Eigentlich ist die Sache ganz einfach: gesellschaftspolitisch sind kleine landwirtschaftliche Biogasanlagen gewünscht, in denen die Betriebsinhaber Gülle und Mist ihrer eigenen Tiere, ihre Pflanzen vom eigenen Acker sowie Grünschnitt verwerten können. Wenn sie dann dazu noch unbelastete Nahrungsmittelabfälle aus der Nachbarschaft annehmen dürften, sind diese Anlagen ökologisch eine der besten Arten, um regenerative Energie zu erzeugen. Die Energie, Strom und Wärme, wird dann in Netze eingespeist oder direkt an Abnehmer in der unmittelbaren Umgebung abgegeben.
Aber diese Biogasanlagen sind nach der regulären Vergütungsdauer nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Die Bundesregierung fördert mit ihrer Gesetzgebung Großanlagen, statt standortangepasste Biogasanlagen, deren Strom und Wärme in der Nachbarschaft vor Ort genutzt werden kann, ohne Wüstenscheichs oder „gelenkte Demokratien“ zu unterstützen : regionale Produkte – aus der Region für die Region. Was für Lebensmittel gilt, ist bei der Energie genauso drin
Auf Einladung des Landwirts und Biogasanlagenbetreibers Martin Bareis in Göppingen-Faurndau machte sich der Kreisvorstand der Grünen vor Ort einen Eindruck von einer Biogasanlage, deren Funktion ihnen von Martin Bareis vorgestellt wurde. Für den Fachverband Biogas erläuterte der Regionalreferent Süd, Otto Körner, die politischen und rechtlichen Vorgaben zum Betrieb von Biogasanlagen. Die Sicht des Bauernverbandes trug deren Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Hermann Färber vor.
Per Se sind kleine Biogasanlagen im Bau schon mal teurer als große Anlagen, dazu kommt, dass für sie auch die gleichen gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen gelten wie für große Anlagen, was ein teures und langfristiges Genehmigungsverfahren voraussetzt. Selbst kleine 75-Kw-Gülleanlagen kosten schon leicht 700.000 Euro, so dass heute fast keine kleinen Anlagen mehr gebaut werden. Zudem laufen bereits bestehende Anlagen Gefahr, bei Erneuerungen und Nachrüstung ihrer Anlagen die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlagen zu verlieren.
Dabei waren sich alle Anwesenden, zu denen neben den Mitgliedern des Kreisvorstandes der Grünen auch der klimapolitische Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, Daniel Renkonen, gehörte, einig, dass gerade die kleinen Anlagen politisch und finanziell unterstützt gehörten. Es muss aufhören, dass es fast täglich neue Gesetze und Verordnungen gibt, die es unmöglich machen, bestehende Anlagen sicher weiterzuführen, geschweige denn eine neue Anlage zu planen. Das ist seit Mitte 2014 – bis auf kleine Gülle-Biogasanlagen, ohnehin völlig ausgebremst worden. Genehmigungsauflagen müssen dem bäuerlichen Charakter der Anlagen angepasst werden. Die Vergütungen für Stromeinspeisungen müssen auskömmlich und langfristig sicher sein. Dann können kleine bäuerliche Biogasanlagen einen großen Beitrag zur alternativen Energieversorgung liefern:
- Klimaschützende Vergärung von Gülle und Mist auf den , Verringerung des Nitrateintrags in den Boden, optimale Nutzung der Nährstoffe N-P-K
- Nutzung von Strom und Wärme direkt vor Ort – die lokale Energiewende, und dazu noch bedarfsgerecht !
- Anbau von festen Gärsubstraten (Mais) im Rahmen einer ökologisch verträglichen Fruchtfolge (keine „Vermaisung“ der Landschaft) und Anbau von alternativen Energiepflanzen (Durchwachsene Silphie) als Ergänzung zum Mais
- Verwertung von Grasschnitt aus Streuobstwiesen und anderem Landschaftspflegematerial in Biogasanlagen
- Energiepflanzen nur aus dem Bereich des eigenen Betriebes bzw. von umliegenden Betrieben, kein Transport über weite Strecken
- Verwertung von unbedenklichen Nahrungsmittelresten in landwirtschaftlichen Biogasanlagen statt Entsorgung in weit entfernten Großanlagen
- Sicherung bäuerlicher Landwirtschaft im kleinstrukturierten Landkreis Göppingen
Gerade der Landkreis Göppingen unterscheidet sich in seiner landwirtschaftlichen Struktur von der Landwirtschaft in anderen Bundesländern. Diese Struktur muss sich auch bei den Biogasanlagen wiederspiegeln. Die Landeregierung will sich deshalb, so Renkonen, soweit möglich, im Land und im Bundesrat eine Änderung des EEG (Erneuerbaren Energien Gesetz) für eine Bevorzugung kleinerer Biogasanlagen einsetzen. Gefordert sei aber die Bundesregierung, und diesen Auftrag nahm der CDU-Bundestagabgeordnete Färber mit.
