Ein Notfalleinsatz abseits der Routine

Die  emotionale Belastungsgrenze war erreicht – auch Tränen sind geflossen. Vier Jahre sind nun vergangen, das Einsatzgeschehen  nicht – es ist noch im Gedächtnis. Ein dramatisch – tragischer Notfall im engsten Familienkreis, mit vergleichbaren Belastungsspitzen, motiviert mich das zurückliegende Geschehen  öffentlich zu machen.

Von Alfred Brantner

Als Rettungssanitäter / Rettungsassistent, dreißig Jahre hauptberuflich im Einsatzdienst – Hunderte von Einsätzen prägen die Dienstjahre.  Tätig auf Schiffen in Kriegs-und Krisengebieten, mit dem Rettungsdienst – Einsatzmotorrad allein auf der Autobahn, und natürlich mit all den anderen Rettungsmitteln bestens vertraut – zahlreiche Patienten wurden versorgt.

Herzinfarkte, Schlaganfälle, Schuss-und Stichverletzungen, Amputationen, Reanimationen und all die hier nicht aufgeführten Notfallbilder – natürlich auch eigenverantwortlich, ohne die Möglichkeit zu haben, einen hilfesuchenden Blick auf einen Mediziner werfen zu können.

Die tägliche Praxe, sorgte für ein gewisse „Routine“ (Erfahrung). Man hat gelernt mit Leben, Krankheit und dem Tod umzugehen, überdies – man fühlte sich auch entsprechend gewappnet. Doch es sollte nun ganz anders kommen. Die emotionale Belastungsgrenze wurde überschritten.

Eine kleinere Kreisstadt in Baden Württemberg, auf einer Rettungswache kurz vor dem nahenden Dienstende am Abend. Lautes piepsen des Funkmeldeempfängers unterbricht die Planungen über Feierabendaktivitäten im Kollegium: „Alarm für RTW und Notarzt“.

 

Asthma bronchiale – so die Meldung des Disponenten

Der Einsatzort liegt in einer kleinen Gemeinde , nur wenige Fahrminuten von der Rettungswache entfernt. Dort angekommen wurden wir von zahlreichen „Streckenposten“ (Sportler von naheliegenden Sportstätten) von der Hauptstraße bis zum Einsatzort eingewiesen.  Eingetroffen, ca. 50 Meter vom Notfallort entfernt, hörten wir laute und markdurchdringende Schreie einer Frau.

 

Ersthelferin beatmet Mädchen

Der RTW wurde so abgestellt, dass die Notfallstelle mit den Fahrzeugscheinwerfern ausgeleuchtet war. Viele Menschen waren schon vor Ort  Ein Mädchen lag am Boden, und eine Ersthelferin hatte mit der Beatmung begonnen.

 

Herz – Kreislauf – Stillstand

Schnell wurde offensichtlich, dass das Mädchen einen Herz – Kreislauf – Stillstand erlitten hatte. Eine regelrechte Reanimation, nach aktuellen notfallmedizinischen Kriterien wurde umgehend in die Wege geleitet.

 

Schreie einer verzweifelten Mutter

Die anhaltenden und lauten Schreie der verzweifelten Mutter, waren kontinuierlicher Begleiter unserer Reanimation’s – Maßnahmen. Die Bemühungen blieben ohne Erfolg. Zunehmende Zyanose, und die maximal weiten Pupillen verkündeten den nahenden Tod des Mädchens.

 

Ein bedrückende Gefühl der Machtlosigkeit machte sich bemerkbar

Alle erforderlichen Maßnahmen wurden beständig, und sehr konsequent, und mit vollem Einsatz durchgeführt. Nach Eintreffen des Notarztes, erfolgte ein zügiger Transport unter Reanimation zur nahen Kinderklinik. Dort ist das Mädchen kurze Zeit später  verstorben.

 

Was war geschehen?

Eine Mutter war mit ihrer Tochter, die seit frühester Kindheit an Asthma bronchiale erkrankt war am Rande eines Dorfes unterwegs, so die Aussagen von Passanten. Nach Angaben aus dem Umfeld der Ersthelfer, war das Mädchen im Umgang mit den lange schon festgestellten Asthmaanfällen routiniert. Allem Anschein nach, waren Mutter und Tochter laufen. Hierbei soll es zu einem Anfall gekommen sein. Das Mädchen konnte noch ihr „Notfallspray“ zur Anwendung bringen – unmittelbar danach kam es zum Kollaps mit anhaltender Bewusstlosigkeit.

 

Das Mädchen war nicht mehr zu retten

Die Zeitspanne vom Eintritt des Ereignisses, bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes lässt sich nicht festlegen. Die mit der Situation überforderte Mutter, konnte anscheinend vor Aufregung das mitgeführte Mobiltelefon nicht betätigen – nur anhaltende Hilferufe, die letztendlich auch von Sportlern des nahen Sportgeländes wahrgenommen wurden waren möglich. Wir konnten trotz größter Mühen aller Beteiligten, einschließlich der vorbildlichen Ersthelfer nicht verhindern, dass das kleine Mädchen verstorben ist. Das zuvor schon erwähnte Gefühl der Machtlosigkeit, hat noch Stunden und Tage angehalten. Ich scheue mich nicht davor zu sagen, dass auch Tränen geflossen sind.

 

Es tat einfach nur weh

Abschließend erfolgte eine Einladung zur Supervision in die aufnehmende Kinderklinik. Alle Beteiligten aus Klinik und Rettungsdienst konnten das Thema aufarbeiten. Doch vergessen ist das Thema längst noch nicht.

PM

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