Warnstreikwelle beim Autozulieferer SAM Automotive Group – Beschäftigte kämpfen um mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen – Morgen Großkundgebung in Böhmenkirch
Die IG Metall in Baden-Württemberg erhöht den Druck auf den Autozulieferer SAM Automotive Group: Am morgigen Donnerstag treten die Beschäftigten zum vierten Mal binnen zwei Wochen in einen Warnstreik. Damit unterstreichen sie die Forderung des Betriebsrats und der IG Metall nach fairer Bezahlung, einheitlichen Sonderzahlungen und besseren Arbeitsbedingungen. „Die Warnstreiks gehen so lange weiter, bis die Geschäftsführung ein verhandlungsfähiges Angebot auf den Tisch legt“, sagt Manuel Schäfer, zuständiger Betriebsbetreuer der IG Metall Göppingen-Geislingen. Tagtäglich fertigen die Beschäftigten bei SAM Premiumprodukte für namhafte deutsche Autohersteller, „sie sind es leid, dafür mit Billiglöhnen abgespeist zu werden“, so Schäfer.
Die SAM Automotive Group stellt Dachrelingsysteme und Zierleisten aus hochglanzpoliertem Aluminium her und ist aus der ehemaligen Binder-Gruppe mit Sitz in Böhmenkirch im Kreis Göppingen hervorgegangen. Seit dem Verkauf von Binder Anfang 2016 an die Beteiligungsgesellschaft Bregal Unternehmerkapital firmiert das Unternehmen mit circa 2400 Beschäftigten unter dem Namen SAM.
Die Auseinandersetzungen um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen haben bereits unter dem alten Eigentümer begonnen und ziehen sich mittlerweile seit über drei Jahren hin: Laut Schäfer liegt der Durchschnittsverdienst in der Produktion bei 10,50 Euro, das Einstiegsgehalt beträgt 9,20 Euro. Von den rund 2000 Beschäftigten, die auf zehn Werke in den Landkreisen Göppingen und Heidenheim verteilt sind, sind circa 500 Leiharbeiter. Weitere rund 400 Beschäftigte sind über ein kroatisches Werkvertragsunternehmen bei SAM im Einsatz.
„Es gibt kein vernünftiges Entgeltsystem, Leiharbeiter verdienen teils mehr als Festangestellte, Lohnerhöhungen sowie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld wurden jahrelang gar nicht oder nur als Nasenprämie gewährt“, erklärt Schäfer. Hinzu kommen teils unzumutbare Arbeitsbedingungen und hygienische Verhältnisse. So gibt es zum Beispiel zu wenige Duschen und Toiletten. In der Produktion fehlen Absaugvorrichtungen, um die Schmutz- oder Metallpartikel aus der Luft zu filtern, die beim Polieren von Zierleisten anfallen. „Damit setzt das Unternehmen die Gesundheit seiner Beschäftigten bewusst aufs Spiel. Das muss endlich aufhören“, fordert Martin Purschke, Geschäftsführer der IG Metall Göppingen-Geislingen.
2015 ist es mithilfe der IG Metall gelungen, einen Betriebsrat zu gründen; Ende 2016 haben die Beschäftigten erstmals ein einheitliches Weihnachtsgeld von 400 Euro erhalten. Ziel der aktuellen Verhandlungen zwischen Betriebsrat und IG Metall mit der SAM-Geschäftsführung sind Lohnerhöhungen von zwei Mal 70 Cent die Stunde. Die Hälfte davon soll zur Einführung eines Entgeltsystems und Angleichung der heutigen Lohnunterschiede verwandt werden. Zudem will die IG Metall ein einheitliches Urlaubsgeld sowie ein nach Betriebszugehörigkeit gestaffeltes Weihnachtsgeld durchsetzen.
Purschke: „Beschäftigte bei Binder verdienen halb so viel wie für vergleichbare Tätigkeiten in einem tarifgebundenen Metall- und Elektrounternehmen bezahlt wird. Das ist ein Skandal im Autoland Baden-Württemberg, den wir nicht länger hinnehmen werden.“ Zwar könne man dem neuen Eigentümer nicht vorwerfen, die Zustände herbeigeführt zu haben und die SAM-Geschäftsführung habe auch Verbesserungen zugesichert. „Unser Vorwurf lautet aber, dass das nicht schnell genug geht“, so Purschke. In den aktuellen Verhandlungen hat die Geschäftsführung bisher lediglich Lohnerhöhungen bis zu 30 Cent angeboten; diese sollen nur für rund ein Fünftel der Belegschaft gelten.
In den vergangenen zwei Wochen haben bereits mehr als 650 Beschäftigte in den verschiedenen Werkteilen zeitweise die Arbeit niedergelegt, am morgigen Donnerstag sind die Belegschaften in den sieben Werken in Böhmenkirch und den Heidhöfen zum Warnstreik vor Werk 8 in Böhmenkirch aufgerufen. Zu der Kundgebung um 13 Uhr erwartet die IG Metall rund 400 Teilnehmer. Weitere Aktionen sind in Planung.
PM