Azubis weiter dringend gesucht – keine Trendwende am Ausbildungsmarkt – In jedem dritten Betrieb im Südwesten bleiben Lehrstellen unbesetzt

Azubis werden weiter händeringend gesucht – eine Trendwende am Ausbildungsmarkt ist nicht in Sicht. Das ist der Tenor der aktuellen Online-Umfrage des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), an der sich rund 1.700 zumeist ausbildende Betriebe im Land beteiligt haben. Demnach bleiben in mehr als jedem dritten Unternehmen im Südwesten Lehrstellen unbesetzt.

Damit verändert sich der Ausbildungsmarkt weiter zu Ungunsten der Betriebe und erreicht den schlechtesten Wert seit Beginn der IHK-Ausbildungsumfragen im Jahr 2009. Nicht ganz so extrem, aber ebenfalls kritisch, ist die Lage in der Kernregion des Landes. In der Region Stuttgart kann ein Viertel der Betriebe Ausbildungsplätze nicht besetzen. „Für die Betriebe wird es zur immer größeren Herausforderung, ihren Fachkräftebedarf über die Ausbildung von eigenem Nachwuchs zu sichern“, sagt Johannes Schmalzl, Hauptgeschäftsführer der beim BWIHK für Ausbildungsfragen zuständigen IHK Region Stuttgart. „Viele Unternehmen bekommen überhaupt keine Bewerbungen mehr auf ihre ausgeschriebenen Ausbildungsplätze und immer mehr bekommen keine geeigneten“, ergänzt Schmalzl. Demnach haben rund hundert Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, gar keine Bewerbung mehr erhalten (Region Stuttgart 11 von 355 Umfrageteilnehmern). An dieser Situation habe sich seit 2017 nichts geändert. Um sieben Prozentpunkte zugenommen hat laut Umfrage dagegen der Anteil derjenigen Unternehmen, die keine geeigneten Bewerbungen erhielten (Vorjahr rund 70 Prozent der Betriebe – immer bezogen auf die Zahl der Betriebe, die nicht alle Plätze besetzen konnten). Das trifft auch auf die Unternehmen in der Region Stuttgart zu. „Wenn Betriebe Jahr für Jahr ihre Ausbildungsplätze nicht mehr oder nur teilweise besetzen können, hat das mittelfristig Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Unternehmen“, warnt Schmalzl.

Die größten Probleme bei der Besetzung ihrer Lehrstellen hat weiterhin das Gastgewerbe. Obwohl sich dort die Situation im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessert hat, konnten in den befragten Betrieben aus dieser Branche rund 60 Prozent ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen (Vorjahr 72 Prozent), gefolgt von 47 Prozent der befragten Verkehrsbetriebe (Vorjahr 41 Prozent) und rund 40 Prozent der Befragten aus der Baubranche (wie Vorjahr).

Dennoch lassen sich viele Unternehmen nicht entmutigen und steigern ihre Aktivitäten immer mehr, um Bewerberinnen und Bewerber für die betriebliche Ausbildung zu gewinnen. Neben dem klassischen Weg, dem Angebot von Praktikumsplätzen (60 Prozent), verbessern viele Unternehmen außerdem ihr Ausbildungsmarketing (54 Prozent) und erschließen zunehmend neue Bewerbergruppen, zum Beispiel Studienabbrecher  (43 Prozent).

Erfreulich sei, dass auch immer mehr Flüchtlinge in den Fokus der Ausbildungsbetriebe rücken. Rund ein Viertel der Befragten gab an, Flüchtlinge zu integrieren (Vorjahr rund 20 Prozent). Rund 16 Prozent der Befragten bilden jetzt schon Flüchtlinge aus (Vorjahr neun Prozent). Weitere 16 Prozent der befragten Unternehmen planen, dies in den kommenden zwei Jahren zu tun. Praktika und Einstiegsqualifizierungen, um geflüchteten Menschen den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern, bietet knapp ein Fünftel der Befragten an.

