BWIHK: Corona beschert dem Arbeitsmarkt weniger Nachfrage an Beschäftigen – Höher qualifizierte Fachkräfte fehlen den Betrieben auch in Krisenzeiten

Klaffte vor Corona im Südwesten noch eine Fachkräftelücke von 312.000 Beschäftigen, so ist der diesjährige Bedarf einem Überschuss von 64.000 Beschäftigten gewichen. Das ergibt eine aktuelle Hochrechnung zum Mitarbeiterbedarf in Baden-Württemberg durch den IHK-Fachkräftemonitor, einem von den Industrie- und Handelskammern im Land betriebenen Internettool zur Ermittlung des Fachkräftebedarfs, das regelmäßig aktualisiert und den neuesten Entwicklungen angepasst wird.

„Corona macht auch vor dem Arbeitsmarkt nicht halt“, sagt Marjoke Breuning, Vizepräsidentin beim Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) und Präsidentin der IHK Region Stuttgart, der für Fragen der Konjunktur und Beschäftigung zuständigen Kammer im Land. „Angesichts teils weiterhin eingeschränkter Geschäftstätigkeit von Betrieben und unklarer Perspektive ist der Bedarf an Beschäftigung eingebrochen. Dennoch bleibt ein Mangel vor allem an höher Qualifizierten sowie in bestimmten Branchen und Berufen erhalten.“ Zwar habe die Nachfrage nach höher qualifizierten Fachkräften deutlich abgenommen, dennoch bestehe auch in der Krise ein Mangel an Meistern, Fachwirten und Akademikern. Besonders der Gesundheitswirtschaft fehlen laut Breuning auch jetzt beruflich qualifizierte Fachkräfte. Gefragt sind weiterhin Techniker und Meister im Bereich Forschung und Entwicklung sowie Büro- und Sekretariatsfachkräfte mit Berufsausbildung. Im Gegensatz dazu sind Hilfskräfte und niedrig Qualifizierte besonders von der Corona-Krise betroffen. „Mit einer Ausbildung als Grundlage und einer aufbauenden Weiterbildung sind Beschäftigte weitestgehend zukunftssicher aufgestellt“, betont Breuning. „Die Herausforderungen des demografischen Wandels und einer immer älter werdenden Belgschaft bleiben mittel- und langfristig bestehen.“

Allerdings wird auch im kommenden Jahr die Nachfrage auf dem Fachkräftemarkt gebremst bleiben. Der Überschuss an Beschäftigten im Südwesten wird auf 113.000 wachsen. Die Prognose zeigt, dass sich in den darauffolgenden zwei Jahren die Fachkräftenachfrage aber wieder belebt und der coronabedingte Rückgang aufgeholt wird (2022: Mangel: 19.000, 2023: Mangel: 88.000).
Das demografiebedingte massive Ausscheiden von Fachkräften aus dem Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren lässt den Fachkräftemangel vermutlich wieder zu einem größeren Problem werden. Der IHK-Fachkräftemonitor prognostiziert, dass im Jahr 2030 den Unternehmen im Südwesten über 500.000 Fachkräfte fehlen werden, vorausgesetzt, die negativen wirtschaftlichen Fogen der Corona-Pandemie werden in den kommenden Jahren überwunden. „Umso wichtiger ist es, dass die Betriebe auch jetzt an der Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter festhalten“, appeliert Breuning.

Die Ergebnisse des Fachkräftemonitors zeigen in fast allen Branchen, welche massiven Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die einzelnen Betriebe und den Fachkräftemarkt hat:

Gesundheitswirtschaft
Lediglich die Gesundheitswirtschaft hat während der Pandemie einen höheren Fachkräfteengpass gegenüber der Vorkrisenprognose. Langfristig werden bis 2030 rund 50.000 Fachkräfte der Branche fehlen.

Industrie
Die Nachfrage nach Industrieerzeugnissen war in den Monaten April und Mai im Sinkflug. Seit Juni erholen sich die Auslandsgeschäfte der Unternehmen im Südwesten schrittweise von den Einschnitten der Krise. Die ausbleibende Nachfrage hat in der Industrie zu einem Überangebot an Fachkräften geführt: im Maschinenbau und in der Metallindustrie entsteht in diesem Jahr ein coronabedingter Fachkräfteüberschuss von jeweils 29.000, im Fahrzeugbau von 30.000. Bis 2030 wird wieder ein Fachkräftemangel in den Industriezweigen erwartet.

