Maientagsrede von Oberbürgermeister Alex Maier

Liebe Gäste aus Nah und Fern,

liebe Göppingerinnen, liebe Göppinger, liebe Kinder,

endlich wieder Maientag!

Also endlich wieder der große Rummelplatz bei der EWS-Arena, endlich singen wir wieder unser Maientagslied, endlich dürft ihr wieder die Luftballons auf Reisen schicken beim Weitflugwettbewerb, endlich wieder Festzelt und viel Musik und endlich wieder der große Umzug!

Alle, die ihre Kindheit in Göppingen verbringen durften, erinnern sich noch ihr ganzes Leben daran, wie sie als Kind hier mitlaufen durften. Wie die Eltern und Großeltern einem am Straßenrand zuwinken und man selbst Teil der Geschichte unserer Stadt wird. Das ist etwas ganz Besonderes und ich wünsche vor allem Euch Kindern einen wunderschönen Maientag. Viele von Euch erleben den Umzug heute vielleicht zum ersten Mal. Genauso wie ich es zum ersten Mal erleben darf, von unserem Rathausbalkon die Ansprache zu halten. Nach der langen Zeit der Pandemie können wir endlich wieder ohne Einschränkungen unseren höchsten Göppinger Feiertag gemeinsam begehen.

Aber der heutige Tag ist auch deshalb etwas Besonderes, weil er ein historisches Datum in der deutschen Geschichte ist. Sie sehen neben den Flaggen unserer Partnerstädte heute auch die Flagge der Bundesrepublik Deutschland vor unserem Rathaus wehen. Denn heute vor 70 Jahren gingen in vielen Städten der DDR hunderttausende von Menschen auf die Straße, um zu protestieren gegen die Unfreiheit und gegen einen Staat, der der Bevölkerung ein System aufzwängen wollte. Niedergeschlagen wurde dieser Protest mit brutaler Gewalt. Mindestens 55 Menschen kamen 1953 ums Leben, weil Entscheidungsträger eines diktatorischen Staates sich festklammerten an ihrer Macht. Auch wenn das Regime seine Macht noch für eine viel zu lange Zeit halten konnte, so zeigte die Geschichte, dass sich das Unvermeidliche nur herausgezögert hat. Das Ende der Diktatur im Osten Deutschlands.

Es ist ein Beleg dafür, dass Autorität, Angst und Gewalt am Ende nicht genügen, um einen Staat aufrecht zu erhalten. Doch haben wir aus der Geschichte wirklich gelernt? Denn schließlich gibt es auch heute noch Autokraten und Diktatoren auf der ganzen Welt. Doch ich bin überzeugt, wer die eigene Bevölkerung unterdrückt oder Menschen einen Krieg aufzwingt zur Verwirklichung eigener Großmachtsfantasien, der wird am Ende nichts weiter sein, als ein dunkles Kapitel in den Geschichtsbüchern. Denn der Mensch kann auf vieles verzichten, aber nicht dauerhaft auf seine Freiheit.

Die Freiheit so zu leben wie man es möchte und selbst für richtig hält. Viele Menschen haben sich in dieser Freiheit eingeschränkt gefühlt, in den Jahren der Pandemie, und das ist auf vielen Ebenen nachvollziehbar. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass Freiheit nur dann Freiheit ist, wenn sie für alle gilt und niemandem schadet. Deshalb ist es absolut falsch, unsere demokratischen Institutionen in die Nähe eines diktatorischen Regimes, wie das in der DDR, zu rücken. Damit trägt man nichts bei zu einem demokratischen Streit. Demokratischer Streit bedeutet ein Austausch von Argumenten, eine Abwägung dieser und anschließend die Akzeptanz der, von der Mehrheit getroffenen Entscheidung. Denn wenn eine demokratisch gewählte Mehrheit Dinge beschließt, die einem selbst vielleicht nicht gefallen, dann lebt man deswegen noch lange nicht in einer Diktatur.

