Dioxin im Boden um die MVA in Göppingen – Geplante Erhöhung der Durchsatzmenge beim Müllheizkraftwerk wird gestoppt.

Bodenuntersuchungen zeigen teilweise leicht erhöhte Dioxinwerte. Keine Gefahr für Bevölkerung. – Ursachenforschung hat jetzt Vorrang. – Geplante Erhöhung der Durchsatzmenge beim Müllheizkraftwerk wird gestoppt.

Aktuelle Bodenuntersuchungen, die für die geplante Erhöhung der Durchsatzmenge im Müllheizkraftwerk Göppingen durch die Anlagenbetreiberin, die Energy from Waste GmbH Göppingen, beim TÜV Süd in Auftrag gegeben wurden, zeigen in einigen Messpunkten leicht erhöhte Dioxinwerte. Für die Bevölkerung besteht jedoch keine Gefahr. Auch die Lebens- und Futtermittelsicherheit ist weiterhin gewährleistet. Das Landratsamt wird nunmehr den Sachverhalt weiter aufklären und wenn notwendig, die erforderlichen Maßnahmen unverzüglich ergreifen. Die geplante Erhöhung der Durchsatzmenge beim Müllheizkraftwerk wurde gestoppt.

Landrat Edgar Wolff: „Auch, wenn es sich nur um einige leicht erhöhte Werte handelt, ist das doch eine neue Sachlage. Mit den Umweltexperten im Landratsamt bin ich der Meinung, dass jetzt mit Priorität die Herkunft und die Auswirkungen der Dioxinbelastung geklärt werden müssen. Klar ist, dass bei allem, was wir tun oder planen der Gesundheitsschutz der Bevölkerung gewährleistet sein muss. Auch wenn die erhöhten Werte in Bereichen liegen, die nicht gesundheitsgefährdend sind, so sind dennoch jetzt weitere Prüfungen und Klärungen erforderlich. Auch liegt uns der abschließende Text des Gutachtens noch nicht vor. Wichtig ist mir, dass wir das weitere Verfahren nicht nur mit Hochdruck, sondern auch offen und transparent angehen. Die neue Sachlage habe ich gemeinsam mit der EEW unverzüglich zum Anlass genommen, die geplante Durchsatzmengenerhöhung zu stoppen.“

Das Umweltschutzamt wird nunmehr im Zuge der weiteren Sachverhaltsaufklärung tätig. Insbesondere wird über zusätzliche Beprobungen geklärt, ob es sich um punktuelle Einzelbefunde handelt oder weitere Bereiche im Landkreis eventuell noch betroffen sind. Auch werden wir ermitteln, wodurch die Belastungen entstanden sind und welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Dies wird in enger Abstimmung mit den Aufsichts- und weiteren Fachbehörden erfolgen.

Hintergrundinformationen:

Dioxin ist im allgemeinen Sprachgebrauch eine Sammelbezeichnung für chemisch ähnlich aufgebaute chlorhaltige Dioxine und Furane. Sie entstehen unerwünscht bei allen Verbrennungsprozessen in Anwesenheit von Chlor und organischem Kohlenstoff. Dioxine wurden nie gezielt produziert, sondern gelangen als Verunreinigung bei technischen Prozessen in die Umwelt, zum Beispiel bei Verbrennungsprozessen. Der Eintrag über die Luft ist seit Jahrzehnten durch gesetzliche Maßnahmen wie strenge Emissionsbeschränkungen für Großfeuerungsanlagen geregelt. Ein wesentlicher Eintragspfad von Dioxinen in die Umwelt erfolgt heute über Kleinfeuerungsanlagen wie zum Beispiel Kaminöfen. Der Eintrag über Industrie und Großfeuerungsanlagen spielt dagegen aufgrund einer stark verbesserten Abgasreinigung nur noch eine untergeordnete Rolle. Dioxine können im Übrigen auch natürlich z. B. bei Waldbränden entstehen.

Trotz aller Maßnahmen des Umweltschutzes in den vergangenen Jahrzehnten kommen Dioxine weiterhin überall in der Umwelt vor. Sie werden aufgrund ihrer Langlebigkeit und ihrer Stoffeigenschaften vor allem in Böden und Sedimenten angereichert und gelangen über die Nahrungskette in Mensch und Tier, wo sie sich vor allem in Fettgeweben anreichern. Der Mensch nimmt Dioxine zu ca. 90% über die Nahrung auf.

Für weitere Informationen vgl. www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/dioxine.

Bei Untersuchungen auf Dioxine werden die 17 toxisch relevanten Einzelstoffe nach ihrer Giftigkeit gewichtet und daraus ein sogenanntes Toxizitätsäquivalent (TEq) errechnet. Werte treten in der Regel in Höhe weniger milliardstel Gramm (ng = Nanogramm) auf. Bei den aktuellen Bodenuntersuchungen wurden die Messorte im Umfeld des Müllheizkraftwerks nochmals beprobt, die bereits in den 1990er Jahren untersucht wurden. Darüber hinaus wurden zwei neue Messpunkte aufgenommen. Die aktuellen Ergebnisse des TÜV Süd haben bei vier von 16 Proben im Umfeld des Müllheizkraftwerks im Vergleich zu 1992 leicht erhöhte Dioxinwerte erbracht. An acht Standorten werden darüber hinaus die Richtwertempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft Boden (LABO) leicht überschritten. Die Ergebnisse dieser Proben liegen zwischen 5,1 und 21,3 ng I-TEq/kg mT (vgl. auch die beiliegende Übersichtskarte).

Nach den Grenz-, Richt- und Orientierungswerten der LABO ist bei Werten <5 ng I-TEq/kg mT eine uneingeschränkte landwirtschaftliche und gärtnerische Nutzung der Grundstücke möglich. Werte zwischen 5 und 40 ng I-TEq/kg mT lassen eine uneingeschränkte Nutzung für den Nahrungsmittel- und Feldfutteranbau zu. Einschränkungen können sich hier bei der Beweidung bzw. dem Verzicht auf Freilandhaltung von Tieren für Selbstversorger ergeben. Bei Werten >40 ng I-TEq/kg mT soll der Anbau bodennah wachsender Obst- und Gemüsearten, bodennah wachsender Feldfutterpflanzen sowie die bodengebundene Nutztierhaltung unterbleiben. Bei Werten >100 ng I-TEq/kg mT sind bei Kinderspielplätzen Schutz- und Sanierungsmaßnahmen wie Bodenaustausch, Dekontamination oder Bodenversiegelung notwendig. Gleiches gilt für Siedlungsgebiete bei Werten >1.000  ng I-TEq/kg mT. Bei Werten >10.000 ng I-TEq/kg mT sind unabhängig vom Standort Schutz- und Sanierungsmaßnahmen erforderlich.

Landesweite Probereihen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) haben im Jahr 2016 landesweit keine Auffälligkeiten erbracht. Die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen ergeben nach derzeitigen Erkenntnissen keine Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang mit dem Betrieb des Müllheizkraftwerks. Eine abschließende Beurteilung steht aus. Aus den Beprobungen kann zudem gefolgert werden, dass ein Eintrag über die Luft in den Boden bereits vor mehreren Jahren bzw. vor über einem Jahrzehnt stattgefunden haben muss und aktuell kein wesentlicher Eintrag mehr erfolgt.

PM

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