Einzel- und Großhandel
Der Einzel- und Großhandel war von der Corona-Pandemie durch Schließungen und Einschränkungen stark betroffen. Schon vor Corona war im Handel ein Überangebot an Fachkräften zu verzeichnen. Das Fachkräfteangebot im Einzelhandel ist aktuell gegenüber 2019 von 15.000 auf 52.000 angestiegen, im Großhandel von 5.000 auf 23.000.
Auch wenn die absolute Nachfrage nach Einzel- und Großhandelsfachkräften bis zum Jahr 2030 zurückgeht, wird ab dann ein Fachkräfteengpass von 21.000 prognostiziert

Gastgewerbe
Das Geschäft von Hotels und Gastronomiebetrieben war durch die Corona-Pandemie meist gar nicht und ist weiterhin nur eingeschränkt möglich. Die Nachfrage ist insbesondere in den Monaten März bis Mai massiv eingebrochen. Dementsprechend waren auch Fachkräfte im Gastgewerbe weniger nachgefragt. In der Vorkrisenzeit klagte das Gastgewerbe über einen Fachkräftemangel im Südwesten von 7.000. Dies ist einem aktuellen Überschuss an Fachkräften von 22.000 gewichen.

Kennzahlen für Baden-Württemberg im Überblick

Fachkräfteengpässe gesamt und nach Qualifikationsniveaus

Fachkräfteengpässe in Baden-Württemberg
  2020 2030
Alle Fachkräfte -64.000* 506.000
     Akademische Fachkräfte 26.000 46.000
     Beruflich Qualifizierte Fachkräfte -90.000* 461.000
           mit hoher Qualif. (Meister, Fachwirte …) 53.000 158.000
           mit mittlerer Qualif. (Ausgebildete, Gesellen) -143.000* 303.000

*Negativer Fachkräfteengpass heißt, dass das Fachkräfteangebot die Nachfrage übersteigt.

Fachkräfteengpässe nach Berufsgruppen

Berufe mit absolut größtem Fachkräftemangel im Jahr 2020:
·        Medizinische Gesundheitsberufe mit Berufsausbildung (46.000)
·        Meister/Techniker aus der Forschung und Entwicklung (18.800)
·        Büro- und Sekretariatsfachkräfte mit Berufsausbildung (15.000)
Berufe mit absolut größtem Fachkräftemangel im Jahr 2030:
·        Medizinische Gesundheitsberufe mit Berufsausbildung (50.000)
·        Meister/Techniker aus der Forschung und Entwicklung (49.500)
·        Büro- und Sekretariatsfachkräfte mit Berufsausbildung (49.000)

Fachkräfteengpässe im Vergleich der Regionen

Fachkräfteengpässe in Baden-Württemberg
Region 2020 2030
Baden-Württemberg -64.000 506.000
IHK Bodensee-Oberschwaben -4.000 31.000
IHK Heilbronn-Franken -13.000 43.000
IHK Hochrhein-Bodensee -8.000 23.000
IHK Karlsruhe 3.000 57.000
IHK Nordschwarzwald -4.000 24.000
IHK Ostwürttemberg -6.000 19.000
IHK Region Stuttgart -4.000 145.000
IHK Reutlingen -8.000 28.000
IHK Rhein-Neckar -7.000 48.000
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg -3.000 22.000
IHK Südlicher Oberrhein -10.000 42.000
IHK Ulm -1.000 24.000

*Negativer Fachkräfteengpass heißt, dass das Fachkräfteangebot die Nachfrage übersteigt.

Der IHK-Fachkräftemonitor ist ein Prognoseinstrument, das das Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR GmbH für die IHKs in Baden-Württemberg entwickelt hat und jährlich aktualisiert. Das aktuelle Update berücksichtigt die Effekte der Corona-Pandemie auf die konjunkturelle Entwicklung in Baden-Württemberg für das aktuelle Krisenjahr und die folgenden drei Jahre. Darüber hinaus eventuell auftretende Effekte auf die Struktur des Fachkräfteangebots sowie auf die Zusammensetzung der Nachfrage nach Branchen und Berufsgruppen werden nicht berücksichtigt, da noch keine entsprechenden Forschungsergebnisse vorliegen. Die WifOR GmbH plant diese sekundären Effekte mit der nächsten Aktualisierung im kommenden Jahr (2021) im Fachkräftemonitor zu berücksichtigen.

Der aktuelle Fachkräftemonitor 2020 ist unter www.fachkraeftemonitoring-bw.de als interaktive Webanwendung kostenlos und ohne Anmeldung verfügbar. Mit der Webanwendung lässt sich die Fachkräfteentwicklung in repräsentativen Wirtschaftszweigen und Regionen anschaulich visualisieren und vergleichen. Für die Berichterstattung können Grafiken in unterschiedlichen Formaten sowie die dazugehörigen Daten direkt aus dem Fachkräftemonitor heruntergeladen werden, zum Beispiel:

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHK). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es, in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik sowie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.

Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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