Austausch und Vernetzung beim Fachtag „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Erfolge, Herausforderungen, Perspektiven“ in Stuttgart
Seit 2015 haben ca. 141.000 Menschen einen Antrag auf Asyl in Baden-Württemberg gestellt, ein Großteil von ihnen wird dauerhaft in Deutschland bleiben. Daher sind Unterstützungsangebote wichtig, um ihre Integration in allen gesellschaftlichen Bereichen zu sichern. Die Arbeitsmarkintegration spielt dabei eine wichtige Rolle. Um den Austausch und die Vernetzung der unterschiedlichen Akteure zu stärken, hat das IQ Netzwerk Baden-Württemberg am 18. September die Fachtagung „Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Erfolge, Herausforderungen, Perspektiven“ veranstaltet. Rund 240 Gäste waren der Einladung ins Stuttgarter GENO-Haus gefolgt.
„Viele Partner im Land arbeiten zusammen, um Geflüchteten Wege in Arbeit und Ausbildung zu ebnen. Mit ihrem großen Einsatz eröffnen Unternehmen, Sozialpartner, Arbeitsagenturen, Jobcenter, das IQ Netzwerk sowie die vielen Haupt- und Ehrenamtliche in den Kommunen Zukunftschancen für Menschen, für unsere Betriebe, ja für unsere Gesellschaft“ so Bärbl Mielich, Staatssekretärin im Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, über die Arbeitsmarktintegration in Baden-Württemberg. Gemeinsam mit Dr. Susanne Koch (Bevollmächtigte Arbeitslosenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Baden-Württemberg), Elvira Stegnos und Hüseyin Ertunc (beide Koordination des IQ Netzwerkes Baden-Württemberg) begrüßte sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Tagung richtete sich an Arbeitsmarktverwaltungen, Kommunen, Unternehmen, Bildungsträger sowie Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit.
Dr. Susanne Koch betonte in ihrem Grußwort ebenfalls die Bedeutung der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure und die daraus entstehenden Synergien: „Damit die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen gelingt und so auch ein wichtiger Beitrag zur gesellschaftlichen Integration geleistet wird, müssen alle Akteure ihre Kompetenzen in die Waagschale werfen. Das IQ Netzwerk Baden-Württemberg ist ein wichtiger Partner der Bundesagentur für Arbeit nicht nur in der Frage der Anerkennungsberatung. Mit dem gemeinsam entwickelten Schulungskonzept zum „Interkulturellen Botschafter“ wird eine starke Basis dafür gelegt, dass Kompetenz in der Beratung von Geflüchteten und Migranten in jedem Jobcenter und jeder Arbeitsagentur in Baden-Württemberg vorhanden ist und gelebt wird.“
Erfolge und Herausforderungen bei der Arbeitsmarktintegration von
Geflüchteten
Bei der Tagung ging es vor allem darum, vielversprechende Ansätze und bereits erzielte Erfolge sichtbar zu machen. Gleichzeitig ging es aber auch um Herausforderungen bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Karl-Heinz P. Kohn (Hochschule der Bundesagentur für Arbeit) stellte in seinem Eröffnungsvortrag die Frage „Sind wir schon reif genug?“ und empfahl ganzheitliche Integrationskonzepte für eine aufnahmefähige Gesellschaft. Er wies darauf hin, dass in großen Teilen der Gesellschaft derzeit eine besonders ängstliche und ablehnende Sichtweise auf Zuwanderung dominiere. Ängste seien aber unbegründet, da Deutschland in der Vergangenheit – und auch unter ökonomisch schwierigeren Bedingungen wie etwa nach der Wiedervereinigung – schon große Zahlen an Migranten aufgenommen und erfolgreich integriert habe. Auch in der Zukunft sei der Arbeitsmarkt in Deutschland – nicht zuletzt aus demografischen Gründen – in einem großen Maße auf Zuwanderung angewiesen. Zuwanderung sei daher wirtschaftlich sinnvoll und müsse mit zielgruppenorientierten Angeboten sozial gestaltet werden. Die Menschen in Deutschland müssen gleichzeitig noch stärker durch eine systematische Öffentlichkeitsarbeit von der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Einwanderung überzeugt und die Aufnahmefähigkeit Deutschlands gefördert werden – am besten unter Beteiligung der Migrantinnen und Migranten.