Wir brauchen keinen Wettbewerb des Populismus, sondern einen Wettbewerb der Ideen. Auch hier in Göppingen. Im kommenden Jahr wird wieder ein solcher Wettbewerb stattfinden. Bei den Kommunalwahlen entscheiden Sie, die Bürgerinnen und Bürger, wer die Geschicke der Stadt im Gemeinderat mitlenken soll. Schon jetzt rufe ich Sie auf, sich zu informieren. Über die Kandidierenden und die Programme der Gruppierungen und Parteien die zur Wahl antreten. Überlassen Sie die Entscheidung wie unser Göppingen sich entwickeln soll nicht anderen, sondern entscheiden Sie mit und noch besser: gestalten Sie mit! Kandidieren Sie selbst für die kommunalen Gremien! Es ist ein arbeitsintensives Ehrenamt aber dafür auch eines der schönsten, das es gibt, mit riesigen Gestaltungsmöglichkeiten. Man neigt vielleicht manchmal dazu es als selbstverständlich hinzunehmen, dass es Menschen gibt, die ihre Freizeit opfern für das Wohl der Gemeinde, aber das ist alles andere als das. Deshalb an dieser Stelle vielen Dank an alle Mitglieder des Gemeinderates, die ihr Amt nicht ausüben für den eigenen Vorteil oder das eigene Ego, sondern um Göppingen noch lebenswerter zu machen.

Die Kommunen sind die Keimzellen unseres demokratischen Staatswesens und die Arbeit in ihren Gremien erfordert viel Hingabe und auch Liebe zur eigenen Heimatstadt. Und warum sollte man Göppingen auch nicht lieben? Ich weiß, es gibt die ewigen Schwarzseher. In den Kommentarspalten der sogenannten Sozialen Netzwerke sind sie besonders einfach zu finden. Egal was geschieht, sie finden immer diejenigen, die nicht einmal versuchen das Gute zu sehen, sondern sich auf die Suche machen nach dem Schlechten. Lassen Sie sich von diesen Menschen unsere Stadt nicht schlechter reden als sie ist.

Doch was ist Göppingen eigentlich?

Eine Stadt mit einer reichen Historie, die Stadt des Klassizismus, die Stadt einer starken Industrie, auch die Stadt von Innovation und schwäbischem Tüftlergeist. Die Stadt des Handballs, die Stadt der Staufer, die Stadt der Modelleisenbahn, die Stadt der Kultur und der Musik und noch vieles mehr. Zugegeben: all diese Dinge lassen sich schlecht auf ein Ortsschild pressen. Wir haben nicht das eine, herausstechende Merkmal, auf dessen Fundament wir unsere ganze Identität aufbauen und manche Dinge scheinen sich auf den ersten Blick womöglich sogar zu widersprechen. Der amerikanische Schriftsteller Walt Whitman schrieb einmal: „Ich widerspreche mir selbst? Nun gut, ich widerspreche mir selbst. Ich bin groß, ich enthalte Vielfalt.“

Diese Vielfalt ist vielleicht selbst die große, hervorstechende Eigenschaft der Seele dieser Stadt. Wir sind nicht zwischen engen Mauern eingezwängt, sondern wir bauen Mauern ab, um uns zu öffnen. Für neue Ideen, andere Kulturen, Dinge die wir noch nicht kannten, aber vor denen wir uns nicht verschließen. Die meisten zumindest wollen sich nicht verschließen und in einer Welt, die immer enger zusammenrückt, können wir es auch nicht.

Veränderung ist allgegenwärtig und zeichnet uns als Menschen aus. Der Mensch hat sich immer verändert und über Jahrtausende immer anpassen können. Sollen ausgerechnet wir in einem Zeitalter leben, in dem wir unsere Anpassungsfähigkeit verlieren aus reiner Bequemlichkeit? Der frühere Bundespräsident und übrigens Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Göppingen, Roman Herzog sagte einmal den Satz: „Es gibt viele demokratische Tugenden, Bequemlichkeit gehört nicht dazu“.

