Rund 60 Vertreter von Kirchen, Gewerkschaft (ver.di) sowie Arbeitgebern trafen sich gestern in Stuttgart zu einer Fachtagung zum Thema Sonntagsöffnungen im Einzelhandel. Eingeladen hatte – wie schon im Vorjahr – die baden-württembergische „Allianz für den freien Sonntag“.
Im Zentrum des Austauschs standen die rechtlichen Voraussetzungen und die Genehmigungspraxis von Sonntagsöffnungen im Einzelhandel Baden-Württemberg. Hierzu referierte der bundesweit auftretende Rechtsanwalt Dr. Friedrich Kühn (Leipzig) – er erstritt in den vergangenen Jahren bis zum Bundesverwaltungsgericht mehrere grundsätzliche Urteile gegen Sonntagsöffnungen. Sein Fazit fiel eindeutig aus: Beim Thema Sonntagsöffnungen/Sonntagsverkauf hätten die Gerichte – insbesondere das Bundesverwaltungsgericht im November 2015 – klare Regeln für die Genehmigungspraxis aufgestellt. Keineswegs bestehe Rechtsunsicherheit, wie es z. T. behauptet werde. Eine Vielzahl der geplanten Sonntagsöffnungen erfüllten nicht die Anforderungen der Rechtsprechung und seien damit rechtswidrig. Als ein besonderes Ärgernis und „geradezu skandalös“ bezeichnete Dr. Kühn das Verhalten der staatlichen Aufsichtsbehörden, die beim Thema Sonntagsöffnung weitgehend ihrer gesetzlichen
Kontrollfunktion nicht nachkämen.
Die „Allianz für den freien Sonntag“ in Baden-Württemberg sieht sich durch die Ergebnisse der Tagung in ihrer Einschätzung bestärkt, dass der freie Sonntag mit juristischen wie auch politischen Mitteln weiter und mit Nachdruck verteidigt werden muss.
„Der freie Sonntag ist ein hohes Gut, das es gegen Scheinargumente wirtschaftlicher Notwendigkeit zu verteidigen gilt. Wir wehren uns gegen Bestrebungen, den freien Sonntag rein ökonomischen Überlegungen zu opfern“, so Peter Niedergesäß (KAB Rottenburg-Stuttgart). Erwin Helmer, Betriebsseelsorger aus Augsburg: „Sonntagsschutz ist Menschenschutz; der freie Sonntag dient nicht zuletzt der Gesundheit der betroffenen Beschäftigten im Einzelhandel und ihrer Familien.“
An die Adresse der Rechtsaufsicht (Regierungspräsidien, Landratsämter) wird die Forderung gerichtet, dafür zu sorgen, dass die Kommunen die von den Gerichten formulierten Regeln zur Genehmigung von Sonntagsöffnungen einhalten. „Die zuständigen örtlichen Behörden und deren Aufsichtsbehörden sind dazu aufgerufen, die gesetzlichen Bestimmungen zum Sonn- und Feiertagsschutz konsequent durchzusetzen.“, so RAin Dr. Astrid Deusch (Arbeitnehmerseelsorge im Erzbistum Freiburg), und ergänzend: „Wir schlagen vor, dass die Kommunen ihre Genehmigungen zu Sonn- und Feiertagsverkäufen nur noch in Form einer Satzung erteilen dürfen. Diese müssten den Rechtsaufsichtsbehörden zur Überprüfung angezeigt werden.“
Die Allianz bekräftigt ihre Forderung gegenüber der Landesregierung von Baden-Württemberg, das Ladenöffnungsgesetz einer Evaluation zu unterziehen, die die Auswirkungen der ausgedehnten Ladenöffnungszeiten in größerem Umfang untersucht. „Die Landesregierung hat uns im Jahr 2015 ihre Zusage gegeben. Wir erwarten, dass die Evaluation bald beginnt“, so Thomas Löffler (KDA Baden).
Eine Vorschrift des Ladenöffnungsgesetzes sollte nach Ansicht der Allianz wegen erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken auf jeden Fall gestrichen werden: Die Regelung zu separaten Sonntags- und Feiertagsöffnungen in städtischen Bezirken (§ 8 Abs. 2). Sie führt dazu, dass in einzelnen Städten pro Jahr zwischen 20 und 30 Sonntagsverkäufe pro Jahr stattfinden.
In der „Allianz für den freien Sonntag“ in Baden-Württemberg haben sich gewerkschaftliche und kirchliche Organisationen zu einem Bündnis für sozialverträgliche Arbeitszeiten zusammengeschlossen. Sie ist Teil der auf Bundesebene ins Leben gerufenen „Allianz für den freien Sonntag“.
Dazu gehören:
- Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) Erzdiözese Freiburg und Diözese Rottenburg-Stuttgart
- Arbeitnehmerpastoral Erzdiözese Freiburg
- Betriebsseelsorge Diözese Rottenburg-Stuttgart
- Kolping Landesverband Baden-Württemberg
- Evangelische Arbeitnehmerschaft (EAN) der Evangelischen Landeskirche in Baden
- Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Evangelischen Landeskirche in Baden
- Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
- Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
- Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
PM