Positiv sei auch, dass im Vergleich zu 2017 nur noch ein Drittel der befragten Unternehmen Ausbildungshemmnisse feststellt, wie zum Beispiel schwierige konjunkturelle Entwicklung oder schlechte Erfahrungen mit der Ausbildung. Im vergangenen Jahr sind dies noch rund 36 Prozent der Befragten gewesen. Allerdings beklagen mehr Betriebe als im Vorjahr, nämlich fast 82 Prozent (2017: 80 Prozent), unklare Vorstellungen vom Beruf bei den Bewerbern. Auch hat sich die Ausbildungsreife gegenüber der letzten Umfrage noch einmal geringfügig verschlechtert. Rund 93 Prozent der befragten Betriebe bemängeln sie (Vorjahr 92 Prozent). Vor allem mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen, Leistungsbereitschaft und Motivation, Belastbarkeit sowie Disziplin haben sich nach Einschätzung der Betriebe weiter verschlechtert. Trotzdem geben laut Umfrage viele Betriebe auch leistungsschwächeren Schulabgängern eine Chance. Demnach gibt nur knapp jedes fünfte Unternehmen an, dass es nicht möglich sei, Leistungsschwächere zu fördern oder zu integrieren. Mehr als 40 Prozent der Befragten geben Nachhilfe, 37 Prozent nutzen begleitenden Hilfen der Agentur für Arbeit und 18 Prozent bieten betriebliche Einstiegsqualifizierung an.
Obwohl die Zufriedenheit der an der Umfrage beteiligten Unternehmen mit den Berufsschulen hoch ist – rund 87 Prozent der Befragten sind zufrieden oder sehr zufrieden (wie 2017) – sieht die übergroße Mehrheit der Unternehmen, die auf diese Frage geantwortet haben, noch Verbesserungsbedarf. Rund 60 Prozent der Unternehmen wünschen sich bessere Kommunikation zwischen Schule und Betrieb, 47 Prozent sehen Handlungsbedarf beim Unterrichtsausfall.

Nach Ansicht von 76 Prozent der Befragten nehmen IT-Kompetenzen bei der Rekrutierung neuer Azubis an Bedeutung zu (Vorjahr 70 Prozent). Den Schwerpunkt sehen die Betriebe bei selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln, Kommunikationsfähigkeit und strukturiertem Arbeiten. Die Medienkompetenz ihrer Azubis bei Ausbildungsbeginn schätzen die meisten Betriebe auf Basisniveau ein. Dabei punkten die meisten Auszubildenden erwartungsgemäß im Bereich Social Media, wogegen Kompetenzen im Datenschutz fehlen.

Laut Umfrage hat neben der Ausbildung auch die Weiterbildung in den befragten Südwestbetrieben einen hohen Stellenwert. Der Fokus liegt dabei auf firmeneigenen Seminaren (70 Prozent der Befragten). Über die Hälfte der Betriebe setzt aber auch auf Aufstiegsfortbildung sowie Selbstlernen mit digitalen und nicht-digitalen Medien. Soft Skills, wie Problemlösungsfähigkeit und Kreativität, sowie IT- und fachspezifische Kenntnisse sind die wichtigsten Weiterbildungsthemen für die Betriebe. Change-Management gewinnt vermehrt an Bedeutung. Laut Südwest-IHKs ist der Beratungsbedarf zur Weiterbildung durch die Kammern deutlich angestiegen. Diese Kompetenz erwarten die befragten Unternehmen vor allem von ihren IHKs, Branchenverbänden und der Agentur für Arbeit.

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) ist eine Vereinigung der zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHK). In Baden-Württemberg vertreten die zwölf IHKs die Interessen von mehr als 650.000 Mitgliedsunternehmen. Zweck des BWIHK ist es, in allen die baden-württembergische Wirtschaft und die Mitgliedskammern insgesamt betreffenden Belangen gemeinsame Auffassungen zu erzielen und diese gegenüber der Landes-, Bundes- und Europapolitik sowie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und anderen Institutionen zu vertreten.

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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