Täglich rollt die Blechlawine durch Deutschlands Städte und macht Straßen zu Standspuren. Kein Wunder, dass auf deutschen Straßen der Ausnahmezustand herrscht, wenn ca. 66 Prozent der Erwerbstätigen – also ca. 30 Millionen Menschen – täglich mit dem Pkw zur Arbeit fahren. Der Wirtschaftsverkehr kommt noch hinzu und macht das Chaos perfekt. Das Fahrrad wird daher immer häufiger als alternatives Verkehrsmittel im beruflichen und wirtschaftlichen Verkehr ins Spiel gebracht.
Der ADFC Baden-Württemberg hat auf seiner diesjährigen Delegiertenkonferenz am 01.04.2017 mit seinen Gästen die Möglichkeiten, Vorteile und aktuellen Entwicklungen des Fahrrads als berufliches und wirtschaftliches Verkehrsmittel diskutiert und Forderungen an die Landesregierung formuliert.
„Das Wirtschaftsministerium muss endlich erkennen, dass das Fahrrad ein echtes Erfolgsmodell für die Wirtschaft ist. Wenn mehr Arbeitnehmer mit dem Rad zur Arbeit fahren, sind die Straßen im Land deutlich entlastet und der Gesundheit der Arbeitnehmer ist auch geholfen. Außerdem sind Unternehmen, die innerstädtisch mit dem Lastenrad unterwegs, deutlich schneller und zuverlässiger beim Kunden. Es gibt also genug Gründe, warum das Fahrrad endlich zum ernstgenommenen Verkehrsmittel im beruflichen und wirtschaftlichen Verkehr werden muss.“, sagt Dr. Gudrun Zühlke, Landesvorsitzende des ADFC Baden-Württemberg.
Der ADFC fordert von der Landesregierung konkret:
- Die Planung von Radschnellwegen muss zügig und kraftvoll vorangetrieben werden und die Mittel dafür im Haushalt auf 10 Mio. € angepasst und in den kommenden Jahren kontinuierlich erhöht werden.
- Betriebsberatungen mit dem Ziel „Fahrradfreundlicher Betrieb“ sollen durch das Land zu 50% gefördert. Das Land lässt im Rahmen seiner Vorbildfunktion alle Ministerien, Eigenbetriebe und die Regierungspräsidien als fahrradfreundlich zertifizieren.
- In einem Modelprojekt sollen bis 2018 systematisch Fahrzeugflotten von Unternehmen unterschiedlicher Branchen dahingehend überprüft werden, welche Fahrleistungen auf das Fahrrad verlagert werden können. In Modellrechnungen sollen bis 2019 Einsparpotentiale dargestellt werden. Mit dem Ergebnis soll für die Wirtschaft eine attraktive Förderkulisse entwickelt werden, die Anreize zur möglichen Umrüstung der Wirtschaftsverkehrsflotten bieten.
- Im Rahmen der Maßnahmen zur Kommunikation sollen weitere Mittel bereitgestellt werden, um Betriebe über die Maßnahmen, Möglichkeiten und Wirtschaftlichkeit gezielt zu informieren. Auch Verbände und IHKs sollen dazu aufgefordert werden, positive Beispiele und Maßnahmen zu kommunizieren.
- In einem Übergangszeitraum von 2018 bis 2020 werden Kaufprämien in Höhe von 1.000€ für jedes Lastenfahrrad gezahlt, das dauerhaft ein wirtschaftlich genutztes Kraftfahrzeug ersetzt.
- Die Landesregierung soll CityLogistik-Konzepte fördern.
- Die Landesregierung muss eine verantwortliche Stelle zur Umsetzung der genannten Maßnahmen benennen.
Fahrräder und Lastenräder waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland ein selbstverständliches Transportmittel für Auslieferungs- und Werksverkehre. Die Automobilisierung der Gesellschaft führte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings zu einer Fast-Verdrängung des Fahrrads als Nutzfahrzeug in den meisten Branchen. In einigen Wirtschaftszweigen, etwa bei der Postzustellung, im Kurierwesen oder als Diensträder auf großen Industriearealen werden Fahrräder eingesetzt, flächendeckend ist der Fahrrad-Wirtschaftsverkehr in Deutschland und Baden-Württemberg derzeit aber kaum messbar. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Elektrifizierung von Fahrrädern und der Verbesserung des verfügbaren Lastenrad-Angebots ist der ADFC Baden-Württemberg sicher, dass in naher Zukunft Lastenräder in Städten und Regionen einen beträchtlichen Teil des Wirtschaftsverkehrs leise und umweltschonend abwickeln können. Verkehrsforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben untersucht, welche Potenziale für eine Fahrradnutzung im Wirtschaftsverkehr bestehen. Danach könnten bereits unter konservativen Annahmen etwa acht Prozent der Fahrten im Wirtschaftsverkehr von Lastenrädern übernommen werden. Langfristig können es sogar bis zu 23 Prozent dieser Fahrten und damit insgesamt vier Prozent der gesamten Fahrleistung sein.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e. V. (ADFC) vertritt bundesweit die Interessen der Alltags- und FreizeitradlerInnen. Der Verein hat mehr als 160.000 Mitglieder aller Altersstufen, davon mehr als 20.000 in Baden-Württemberg. Mehr als 500 Aktive in etwa 50 Kreis- und Ortsverbänden im Land setzen sich ehrenamtlich im ADFC Baden-Württemberg ein.
Schwerpunkte des ADFC sind:
- Verkehrsplanung und Verkehrspolitik
- Verkehrspädagogik
- Betriebsberatung (Begleitung von Arbeitgeber, die das Thema Fahrrad in ihrem Unternehmen oder ihrer Behörde auf- oder ausbauen wollen)
- Radtourismus, Radreisen, Bett+Bike
- Technik/Sicherheit/Service
- Verbraucherschutz
- Gesundheitsvorsorge
- Fahrraddiebstahlschutz
PM