Datum/Zeit
Date(s) - 15/08/2019
15:00 - 16:30
Veranstaltungsort
Göppingen - Museum "Storchen"
Kategorien
Bei guter Architektur kommt es nicht auf die Größe an. Diese Erkenntnis führt die derzeitige Sonderausstellung „Vom Bau zum Bausatz und zurück“ im Städtischen Museum im Storchen an ausgewählten Beispielen anschaulich vor Augen.
Auf der Modellbahnplatte der Wirtschaftswunderzeit gab es mehr als Fachwerk und Zwiebeltürmchen. Im Hobbykeller zeigten sich die Deutschen sogar erstaunlich modern. Damals gehörten Hochhaus und Bungalow wie selbstverständlich zur Miniaturstadt. Die architektonischen Vorbilder standen zumeist in Süddeutschland oder in Thüringen, oft im nahen Umfeld der Hersteller wie Faller in Gütenbach im Schwarzwald, Kibri in Böblingen oder Vollmer in Stuttgart. Sie lieferten die Miniaturhäuschen für die Modellbahnen von Märklin. Ab den 1980er Jahren geriet das Geschäft ins Stocken – die Bastler gerieten unter Spießer-Verdacht.
Bei guter Architektur kommt es nicht auf die Größe an. Diese Erkenntnis führt die derzeitige Sonderausstellung „Vom Bau zum Bausatz und zurück“ im Museum im Storchen an ausgewählten Beispielen anschaulich vor Augen. Zu entdecken gibt es den Bahnhof „Neustadt“, den Faller von 1966 bis 1983 im Sortiment führte und 2016 als „Klassiker“ neu auflegte. Das Vorbild war der Bahnhof von Goch am Niederrhein, der mit einer großzügig verglasten Empfangshalle, einer Gaststätte und Büros in der Nachkriegszeit den Typus des modernen Bahnhofs geradezu in idealer Weise verkörperte. Ebenfalls in moderner Bauweise unter Einsatz von Beton und Glas präsentieren sich der Bausatz „Postamt Badenweiler“ (von Kibri ab 1970) oder „Moderne Kirche“ (von Faller ab 1965).
Die passenden Vorbilder für das Miniaturmodell fand Faller oftmals vor der Haustür. So entspricht die „Moderne Kirche“ dem Kirchenneubau St. Katharina in Gütenbach, dem Firmenstandort von Faller. Auch die auf dem Firmengelände von Faller 1959 und 1963 errichteten Hochhäuser wurden als Bausatz für die Modellbahn produziert – wenn auch mit einer größeren Geschosszahl. Und selbst die eigene extravagante Villa, die sich der Unternehmer im Schwarzwaldort Gütenbach 1961 bauen ließ, kam noch im selben Jahr in leicht modifizierter Form auf die Modellbahn. Hierfür steht das Vorbild im Tessin. Hermann Faller hatte bei der Urlaubsfahrt in den Süden das moderne Haus unter den traditionell gebauten Häusern im Ort Ambri entdeckt. Seine Begeisterung führte dazu, dass er sich in Anlehnung an diese „Villa im Tessin“ sein neues Haus vom Firmenarchitekten Leopold Messmer planen ließ. Die „Villa im Tessin“ wurde ein Erfolgs-Modell in der Miniatur-Eisenbahnwelt und wurde zuletzt 2016 aufgelegt.
Natürlich sind in der Ausstellung auch die zwei Modellbausätze zu sehen, die Göppinger Bauten zum Vorbild haben. Dies sind die Oberhofenkirche (von Kibri für Spur Z) und der 1964 eröffnete Göppinger Bahnhof mit zugehörigem Stellwerk und Bahnsteigüberdachungen (von Märklin für Spur Z).
Die Ausstellung wird begleitet von einer Filmdokumentation, in der Modellbahner und Architekten erzählen, welchen Reiz die Miniaturwelten auf sie ausüben. Wie man mit den von den Firmen hergestellten Bausätzen – unter Umgehung der strikten Bauanleitungen – sein eigener Architekt und Bauherr sein kann, dies demonstriert in der Ausstellung auf souveräne Art Gerald Fuchs aus Kaufbeuren. Auf einer Fläche von rund zehn Quadratmeter hat er im Museum seine „Megacity“ aufgebaut. Mit kreativem Geschick und architektonischem Gespür erschafft Gerald Fuchs eine urbane Welt mit Hochhäusern, Freizeitcenter, Parks und Reihenhaussiedlungen. Manche Teile der Bausätze erkennt man wieder – etwa den Bausatz „Auto-Rast“ von Faller, der hier als rundum verglastes Restaurant auf einem Hochhaus thront. Und was an der „Megacity“ am meisten überrascht – plötzlich nähert sich die Miniaturwelt der großen Welt an, der Maßstab wird stimmiger als dies auf der mit einer Landschaft gestalteten Platte im Normalmaß möglich ist. Zu diesem Vergleich lädt eine klassische HO-Modelleisenbahnanlage ein, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren in vielen Haushalten anzutreffen war. Nicht nur, wer sich etwas wehmütig an seine eigene Modellbahn erinnert, darf auf Knopfdruck die Züge fahren lassen.
Die Ausstellung im Storchen ist bis zum 27. Oktober zu sehen. Das Museum ist Dienstag bis Samstag von 13 bis 17 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Öffentliche Führungen beginnen jeweils um 15 Uhr am Donnerstag, 15. August, Sonntag, 25. August, Sonntag, 15. September, Sonntag, 13. Oktober und Sonntag, 27. Oktober.
Eine Begleitveranstaltung für Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahre behandelt „Modellgeschichte(n): Von Bauten und Bausätzen“ und findet am Mittwoch, 9. Oktober, von 10 bis 12 Uhr statt für maximal zehn Kinder. Die Materialkosten betragen drei Euro; eine Anmeldung ist erforderlich unter Telefon 07161 650-9911 oder per E-Mail an museen@goeppingen.de.
Am Donnerstag, 15. August, um 15 Uhr führt Peter Fritsch durch die Ausstellung.
Im Museum im Storchen erwartet die Besucher Architektur der Nachkriegszeit im Kleinformat: Bahnhöfe, Postämter, Wohnhäuser und vieles mehr kamen bei Modelleisenbahn-Begeisterten auf der Platte im Hobbykeller groß raus. Die Ausstellung eröffnet einen Blick auf die Entstehung und Wirkung dieser kleinen Bauwerke. Großformatige Fotografien der architektonischen Vorbilder ermöglichen einen Vergleich zwischen Wirklichkeit und „Märklin-Moderne“.
Die Kosten entsprechen dem regulären Eintrittspreis.
Foto (Hagen Stier): Auch in der DDR erfreute sich der Modellbau großer Beliebtheit: Hochhaus und Wohnhausgruppe der Vereinigten Olbernhauer Spielwarenbetriebe (VERO).