Auf Einladung des Kreisverbandes Bündnis 90/Die Grünen besuchte der gebürtige Göppinger Bundestagsabgeordnete Harald Ebner im Landkreis zwei landwirtschaftliche Betriebe. Am Abend referierte er im Gasthof „Im Buchs“ in Ottenbach zum Thema „Agrarwende – Welche Politik braucht der bäuerliche Betrieb“.
Wie nah sich inzwischen konventionell und biologisch wirtschaftende Betriebe gekommen sind, zeigte sich deutlich am Beispiel der beiden besuchten Betriebe. In Wangen der konventionell wirtschaftende Betrieb Niederwälder Hof von Metzgermeister Martin Rösch, der Rinder, Schweine und Schafe für seine Metzgerei selber großzieht, schlachtet und verarbeitet. Er hält seine Rinder im offenen Laufstall mit Weideauslauf, die Schweine im offenen Stall mit Einstreu und die Schafe in Weidehaltung (Foto oben. Harald Ebner links mit Martin Rösch). Alle Tiere haben mindestens doppelt so viel Platz, wie gesetzlich vorgeschrieben und mit der tiergerechten Haltung entspricht der Betrieb auch den Kriterien der biologischen Landwirtschaft. So wie der Betrieb der Familie Mühleis in Ottenbach. In einer GbR bewirtschaften hier drei Familien einen 100 Hektar Bioland-Milchviehbetrieb. Hier wird nur Grünland bewirtschaftet, die Kühe kommen bereits im März auf die Weide und halten diese kurz und unkrautfrei. Statt Portionsweide, die täglich gewechselt werden, grasen die Tiere hier wechselnd auf drei großen Weidestücken, haben einen im Vergleich riesigen Auslauf und werden während der Sommermonate nicht zugefüttert. Auch hier liegen die Kühe im offenen Laufstall in eingestreuten Liegebuchten.
Beide Betriebe sind mit ihrer wirtschaftlichen Lage sehr zufrieden. Metzgermeister Rösch hat in der Direktvermarktung seine Nische gefunden, Landwirtsmeister Christoph Mühleis freut sich über einen vergleichsweise hohen Milchpreis für seine ökologisch erzeugte Milch (Foto unten: Harald Ebner mit Christoph Mühleis). Vor allem Rösch kritisiert aber die ausufernde Bürokratisierung der Landwirtschaft. Alles muss dokumentiert werden und die Auszeichnungspflichten für seine im Laden verkauften Produkte werden immer umfangreicher. Zusätzlich kritisiert er, dass er zum Beispiel für mitarbeitende Familienangehörige auch die Arbeitszeiten für eine geringfügige Beschäftigung aufzeichnen muss. Und dies ist schwierig, da gerade Familienangehörige dann einspringen, wenn irgendwo „Not am Mann ist“. Täglich sechs Stunden verbringt er im Büro – Zeiten, die er lieber im Stall oder in der Metzgerei verbringen würde.
Die drei Familien Mühleis hingegen haben durch ihre Kooperation eine nach eigenen Angaben hohe Lebensqualität erreicht. Urlaub, freie Wochenenden sind für sie kein Fremdwort mehr.
Bei beiden Betriebsbesichtigungen waren die jeweiligen Bürgermeister, Daniel Frey in Wanden und Oliver Franz in Ottenbach zugegen. Sie beklagten, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe in ihren Gemeinden immer weiter abnehme. Statt 20 und mehr Vollerwerbsbetriebe noch vor 30 Jahren, gibt es heute nur noch fünf bis sechs Betriebe in den Gemeinden.
Die Betriebe prägen die Dörfer, gleichzeitig sind sie jedoch zunehmend umstritten, vor allem wenn die Betriebe wachsen müssen. Gerade wenn Laufställe für Kühe oder neue Schweineställe gebaut werden, laufen Nachbarn Sturm und gründen oft sogar Bürgerinitiativen, wie zurzeit in Eckwälden. Der Strukturwandel schreitet voran, so war denn auch die Erkenntnis der Abendveranstaltung in Ottenbach. Dabei ist Strukturwandel nicht gottgegeben, sonst hätten wir irgendwann nur noch einen Betrieb auf der ganzen Welt, resümierte Harald Ebner. Der Strukturwandel ist nur das Ergebnis der politischen Rahmenbedingungen. Gewinner gibt es nur auf Kosten anderer, so Ebner, wo ein Betrieb wachse, muss ein anderer Betrieb aufgeben. Dabei hat der Strukturwandel durchaus seine Schattenseiten. Nicht nur die Massentierhaltung ist in der Diskussion, auch der steigende Verbrauch an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln stört inzwischen viele Verbraucher. Sie fordern heute nicht nur gesunde Lebensmittel, sondern auch,dass diese tierschutzgerecht und umweltschonend produziert werden. 90 Prozent der Verbraucher lehnen Gentechnik ab, genauso viele wünschen sich eine Kennzeichnung tierischer Produkte.
Die Grünen setzen sich für eine bäuerliche Landwirtschaft ein. Wobei wir uns als Grüne natürlich eine biologische Landwirtschaft wünschen, so Ebner, aber auch eine nachhaltig produzierende konventionelle bäuerliche Landwirtschaft ist ihm recht.
Eine reichhaltige Kulturlandwirtschaft gibt es nur bei einer Vielzahl von Betrieben. Um sie zu erhalten braucht es mehr Geld für kleinere Betriebe, eine Deckelung der Zahlungen für Großbetriebe und Extrazahlungen für ökologische Leistungen. Um die nachhaltige Landwirtschaft zu fördern braucht es eine bessere Ausbildung und Beratung der Landwirte. Außerdem bedarf es Förderung von regionalen und ökologischen Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen. Gefördert werden soll auch die Diversifizierung, z. B. durch die Förderung von „Urlaub auf dem Bauernhof“, einer Weiterverarbeitung der erzeugten Produkte und deren Direktvermarktung.
Der stellvertretende Kreisvorsitzende der Grünen, Walter Kißling, begleitete Harald Ebner, der heute in Schwäbisch Hall wohnt, auf seiner Rundtour durch den Landkreis. Er forderte am Abend abschließend, dass sowohl Landwirte als auch die Bürger aus ihren Schützengräben kommen sollten um konstruktiv zu diskutieren und nach neuen Wegen zu suchen. Die Politik alleine kann nicht alles richten, so Kißling, auch der Verbraucher ist gefordert: Lebensmittel müssen wieder einen Wert haben, nicht der Preis, sondern die Qualität muss an erster Stelle stehen.