommunikation.
Zudem laufen hier die Fäden der IBA-Projekte aus der ganzen Region zusammen. Das Verhältnis zwischen den einzelnen Projekten und der IBA 2027 GmbH ist dabei unterschiedlich intensiv angelegt: Die IBA-Quartiere und IBA-Festivals werden von der GmbH initiiert, unterstützt und betreut. Bei den Projekten des IBA-Netzes dokumentiert, fördert und berät die GmbH.
Für die Qualitätssicherung stehen der Aufsichtsrat der IBA 2027 GmbH sowie ein mit internationalen Experten besetztes Kuratorium, das im Laufe des Herbstes 2018 vorgestellt werden soll.
Für die inhaltliche Arbeit auf regionaler Ebene sind vier offene Fachforen vorgesehen zu den Themen „Politik und Gesellschaft“, „Wirtschaft und Mobilität“, „Forschung und Technologie“ sowie „Planen und Bauen“. Diese Foren treffen sich mehrmals im Jahr, beteiligen können sich alle interessierten Akteure aus der Region und ihren Kommunen.
Die IBA ist dabei kein Investor und auch keine Behörde, betonte Hofer in Göppingen, die IBA will die Kreativität, die in der Region vorhanden ist, zum Wohle aller bündeln. Visionen und Experimente sind ausdrücklich erlaubt und dürfen auch scheitern.
Über die IBA 2027 StadtRegion Stuttgart
Genau 100 Jahre nachdem die europäische Architekten-Avantgarde in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung ihr damals radikales „Wohnprogramm für den modernen Großstadtmenschen“ vorstellte, soll die Internationale Bauausstellung IBA 2027 StadtRegion Stuttgart ganz neue Antworten finden auf die Frage: Wie leben, wohnen, arbeiten wir im digitalen und globalen Zeitalter? Dabei orientiert sie sich an den vier Leitthemen und vier Querschnittsqualitäten der „4 x 4 IBAThemenwelt“, die in einem breit angelegten partizipatorischen Prozess zur Vorbereitung der IBA entwickelt wurde.
Gesteuert wird die Bauausstellung von der IBA 2027 StadtRegion Stuttgart GmbH. Gründungsgesellschafter sind die Landeshauptstadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, die Architektenkammer Baden-Württemberg sowie die Universität Stuttgart. Die Gesellschafter übernehmen anteilig die laufende Finanzierung der GmbH.
Seit rund drei Jahren wird schon an den Konzepten der IBA 2017 geplant. Geschäftsführer der GmbH ist der Eislinger Holger Haas, Intendant der Schweizer Architekt Andreas Hofer, der sich bereits mit nachhaltigen Quartierentwicklungen einen Namen gemacht hat. Die Berufung zum Intendanten der IBA 2027 ist für ihn die Körnung dessen, was er in seinem Leben gemacht hat, so Hofer vor den Grünen in Göppingen.
Foto v.l.: Kreisvorsitzender der Grünen, Alexander Maier, MdL, Andreas Hofer, Holger Haas, Dietrich Burchard, Mitglied des Kreisvorstandes der Grünen