In der Podiumsrunde mit den Akteuren auf Landesebene gab es viele Einblicke in den aktuellen Stand der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Es wurde betont, dass es landesweit und in vielen Regionen gut funktionierende Netzwerke gebe und die Akteure 2015, als die Geflüchteten in großer Zahl kamen, nicht bei Null anfangen mussten. Das Land Baden-Württemberg habe schon davor etwa über die Fachkräfteallianz oder den Flüchtlingsgipfel mit Strukturen zur Integration begonnen und zudem ein Sprachförderprogramm eingeführt, das die Sprachförderung des Bundes ergänzt. Auch die Wohnraumsituation sei wesentlich entspannter als vor zwei Jahren. Bei der Anerkennung der Berufsabschlüsse haben die Anerkennungsberatungsstellen des IQ Netzwerkes und die Liga der freien Wohlfahrtspflege die Geflüchteten flächendeckend beraten können. Um Finanzierungslücken zu schließen, hat die Baden-Württemberg Stiftung zudem ein eigenes Stipendienprogramm zur beruflichen Anerkennung eingeführt.
Neben den Erfolgen wurden auch die Herausforderungen benannt: Von allen Akteuren wurde das große Engagement der Unternehmen gelobt, jedoch auch darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, durch koordinierte Angebote Enttäuschungen aufgrund aufenthaltsrechtlicher Fragen oder aufwändiger Bürokratievorgänge abzubauen und zu vermeiden. Auch die Notwendigkeit des Ehrenamtes wurde unterstrichen – jedoch gleichzeitig betont, dass vielerorts die Vernetzung mit den Arbeitsagenturen und Jobcentern verbessert werden müsse, um Frustration auf beiden Seiten vorzubeugen. Die Sprach- und Integrationsfördermaßnahmen des Bundes seien zwar flächendeckend eingeführt, jedoch seien bestimmte Kurse nicht immer verfügbar oder es fehlen Anschlussmöglichkeiten. Vor allem in ländlichen Regionen stehen nicht ausreichend Sprachkurse und Qualifizierungsmaßnahme bereit bzw. seien diese von den Geflüchteten aufgrund der fehlenden Mobilität schwer erreichbar. Was die Sprachförderung insgesamt betrifft, kündigte das Ministerium für Soziales und Integration an, das eigene Angebot zu optimieren und das des Bundes besser zu ergänzen. Schließlich wurde auch über die aufenthaltsrechtlichen Hindernisse gesprochen. Die sogenannte „3+2-Regelung“ sei ein wichtiger Schritt, um den Geflüchteten und den Unternehmen mehr Sicherheit in der Ausbildung zu geben, sei aber insofern problematisch, als bei vielen Geflüchteten, die die sprachlichen Ausbildungsvoraussetzungen nicht erfüllen und dennoch eine Ausbildung zeitnah anstreben, falsche Erwartungen geweckt würden. Es wurde vorgeschlagen, die „3+2-Regelung“ auch auf die Einstiegsqualifizierung (EQ und EQ plus) auszudehnen. Angesichts dieser Herausforderungen wurde die Bedeutung des Paktes für Integration unterstrichen, in dessen Rahmen das Land 1.000 Integrationsmanager in den Kommunen fördert, deren Aufgabe es sein wird, die Strukturen vor Ort zu unterstützen.
Wie vielschichtig die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten ist, wurde auch in den anschließenden Arbeitsgruppen deutlich, die die Inhalte und Themen der Podiumsrunde widerspiegelten. Hier stellten Experten aus den unterschiedlichen Feldern und Institutionen u.a. Good-Practice-Beispiele vor, tauschten ihre Erfahrungen aus und suchten Antworten auf aktuelle Herausforderungen.
PM