Die Polizei präsentiert das neue Ausbildungskonzept für den mittleren Polizeivollzugsdienst. Es beinhaltet neue Lehrinhalte, mehr Flexibilität und eine bessere Struktur. Mit dem neuen Konzept wird auf den gesellschaftlichen und den technologischen Wandel reagiert.
„Unsere Polizei ist eine der besten in ganz Deutschland. Das ist kein Selbstläufer, sondern Ergebnis harter Arbeit, auch und gerade im Bereich der Ausbildung. Eine gute Ausbildung ist unser Fundament für eine leistungsstarke Polizei. Deshalb setzen wir alles daran, dass die Ausbildung unserer Polizistinnen und Polizisten im mittleren Dienst fortschrittlich ist und auch bundesweit Maßstäbe setzt“, sagte der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl anlässlich des Starts der neuen Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst.
Neues Konzept begegnet den Herausforderungen
„Die Polizei steht vor drei großen Herausforderungen: Erstens verändert sich ihre Arbeit. Neue Aufgaben und Anforderungen kommen hinzu, nicht zuletzt durch die Entwicklung der Kriminalität im digitalen Zeitalter, aber auch die damit verbundenen Möglichkeiten bei der polizeilichen Aufklärung und Strafverfolgung. Zweitens fordern uns auch bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen, zum Beispiel die gesellschaftliche Verrohung, Hass und Hetze im Netz oder die Auseinandersetzungen um die Corona-Politik. Und nicht zuletzt muss sich die Polizei auch nach innen weiterentwickeln. Aktuell werden sehr viele junge Menschen neu eingestellt. Die Polizei wird in kurzer Zeit also wesentlich jünger, weiblicher und auch diverser. All das wollen und werden wir in den Lerninhalten abbilden“, verdeutlicht der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl die Notwendigkeit der Neuerungen.
Neue Lehrinhalte
In der Ausbildung wird das Thema Diskriminierung künftig in all seinen Facetten und Erscheinungsformen abgebildet, wie beispielsweise Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit. Zudem wird fortan der politische Extremismus verstärkt in der Ausbildung thematisiert, wobei ein Schwerpunkt auf der Extremismusprävention liegen wird. „Unsere Polizei ist eine starke Organisation, fest auf dem Boden unserer Gesetze und Werteordnung verankert. Mit den Schwerpunkten wollen wir ein deutliches Signal senden: Wir bieten jeglicher Form von rassistischer, geschlechtlicher und politischer Diskriminierung klar und geschlossen die Stirn“, stellt Landespolizeipräsidentin Dr. Stefanie Hinz klar. Daher erhalten Themenbereiche wie Berufsethik und interkulturelle Kompetenz künftig noch mehr Raum im Lehrplan. Darüber hinaus erfolgt eine intensivierte Betrachtung zum Umgang mit Medien in polizeilichen Situationen.
Auch die praktischen Erfordernisse, insbesondere das Praxistraining sowie das Einsatztraining und der Sport, werden durch die neue Ausbildung weiter intensiviert. Durch kompetent und praxisnah ausgebildete Nachwuchskräfte soll die polizeiliche Basis im mittleren Dienst nachhaltig gestärkt werden. Im Praxistraining erfolgt daher ein ganzheitliches Training polizeilicher Sachverhalte, von der Entgegennahme des Auftrags bis zur Abgabe eines Anzeigenvorgangs. Durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis sollen die jungen Polizistinnen und Polizisten Handlungssicherheit gewinnen und bestmöglich auf den praktischen Einsatz vorbereitet werden. Gerade im Hinblick auf die zunehmende Gewalt gegen Einsatzkräfte ist die Verbesserung der Handlungskompetenzen von besonderer Bedeutung.
Mehr Flexibilität
Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat die Polizei die Möglichkeit zur Teilzeit auch in der Ausbildung eingeführt. Das heißt: Künftig können die Anwärterinnen und Anwärter einen Teil der Ausbildung im Umfang von 50 Prozent der regelmäßigen Arbeitszeit absolvieren. Hinzu kommt die stärkere Nutzung digitaler Lehr- und Lernmethoden.
In der Summe tragen alle Veränderungen und Anpassungen der Ausbildung dazu bei, die Attraktivität des Polizeiberufs zu wahren. „Wir kämpfen um die besten Köpfe und stehen zu anderen Arbeitgebern in Konkurrenz. Hier müssen wir wettbewerbsfähig sein. Das sind wir und das wollen wir bleiben. Dazu gehört deshalb auch, ein attraktives Arbeitsumfeld anzubieten, natürlich im Rahmen der spezifischen Herausforderungen, die der Polizeiberuf mit sich bringt“, so die Landespolizeipräsidentin.
Neue Ausbildungsstruktur
Die Theorie- und Praxisabschnitte der Ausbildung wurden angepasst, um künftig einerseits mehr Raum für die Vermittlung und Förderung der erforderlichen theoretischen Kompetenzen in einem immer komplexer werdenden Berufsbild zu schaffen und andererseits die Anwärterinnen und Anwärter bestmöglich auf das Praktikum und die dortigen Herausforderungen vorzubereiten. „Das neue Ausbildungsmodell bietet dabei bessere Möglichkeiten, wichtige theoretische Lerninhalte angepasst an die Praxisphasen der Ausbildung zu vermitteln“, so Landespolizeipräsidentin Dr. Stefanie Hinz. Die Ausbildung beginnt mit einem 15-monatigen Grund- und Aufbaukurs an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, an den sich ein neunmonatiges Praktikum, in der Regel auf einem heimatnahen Polizeirevier, anschließt. Den Abschluss bildet ein sechsmonatiger Abschlusskurs. Die Gesamtdauer der Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst ist mit 30 Monaten unverändert geblieben.
Untersuchung und Weiterentwicklung der Ausbildung
Mit der größten Einstellungsoffensive in der Geschichte der Landespolizei steht die Polizei Baden-Württemberg vor großen Veränderungen: Sie hat sich in den letzten Jahren schon deutlich verjüngt und wird sich auch weiterhin spürbar verjüngen. Seit 2016 wurden über 10.000 junge Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in den Ausbildungsdienst eingestellt – das entspricht in der Größenordnung rund 40 Prozent aller uniformierten Polizistinnen und Polizisten im Land. Gleichzeitig stellen der gesellschaftliche Wandel, aber auch technische Entwicklungen und die Digitalisierung neue Ansprüche an die heutige Polizeiarbeit. Deshalb hat die Hochschule für Polizei Baden-Württemberg die Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst umfassend untersucht und weiterentwickelt.
Unter der Maßgabe „Aus der Praxis für die Praxis“ wurden in den vergangenen Monaten die Dienststellen und Einrichtungen der Polizei umfassend beteiligt. In mehreren qualitativen und quantitativen Befragungen sowie Expertenworkshops konnten sich letztlich mehr als 4.500 Beschäftigte – darunter Absolventinnen und Absolventen der letzten Jahre sowie Auszubildende und Lehrkräfte – mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen in den Prozess einbringen. Dabei sind ganz unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen der polizeilichen Arbeit eingeflossen.