Das Thema ist ernst, und ich widerspreche jeder abgenickten Zustimmung die eine praxisbezogene Weiterbildung verhindern könnte. Differenzierende Unterscheidung, und verantwortliches Handeln mit ethischen Maßstäben, sind mehr denn je, ja gerade auch in diesem sensiblen Bereich, mehr als notwendig.
Von Alfred Brandner
Arbeitgeber könnten im Rahmen der gegebenen Fürsorgepflicht das Personal im Rettungsdienst nachhaltig unterstützen.
Pöbeleien und tätliche Übergriffe auf Rettungsfachpersonal nehmen rasant zu. Doch erkennbare Gewalt, stellt für die Einsatzkräfte der Rettungsdienste kein wesentlich erhöhtes Risiko dar – nicht vorhersehbare Übergriffe, aus normaler Tagesroutine dagegen schon. Zu bedrohlichen Einsätzen fährt man mit Polizeibegleitung – auf nicht vorhersehbares Einsatzgeschehen sollte man sich einschwören. Der Schwerpunkt aller Maßnahmen, muss in der Sensibilisierung liegen. Alle möglichen Formen von Übergriffen müssten in angemessenen Fortbildungsreihen Thema sein. Auch in Sachen Kommunikation gibt es einen „Riesennachholbedarf“.
Ein kleiner Einsatz mit großer Dramatik bietet Einblick in das reale Geschehen.
Beginnen wir den Tag bei der Fahrzeug – und Ausstattungsüberprüfung. Doch es geht gleich weiter. Jeder im Rettungsdienst tätige kennt das Szenario:
Der Funkmeldeempfänger piepst, es folgt die Durchsage des Disponenten: „Schnittverletzungen an den Unterarmen, näheres nicht bekannt“.
Am Einsatzort angekommen werden hastig Notfallkoffer und EKG aus dem Fahrzeug gezerrt. Das Rettungsteam eilt zur Wohnung des Patienten – man soll ja gewisse Zeitfenster einhalten. Erwartet werden wir von einer Frau im Eingangsbereich. Die Eingangstüre ist geöffnet, und eine große „Blutspur“ führt in die Wohnräume. Alles geht jetzt sehr schnell – Bruchteile von Sekunden bestimmen nun den Verlauf. Auf die Frage nach dem Patienten, weist sie auf ein anderes Zimmer aus dem im gleichen Augenblick ein Mann mit stark blutenden Wunden an beiden Unterarmen heraustritt. Dieser Mensch, ausgerüstet mit zwei großen Metzger – Messern, die er bedrohlich in den Händen hält, bezieht nun eindeutige Position vor dem einzigen Ausgang aus der Wohnung. Eine Fluchtmöglichkeit besteht nicht mehr, und ein Polizei – Notruf lässt sich in dieser Einsatzlage nicht absetzen.
Offensichtlich wird eine Situation, die zunächst nicht vorhersehbar war, und mit sehr hohem Gefährdungsgrad.
Soweit die Einsatzdarstellung die sich tatsächlich so ereignet hat. Durch das erfahrene Einsatzteam, unter der Leitung eines Rettungsassistenten, der sich seit Jahrzehnten in der Gewaltprävention aktiv betätigt, konnte die Situation in diesem Einsatz entschärft werden. Die offensichtlich stark alkoholisierte Person, die sich zuvor mit besagten Messern diverse Schnittverletzungen zugefügt hatte, war nach zielgerichteter Kommunikation dazu bereit, die beiden Messer in sicherer Entfernung abzulegen. Danach wurden diese unverzüglich aus dem Gefahrenbereich entfernt, und zeitgleich über 1 1 0 die Polizei angefordert. Anschließend erfolgt die notfallmäßige Erstversorgung des Verletzten.
Noch mal gut gegangen könnte man sagen – großes Glück hat die Besatzung vor schlimmen Folgen bewahrt! Aber auch das besonnene und professionelle Verhalten des erfahrenen Einsatzteams hat vermutlich eine weitere Eskalation verhindert.
Doch das wird nicht immer so sein. Rettungsfachkräfte müssen sensibilisiert werden, und Eigensicherung muss fester Grundsatz sein. Das betrifft insbesondere auch die anscheinend ganz normalen Einsatzlagen im Tagesgeschäft. Hinter allen Wohnungstüren und Gebäuden kann erhebliche Gefahr, in den unterschiedlichsten Formen lauern. (die Auflistung möglicher Gefahrenquellen würden den Rahmen sprengen) Und eben da liegt das Risikopotential für die Einsatzkräfte der Rettungsdienste – nicht vorhersehbar, und letztendlich in der Ausführung akut bedrohlich! Im Zweifelsfall frühzeitig die Polizei hinzuziehen.
Einsatzstellen bei denen Gewalt offensichtlich ist, oder ggf. zu erwarten, verpflichten zum umgehenden Polizei – Notruf. Das geschieht in solchen Einsatzlagen idealerweise durch den vorsorglich handelnden Disponenten auf der Rettungsleitstelle oder den Rettungskräften vor Ort.
Rettungsfachpersonal sollte eine solche Einsatzstelle erst nach Freigabe durch die Polizei betreten.
Sollte man sich dennoch mal in einer nicht vorhersehbaren Gefahrenlage befinden, dann ist professionelles Vorgehen gefordert. Gute Kommunikationsfähigkeit und spezielle Kenntnisse in wirksamen Selbstschutzmaßnehmen können Gesundheit und Leben von Rettungsfachpersonal schützen helfen.
Aus – Fort – und Weiterbildung, das sind die Wege zum beruflichen Erfolg – oder auch aus bedrohlichen Ausnahmelagen! Arbeitgeber können im Rahmen der gegebenen Fürsorgepflicht dazu beitragen.