„Ein Runder Tisch ist wichtig, um den Extremismus jeglicher Art gemeinsam in den Blickwinkel zu nehmen“, begrüßte Polizeipräsident Christian Nill eine entsprechende Einladung von Oberbürgermeister Guido Till. Vertreter/-innen der Polizei, Schulen, Kirchen, Gewerkschaften, Sozialarbeit, politischen Gremien und Stadtverwaltung berieten kürzlich im Rathaus gemeinsame Strategien gegen radikale Ideologien und politisch motivierte Straftaten.
Von 2014 auf 2015 stieg die Anzahl der in Göppingen registrierten politischen Delikte von 29 auf 56, erläuterte Birgit Sommer von der Kriminalpolizei: Die Straftaten von rechts nahmen von 19 auf 44 und die von links von drei auf neun zu, während die sonstigen von sieben auf drei zurückgingen. 2016 setzte sich der Trend fort. Zum harten Kern der Rechtsextremisten rechnet die Polizei circa 15 bis 20 Personen; zu Veranstaltungen reisten weitere Teilnehmer von außerhalb an. Auch die gewaltbereite linke beziehungsweise autonome Szene reise aus anderen Landkreisen und Städten an: „Die Extremisten haben sich Göppingen als Austragungsplattform ausgewählt“, so Sommer. Seit dem Verbot der Autonomen Nationalisten Ende 2014 sei die Kleinstpartei „Der III. Weg“ in Göppingen in Erscheinung getreten. Und seitdem das Urteil gegen die Rädelsführer der AN aufgehoben und die Personen wieder freigelassen wurden, kam es ab Mitte 2016 wieder zu einer Zunahme rechter Straftaten, die sich bis in den Jahresbeginn 2017 hineinzog. Die Polizei werde weiterhin gegen jede Straftat vorgehen, sicherte Revierleiterin Inka Buckmiller zu. Dabei sei sie auf rechtzeitige Hinweise aus der Bevölkerung und Zeugenberichte angewiesen.
Oberbürgermeister Guido Till bezeichnete es als deprimierend, dass die von der Stadt ausgesprochenen Verbote rechter Versammlungen von den Gerichten wieder aufgehoben wurden. Andererseits trafen die von Auswärtigen angemeldeten, mit vier bis sieben Personen besuchten Stände bei der Bevölkerung auf keinerlei Interesse. OB Till sah zum einen die hohe Internationalität und die traditionelle Offenheit der Hohenstaufenstadt, zum anderen aber auch die langjährige Präventionsarbeit als Erfolgsgaranten für die Wirkungslosigkeit rechter Propaganda. Denn seit 2007 nimmt Göppingen an den verschiedenen Bundesprogrammen gegen Extremismus teil, wie Ulrike Haas, Leiterin des Referats Kinder und Jugend, darlegte. 30 Mitarbeiter/-innen der offenen Jugendarbeit/Streetwork und der Schulsozialarbeit seien, mit finanzieller Unterstützung der Stadt, präventiv tätig. Beispielhaft erinnerte Haas an die Internationalen Wochen gegen Rassismus im März 2016 und an die Anne-Frank-Ausstellung: Im Oktober haben 20 Peer-Guides im Alter von 16 bis 18 Jahren 40 Schulkassen durch die Ausstellung geführt, die insgesamt 2.500 Interessenten in die Stadtkirche lockte. Höhepunkt war dabei sicherlich der Besuch der Holocaust-Überlebenden Dr. Inge Auerbacher. Für dieses Jahr stünden wieder 45.000 Euro vom Bund für Einzelprojekte in Göppingen zur Verfügung, schloss Ulrike Haas. Wenn auch der harte Kern der Extremisten wohl nicht mehr von unserer Demokratie und Rechtstaatlichkeit überzeugt werden könne, so gelte es laut Oberbürgermeister Guido Till, diese Werte der Jugend aktiv zu vermitteln und den Stellenwert der Menschenrechte zu betonen. „Der Vormarsch des Populismus ist eine ganz große Gefahr für die Jugend und eine Herausforderung für uns alle“, so das Stadtoberhaupt. Dies bestätigten Hans-Dieter Würthele, Leiter der Ursenwang-Schule, und Susanne Stephan, Rektorin des Werner-Heisenberg-Gymnasiums. Da die Schüler/-innen überwiegend unpolitisch seien, setzen beide Schulen auf viele niederschwellige Angebote zur Stärkung des Selbstwertgefühls und gegenseitigen Respekts. Harald Maas, Jugendsozialarbeiter bei Future, bezeichnete die Jugend als „sehr engagiert und hilfsbereit, aber sehr wenig politisch informiert“. Mit Demokratie-Werkstätten müsse daher einer Krise der Demokratie entgegen gewirkt werden.
Die Zunahme der Aggressivität beklagte Dekan Rolf Martin Ulmer. Der Runde Tisch war sich einig, dass Schmähungen und namentliche Drohungen gegen einzelne Personen nicht hinnehmbar seien. Extremistische Aufkleber und Graffiti müssten so schnell wie möglich entfernt werden – ein Ansinnen, dass bei OB Till auf offene Ohren stieß: „Der Betriebshof beseitigt die Schmierereien und Aufkleber auf öffentlichen beziehungsweise städtischen Flächen unverzüglich.“ Bei Privatgrundstücken dürfe die Stadt jedoch nicht tätig werden. Wer radikale Aufkleber, Graffiti oder Ähnliches entdeckt, solle dies umgehend bei der Stadtverwaltung melden, damit der Betriebshof tätig werden könne.
Info:
Aufkleber, Schmierereien und Ähnliches können beim Gemeindlichen Vollzugsdienst Göppingen unter Telefon 07161 650-318 oder per E-Mail an GVD@goeppingen.de gemeldet werden.