Nachhaltigkeit ist in aller Munde – und für die Forstwirtschaft über 300 Jahre gelebte Realität. „Wir sind stolz darauf, dass seit 1713 eine nachhaltige Nutzung der Wälder praktiziert wird“, erklären Martin Geisel, Leiter des Forstamtes beim Landratsamt Göppingen, und Reiner Ertl, Forstrevierleiter Göppingen, übereinstimmend. Sturmschäden vermitteln manchmal, speziell für den Laien, einen anderen Eindruck. Doch der planmäßige Dreiklang zwischen Nutzung, Erholung und Naturschutz wird auch im Göppinger Stadtwald überall erlebbar.
Den Begriff der Nachhaltigkeit führte bereits 1713 der für den Bergbau in Kursachsen zuständige Hans Carl von Carlowitz vor dem Hintergrund einer zunehmenden Holznot ein und forderte für den Wald, „daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung“ gebe. Ab 1833 wurden in Baden und in Württemberg geordnete Verfahren zur Sicherung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung im gesamten öffentlichen Wald gesetzlich geregelt. Daraus entstand eine forstliche Betriebsplanung, die sogenannte „Forsteinrichtung“. Im Abstand von zehn Jahren erfolgt in den staatlichen und kommunalen Waldflächen eine Art Inventur, die Grundlage für das weitere Wirtschaften ist. Mit dieser Planung wird sichergestellt, dass Holz in den Wäldern nachhaltig genutzt wird. Die planmäßige Bewirtschaftung der Wälder wirkt letztendlich auch dem Import von Tropenhölzern entgegen. Für den Stadtwald Göppingen inklusive der Waldungen der Stiftung Kinderheim Wieseneck wurde diese Planung am 2. Juni 2016 für das Jahrzehnt 2016 bis 2026 vom Gemeinderat verabschiedet. „Die auf zehn Jahre verteilte Nutzungsmasse, die wir planmäßig fällen, ist mit gut 35.000 Erntefestmeter (Efm) gegenüber dem vorherige Planungsjahrzehnt nahezu gleichgeblieben“, erläutert Ertl. „Aktuell sind wir nur bei der Hälfte der bis Anfang 2018 vorgesehenen Menge.“ Allerdings wird nur vergleichsweise wenig hochwertiges Stammholz vermarktet; der weitaus größere Teil wird als Brennholz überwiegend an die heimische Bevölkerung verkauft. Die Stämme werden an den Wegen zusammengefasst und bis zur Abholung zwischengelagert – dadurch entsteht beim Laien manchmal der falsche Eindruck, dass großflächig abgeholzt wurde. Übrigens werden die Wege unmittelbar nach den Fällmaßnahmen wieder gereinigt und in einen für Spaziergänger und Jogger möglichst guten Zustand gebracht; die Naherholungsfunktion des Waldes soll ebenfalls gewahrt werden. Und während sich viele Bürger/-innen angesichts der gegenwärtigen Frosttage auf den Sommer freuen, nutzen die Forstarbeiter vorrangig die Tage mit Bodenfrost, um so Boden-schonend wie möglich arbeiten zu können. Im Frühjahr werden die Wege nochmals umfassend ausgebessert.
Der gezielte Einschlag dient aber nicht nur der Vermarktung und damit der Gewinnerzielung. Der Wald muss gezielt verjüngt werden: Damit Neuanpflanzungen vorgenommen werden können, werden alte und kranke Bäume entfernt; die entstehenden Lücken können jungen Bäumen als Lebensraum dienen. Dies geschah früher durchaus großflächig auf bis zu fünf Hektar. Heute werden auch kleinere Nischen oder mittelgroße Flächen genutzt: Im Oberholz werden im Frühjahr auf einer 0,35 Hektar umfassenden Fläche rund 600 Eichen gesetzt.
Pilz und Sturm
Dem Göppinger Wald setzt aktuell das Eschentriebsterben zu – seit knapp zehn Jahren werden die heimischen Eschen in Deutschland durch einen Pilz massiv beeinträchtigt. Im Oberholz, entlang der Spazierwege zum Hailing, mussten bereits einige befallende Eschen aus Verkehrssicherheitsgründen entfernt werden.
Und auch Sturm „Burglinde“ Anfang Januar hat seine Spuren hinterlassen. Vor allem im Wachtert, nahe dem Stauferpark, hat der Orkan eine rund einen Hektar große Schneise hinterlassen und binnen weniger Minuten zahlreiche Bäume geknickt. Ergebnis: 384 Festmeter Holz, das schnell von der Fläche entfernt werden musste – ansonsten würde der Borkenkäfer im Frühjahr eine ideale Brut- und Aufzuchtfläche vorfinden.
Deutschland ist etwa zu einem Drittel mit Wald bedeckt; in Baden-Württemberg werden fast 40 Prozent der Landesfläche zur forstlichen Bewirtschaftung genutzt; der Landkreis Göppingen ist zu 35 Prozent bewaldet. Der städtische Wald in Göppingen umfasst circa 650 Hektar Fläche. Mit gut 80 Prozent dominieren die Laubbäume, allen voran die Eiche mit 29 Prozent und die Rotbuche mit 23 Prozent. Würde der Wald sich selber überlassen, würden die Buchen in wenigen Jahrzehnten die Eichen verdrängen. „Der Gemeinderat hat sich aber in der jüngsten Forsteinrichtungserneuerung im Juni 2016 zum Erhalt des Eichenbestands ebenso bekannt wie für die nachhaltige wirtschaftliche Nutzung der städtischen Wälder“, erinnern Geisel und Ertl.
Foto: Ein alter Totholzstamm einer Eiche kann für über 300 Tier- und Pflanzenarten zur Heimat werden, begründen Martin Geisel (links) und Rainer Ertl, warum mancher Stamm liegengelassen wird und so den Eindruck eines „unordentlichen, unaufgeräumten“ Waldes hinterlässt.
PM