Biogas:
Biogas ist da, wenn Wind und Sonne schlafen. Die Bundesregierung will die Stromversorgung in Deutschland bis 2050 zu mindestens 80% aus regenerativen Quellen decken. Jede erneuerbare Energiequelle hat dabei ihre speziellen Stärken und muss unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Nur so ist eine stabile und effiziente Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien langfristig möglich. Biogas entsteht bei der natürlichen Zersetzung von organischen Material unter Luftabschluss. So auch in Mooren oder im Verdauungstrakt von Tieren. Dieser natürliche Prozess wird in Biogasanlagen technisch genutzt, um aus biologisch abbaubaren Substraten wie Gülle, Bioabfällen oder Energiepflanzen Biogas zu erzeugen. Biogas kann gelagert werden und variabel und bedarfsgerecht zur Strom- und Wärmeerzeugung (Spitzenzeiten) genutzt werden. So z.B. wenn die Sonne nicht scheint, oder der Wind nicht weht – Biogas ist der Kitt in der Energiewende zu Sonne und Wind. Für den Kfz-Verbrennungsmotor aufbereitetes Biogas kann als Biomethan auch im Auto zur Klima-neutralen Mobilität verwendet werden (Erdgas-Fahrzeug).
Exkurs Mais:
Die Bewertung von Mais im Landbau ist strittig. Als Nachteile sind zu nennen die Großpflanze, die die aussicht verwehrt, und die Erosionsgefahr gekoppelt mit Nitratauswaschung während der Winterzeit und späten Feldaufwuchses, wobei nach neuestem Stand auch in eine sicher abfrierende Zwischen-frucht (Senf) die Maisaussaat in die Stoppel erfolgen kann und damit die Schwarzbrache (=nackter Boden) und die Nitratauswaschung vermieden werden kann.
Vorteile bestehen bei Pflanzenschutz (einmalige Herbizid-Spritzung, Weizen 3x, Raps 6-7x),
Wasser- und Stickstoff(N)-Effizienz (Düngung Brotweizen 220 KG N/ha, Raps 220 kg N/ha und Mais 180Kg N/ha).
und der höchsten Biomasseerträge aller Kulturpflanzen überhaupt.
Baut der Landwirt zwei Hektar Wildpflanzen an und tut damit sehr viel für die Artenvielfalt (Projekt Bienenstrom der Stadtwerke Nürtingen), ist darauf hinzuweisen, dass der Biomasseertrag von zwei Hektar Wildpflanzen dem von einem Hektar Mais entspricht. Für die gleiche Menge Biogas also die doppelte Hektarzahl erforderlich ist.
Bundesweit werden 2,6 Mio ha Mais auf 11,7 Mio ha Ackerfläche angebaut (Zahlen nach Stat. Bundesamt + Deutschem Maiskomitee). Die 2,6 Mio ha Mais teilen sich auf in 1,7 Mio ha Futter- und Lebensmittel (ca 2/3) und 900.000 ha Biogasmais (ca. 1/3). Die 900.000 ha entsprechen 8% der deutschen Ackerfläche für Biogasmais. Im Landkreis GP deutlich weniger, an anderer Stelle mehr.
Der Betrieb von Martin Bareis:
Seine Biogasanlage erzeugt Strom für etwa tausend Vier-Personen-Haushalte. Dafür werden etwa 3800 t Gülle und Mist aus der eigenen Tierhaltung und aus zwei anderen landwirtschaftlichen Betrieben in den Fermenter eingebracht. Zusätzlich rund 4500 t Silomais, 1100 t Grassilage und 800 t (Futter-)Getreide-Ganzpflanzensilage. Diese Energiepflanzen werden teilweise selbst angebaut, der größere Teil wird von Landwirten im Umkreis von maximal 10 Kilometern direkt zugekauft – Martin Bareis hält sich damit vom Pachtmartkt fern. Diese Lieferanten von nachwachsenden Rohstoffen nehmen im Gegenzug auch einen Teil der im Biogasprozess anfallenden Gärprodukte zurück, die als wertvoller Dünger auf die Felder wieder ausgebracht werden und somit ein Nährstoffkreislauf geschlossen wird.
Mit der Abwärme der beiden Blockheizkraftwerke mit insgesamt 530 kW elektrischer Leistung werden die Fermenter, das Schloss Filseck und zwei betriebliche Wohneinheiten beheizt sowie eine Holztrocknungsanlage betrieben.
Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb werden rund 80 ha bewirtschaftet, davon knapp die Hälfte Dauergrünland (=Wiesen) und Streuobstwiesen. Letztere sind wegen der schönen Bäume aber erheblich aufwändiger zu bewirtschaften – ohne Ausgleich! Auf der Ackerfläche werden Mais und Tritikale als Ganzpflanzensilage zur regenerativen Energieerzeugung angebaut sowie Weizen als Brotgetreide. Etwa 100 Mastrinder erzeugen aus dem Aufwuchs der Wiesen (=Nährstoffe und Kalorien, die der Mensch nicht direkt selbst verwerten kann!) qualitativ hochwertiges Rindfleisch in der Region für die Region.