Der langfristige Trend ist deutlich: Jugendliche und junge Erwachsene im Landkreis Göppingen machen immer seltener einen Führerschein für das Auto. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Grüne) untersuchte für den Zeitraum von 2001 bis 2015 die Führerscheinerteilungen an die 17- bis 21-Jährigen.
Hier konzentrierte sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete auf das Land Baden-Württemberg, die Stadt- und Landkreise der Region Stuttgart sowie den Ostalbkreis und den Landkreis Heidenheim. Die Zahlen und Ergebnisse für den Landkreis Göppingen sind eindeutig.
Mittels einer Kleinen Anfrage des Abgeordneten wurden Daten des Kraftfahrtbundesamtes erfragt (Die Kleine Anfrage inklusive der Antworten ist zu finden auf: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/083/1808302.pdf). Aus den Ergebnissen für das Land Baden-Württemberg wird deutlich: Im Südwesten erwarben im Jahr 2001 23,1 % der jungen Menschen einen Auto-Führerschein. Bis 2015 ging der Führerscheinerwerb bei dieser Kohorte auf 15,8 % zurück, was einem Rückgang von über 30 Prozent entspricht. Dabei ist in allen untersuchten Regionen ein Rückgang der PKW-Führerscheinerteilung unter den 17- bis 21-Jährigen von 2001 bis 2015 zu verzeichnen.
Im Landkreis Göppingen ist ein Rückgang von 22,9 Prozent im Jahr 2001 auf 18,2 Prozent im Jahr 2015 in Bezug auf den Anteil der PKW-Führerscheinerteilungen festzustellen. Hier ist ein Rückgang von über einem Fünftel unter den jungen Führerscheinerwerbern zu verzeichnen.
Die Tatsache, dass immer mehr junge Menschen darauf verzichten, einen Führerschein zu erwerben, macht grundlegende gesellschaftliche Veränderungen deutlich: Die emotionale Bedeutung des Autos sinkt. Mit der jungen Generation setzt ein gesellschaftliches Umdenken ein, in dem das Auto an Stellenwert verliert. Das Auto wird rationaler als früher als ein, aber nicht mehr zwangsläufig als das Verkehrsmittel betrachtet. Das Auto bleibt wichtig, wird aber zunehmend als ein mögliches Element verschiedener, immer häufiger miteinander kombinierter Verkehrsmittel betrachtet. Ebenso wichtig bleibt das Mobilitätsbedürfnis, es steigt vermutlich sogar eher noch an. Im Vordergrund steht dabei aber immer mehr das Ziel (Schule, Ausbildungs-/Arbeitsplatz, Sportplatz, Kino oder die Freundin/der Freund), während das Verkehrsmittel dorthin als Mittel zum Zweck betrachtet wird.
Verstärkt wird diese Entwicklung durch die gestiegenen Kosten für Führerschein und Auto. Interessant in diesem Zusammenhang: Auf dem Land werden ca. 35 Fahrstunden und in der Stadt ca. 50 Fahrstunden benötigt, um eine praktische Fahrprüfung erfolgreich zu bestehen (Quelle: Kleine Anfrage 18/8142, Antwort der Bundesregierung auf Frage 6; siehe o.g. Link: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/083/1808302.pdf). Damit dürfte der Führerscheinerwerb in städtischen Räumen teurer sein als in ländlichen. Der Trend zu höheren Schulabschlüssen und zum Studium führt aber zu einem zeitlich verschobenen Einstieg in den Beruf und damit wird das erste Einkommen erst später erzielt.
Zugleich wirkt sich der Ausbau des ÖPNV aus. 2015 wurden im Verbundgebiet des VVS 366 Millionen Fahrten gezählt, ein neuer Rekord. Dazu beigetragen haben die Firmentickets. Aber auch mehr Zeitkarten im Ausbildungsverkehr wurden abgesetzt, trotz rückläufiger Schülerzahlen. Hinzu kommt, dass immer mehr Angebote für Leihfahrräder entstehen. Gemeinsam mit der Ausbreitung der Smartphones lassen sich verschiedene Verkehrsträger verknüpfen: Von unterwegs aus lassen sich Fahrpläne aufrufen und Mitfahrgemeinschaften oder Mietfahrräder organisieren. Noch relativ neu, aber gerade unter jüngeren Menschen überaus erfolgreich am Markt sind die Fernbusse. Sie sprechen auf mittlere und längere Distanzen insbesondere ein preissensibles Publikum an und ergänzen die Bahn- und Mitfahrangebote.
Wichtiger als der Ausbau von Straßen ist daher der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Ebenso müssen mehr attraktive Radwegeverbindungen und sichere Fahrradabstellanlagen an zentralen Orten wie Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs und an Bahnhöfen geschaffen werden.
Konkrete Handlungsbedarfe:
· Ausbau der Bus- und Bahnangebote (u. a. Verbesserungen bei der Taktfrequenz, aber auch Ausbau des Bahnnetzes bspw. Metropolexpress nach Göppingen und Geislingen/Steige)
· Einfacheres Tarifsystem für öffentliche Verkehrsmittel, Tarifintegration des Landkreises Göppingen in den VVS
· Pünktlichkeit bei der S-Bahn in der Region Stuttgart erhöhen (bspw. Signaltechnik, Verkürzung der Haltezeiten in den Bahnhöfen, neue S-Bahnen vor Inbetriebnahme ausreichend testen); dasselbe gilt für andere Bahnen wie die Brenzbahn
· Pünktlichkeit verbessern und Fahrtzeiten reduzieren im Bereich der Busse bspw. durch Busspuren und den Aufbau eines Expressbusnetzes)
· Ausbau der Fahrgastinformationssysteme (bspw. Anzeigetafeln und verlässliche Bahnsteigdurchsagen) an den Haltestellen
· Anschlusssicherungssysteme zwischen Bahnen und Bussen etablieren bzw. ausbauen
· Ausbau attraktiver Radwege, u. a. auch von Radschnellwegen, und sicherer Fahrradabstellanlagen an zentralen Orten wie Bahnhöfen
· Parkraumbewirtschaftung in den Kommunen und weniger restriktive Auslegung von Stellplatzvorschriften bei der Genehmigung von Neubaugebäuden