Amazon Pforzheim sieht „derzeit keinen Anlass“, über den von ver.di geforderten Anerkennungstarifvertrag zu den Tarifverträgen des baden-württembergischen Einzel- und Versandhandels Verhandlungen zu führen. Amazon-Geschäftsführer Alexander Bruggner verweist in seiner Antwort auf ein entsprechendes Forderungsschreiben der Gewerkschaft darauf, bei Amazon Pforzheim GmbH handele es sich „um ein Logistikzentrum“, „nicht aber um ein Unternehmen des Einzelhandels“. Aufgrund dieser Verweigerung könnte es bald auch in der Pforzheimer Amazon-Niederlassung zu Streiks kommen.
Der bei ver.di in Baden-Württemberg zuständigen Leiter des Fachbereichs Handel Bernhard Franke lässt dieses Argument nicht gelten: „Die Tarifverträge, die wir bei Amazon durchsetzen wollen, gelten für sämtlich Betriebe, Zweigniederlassungen und Filialen des Einzelhandel und des Versandhandels. Amazon ist völlig zweifelsfrei ein Versandhandelsunternehmen – Logistikdienstleistungen für andere Unternehmen spielen allenfalls eine geringfügige Rolle. Deshalb sind die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandel eindeutig einschlägig.“ Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) will für ihre Mitglieder unmittelbare tarifliche Ansprüche zur Geltung bringen und, so Franke, „natürlich auch tarifliche Mindeststandards in der Branche durchsetzen, um Wettbewerbsnachteile für tarifgebundene Versandhandelsunternehmen begrenzen“.
„Da Amazon die Aufnahme von Tarifverhandlungen verweigert, wird es unweigerlich auch in Pforzheim zu Arbeitskampfmaßnahmen kommen“, erklärte Bernhard Franke.
Die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen bei Amazon liegen laut ver.di deutlich unter den Tarifsätzen der Versandhandelsbranche: Während im Einzel- und Versandhandel die wöchentliche Arbeitszeit 37,5 Stunden beträgt, wird bei Amazon 38,75 Stunden gearbeitet. Amazon zahlt – weitgehend ohne Differenzierung zwischen verschiedenen Tätigkeiten – Stundenlöhne zwischen 9,85 € im 1. Jahr der Beschäftigung, im 2. Jahr 11,89 €, danach 12,23 €. Nach dem derzeitigen Flächentarifvertrag werden vergleichbare Tätigkeiten im Versandlager mit Stundenlöhnen zwischen 11,51 € bis 13,69 € vergütet.
Seit April 2013 kommt es in bisher sechs der acht Versandstandorte des größten deutschen Versandhändlers Amazon Immer wieder zu Arbeitsniederlegungen. Amazon verweigert jegliche Tarifbindung und behauptet immer wieder, man orientiere sich an den Tarifen der Logistikbranche. Doch von tarifvertraglichen Standards ist das Unternehmen weit entfernt, was man unter anderem daran sieht, dass kein Urlaubsgeld und nur ein verschwindend geringes, sogenanntes Weihnachtsgeld bezahlt werden. Beschäftigte bei Amazon klagen zudem immer wieder über Leistungshetze, akribische Überwachung am Arbeitsplatz und Feedback-Gespräche, in denen sie etwa wegen angeblicher Inaktivität von zum Teil nur einer Minute unter Druck gesetzt werden. Die Arbeitsbedingungen führen zu hohen Krankenquoten von bis zu 20 Prozent.
Amazon hat in Pforzheim rund 900 Beschäftigte. Diese Zahl erhöht sich jedoch saisonabhängig vor dem Weihnachtsgeschäft beträchtlich.
PM