Die Besetzung von Lehrstellen bleibt für die ausbildenden Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistungsbranche Baden-Württembergs auch weiterhin eine große Herausforderung. Der Ausbildungsmarkt wird immer mehr zu einem Bewerbermarkt. Es zeichnet sich ab, dass auch in diesem Jahr viele Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben werden. Im Gastgewerbe konnten für den Start im September bisher mehr als zwei Drittel der angebotenen Ausbildungsplätze nicht besetzt werden, im Baugewerbe und im Handel rund ein Drittel und in der Industrie ca. 28 Prozent. Über alle Branchen hinweg bleibt der Anteil der Betriebe mit unbesetzten Lehrstellen mit knapp 30 Prozent weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), an der sich rund 1.800 Ausbildungsbetriebe beteiligt haben.
„Trotz der Situation am Ausbildungsmarkt ist das Engagement der Betriebe für die Ausbildung ungebrochen“, sagt Andreas Richter, Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart und Federführer Ausbildung im BWIHK. So zeigen die Umfrageergebnisse, dass in diesem Jahr rund 72 Prozent der Unternehmen ihre angebotenen Ausbildungsplätze besetzen konnten. Das sind fast vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Viele Betriebe wirken rückläufigen Bewerberzahlen mit verbessertem Ausbildungsmarketing und Erschließung neuer Bewerbergruppen entgegen. Zum Beispiel versucht mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen, Ausbildungsplätze mit Studienabbrechern zu besetzen, fast 15 Prozent bieten Praktika an und ebenso viele schicken ihre Azubis zeitweise in eine Niederlassung im Ausland.
Jedes fünfte Unternehmen, das nicht alle Ausbildungsplätze besetzen konnte, hat in diesem Jahr keine Bewerbungen von Jugendlichen erhalten. Der häufigste Grund für die Nichtbesetzung von Ausbildungsplätzen ist jedoch die mangelnde Eignung der Bewerber. Der BWIHK rechnet damit, dass in Baden-Württemberg auch in diesem Jahr mehrere tausend Lehrstellen unbesetzt bleiben.
Dabei sind laut Umfrage unklare Berufsvorstellungen das größte Ausbildungshemmnis. Rund 80 Prozent der befragten Unternehmen, die Ausbildungshemmnisse feststellen, – und damit nochmals mehr als letztes Jahr – beklagen dies. Ausbildungsbetriebe und Kammern hoffen deshalb auf eine erfolgreiche Umsetzung des neuen Schulfachs „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ ab dem kommenden Schuljahr, durch das die Jugendlichen besser an Arbeits- und Berufswelt herangeführt werden sollen. Der BWIHK begrüßt auch den Vorstoß der neuen baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Dr. Hoffmeister-Kraut bei der Wirtschaftsministerkonferenz, das Abitur künftig auf eine Stufe mit einer dreijährigen beruflichen Ausbildung innerhalb der Deutschen Qualifikationsrahmens zu stellen. Richter: „Wir hoffen, dass damit auch ein gesellschaftlicher Wandel einhergeht und die berufliche Ausbildung bei jungen Menschen und deren Eltern an Attraktivität zulegt.“
Als weitere Ausbildungshemmnisse stellten die befragten Betriebe zu knapp 60 Prozent Mängel bei Leistungsbereitschaft und Motivation der Auszubildenden fest. Dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr um rund acht Prozentpunkte gestiegen und ist der höchste Wert der letzten Jahre. Rund 56 Prozent der Befragten beklagen auch mangelndes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen bei den Bewerbern. Um dem abzuhelfen, bieten rund 40 Prozent der Betriebe Nachhilfe im eigenen Unternehmen an, ca. 32 Prozent nutzen ausbildungsbegleitende Hilfen der Agentur für Arbeit. Weiterhin geben die Betriebe vermehrt an, dass sie grundsätzlich auch ohne öffentliche Unterstützung lernschwächeren Jugendlichen eine Chance geben.
Knapp 74 Prozent der Betriebe im Land (Bund: 68 Prozent) wollen alle Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung als Fachkräfte in ihrem Betrieb übernehmen. Dieser Wert ist im Vergleich zu 2015 gleich geblieben und wiederum besser als der Bundesdurchschnitt. Grund für die guten Übernahmeaussichten vor allem im Südwesten ist unter anderem der zunehmende Fachkräftemangel. Richter: „Es wird immer wichtiger für die Unternehmen, gut ausgebildeten Fachkräfte auch langfristig ins Unternehmen zu integrieren, vor allem in der Industrie.“ Laut Umfrage übernehmen rund 83 Prozent der Industriebetriebe in Baden-Württemberg ihre Azubis.
PM