Das ist ein kluger Satz. Wir alle müssen Teil einer Veränderung sein, auch wenn sie nicht bequem wird. Wir können nicht die Hände in den Schoß legen, alles so belassen wie wir es gewohnt sind und dann von anderen oder vom Staat verlangen, dass er alle Probleme für uns lösen soll, die durch diese Bequemlichkeit entstanden sind. Wir müssen mitgehen und vorangehen als Gesellschaft. Denn die erste demokratische Tugend ist Verantwortung, Verantwortung für sich selbst und Mitverantwortung für die Gemeinschaft in der man lebt. Für die Verhältnisse in unserer Stadt, für die politische, die wirtschaftliche, die soziale und die kulturelle Entwicklung in unserer Stadt sind wir verantwortlich. Wir alle. Denn nicht einige Wenige, die sich über Gesetze hinwegheben sind das Volk, nur, weil sie es eben am lautesten schreien. Wir alle. Wir sind das Volk!

Deshalb darf Politik auch nie vergessen, wofür es sie gibt. Gewählte Mandatsträger, wie ich auch einer bin, müssen sich immer ins Gedächtnis rufen, dass sie eine und nur eine Aufgabe haben: das Leben der Mitmenschen zu verbessern, die Gesellschaft in der wir leben zu verbessern. Also manchmal auch das eigene Ego hintenanstellen und manchmal auch Entscheidungen treffen, die auf den ersten Blick nicht allen recht sind.

Deshalb hoffe ich, dass manche Debatte etwas weniger hysterisch und schrill geführt wird. In Göppingen, aber auch im ganzen Land. Nicht jede Neuerung ist gleich ein Angriff auf unseren ganzen Lebenswandel. Die meisten Veränderungen müssen nur richtig mitgestaltet werden, dann bringen sie natürlich auch Vorteile. Diese Offenheit und diese Sachlichkeit wünsche ich mir bei den großen Projekten, die wir als Stadt vor uns haben. Bei der Entwicklung des Boehringer Areals, bei der Erreichung des beschlossenen Klimaziels, bei der zukünftigen Belebung der Innenstadt, der weiteren Attraktivierung der Stadtbezirke, bei der Neustrukturierung unserer Verwaltung mit dem Ziel der Verbesserung des Services für die Bürgerschaft. Viele Aufgaben und alles keine kleinen Aufgaben aber wir haben gute Menschen in unserer Stadt und in unserem Land. Am Ende werden diese sich durchsetzen und nicht die Schwarzseher. Davon bin ich überzeugt und zwar weil ich überzeugt bin von unserem demokratischen System. Langfristig bringt dieses immer die besten Lösungen hervor, auch wenn der Weg dorthin manchmal steinig ist.

Also haben wir etwas aus der Geschichte gelernt? 70 Jahre nach dem Volksaufstand in der DDR glaube ich sagen zu können: ja wir haben gelernt und die große Mehrheit will es besser machen, damit es nie wieder so weit kommt. Diese Erkenntnis hilft vielleicht ein wenig, wenn es darum geht den Optimismus zu behalten angesichts der vielen Krisen und schlechten Nachrichten, die uns täglich umgeben. Die Menschen in diesem Land und auch in dieser Stadt haben schon ganz andere Herausforderungen gemeistert und dafür gebührt ihnen ewiger Respekt und Dank!

Deshalb feiern wir unseren Maientag! Als Dankesfest, als Friedensfest, als Heimatfest, als Fest für die Kinder und als Fest für den Zusammenhalt und das Miteinander in unserer wunderschönen Stadt. Der Maientag als Zeichen für Frieden, Freiheit und Demokratie, so sehe ich diesen Tag und ich freue mich sehr, auf die kommende Zeit voller Spaß, Musik, Freude und alten und neuen Freundschaften.

Danke, dass Sie alle Ihren Teil dazu beitragen, dass unser Fest ein Erfolg wird. Endlich wieder Maientag!

PM Stadtverwaltung Göppingen

 

 

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://filstalexpress.de/arbeitsmarkt/153714/

Schreibe einen Kommentar