Dass bei manchen Themen jetzt vor der Wahl im Bund besonders Gas gegeben wird, wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen aber eine Verschleppung in die nächste Legislaturperiode droht, stößt Wolfgang Grenke, als Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) Sprecher für 650.000 Unternehmen im Südwesten, durchaus sauer auf: „Es geht mir hier – mit Blick auf die digitale Disruption und die notwendigen Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) im Zuge der Digitalisierung von Geschäfts- und Produktionsmodellen wie auch in unserer Mobilität – um die Verbesserung der Forschungsförderung für die Wirtschaft, welche im knallharten Wettbewerb mit Amerika und Asien steht. Wir müssen hier dringend weiter vorankommen. Der richtige Zeitpunkt für eine steuerliche Forschungsförderung für Unternehmen als Ergänzung zur bisher rein projektbezogenen Förderung ist doch gerade jetzt, wenn die Wirtschaft brummt und die Steuereinnahmen auf Rekordniveau sind.“
Eine BWIHK-Studie zur Technologiepolitik zeigt, dass ein zunehmender Anteil an Unternehmen in Baden-Württemberg Schwierigkeiten hat, in Forschung und Entwicklung (FuE) zu investieren. Einer ebenfalls zunehmenden Zahl an Unternehmen gelingt es dagegen, ihr Innovationspotenzial durch umsatzanteilig höhere FuE-Investitionen als noch vor einigen Jahren weiter zu steigern. Das heißt, die bereits bestehende „FuE-Investitionsschere“ öffnet sich weiter. Am weitesten klafft sie bei den kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern auseinander. „Es ist bedenklich, wenn der Unterschied bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) am größten ist. Denn sie sind bislang das Rückgrat der baden-württembergischen Wirtschaft und stellen das Gros unserer sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Es besteht offensichtlich die Gefahr, dass viele KMU beim Thema Innovationen abgehängt werden. Hier brauchen wir dringend eine Trendumkehr“, fordert der BWIHK-Präsident.
Auch eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zeigt, dass der Anteil von FuE-Ausgaben gemessen am Umsatz – die so genannte FuE-Intensität – bei KMU in Deutschland in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. „Ich bin überzeugt, dass eine steuerliche FuE-Förderung dabei helfen kann, eine Trendumkehr gerade bei den kleinen und mittleren Unternehmen zu erreichen. Denn die steuerliche Absetz- oder Anrechenbarkeit von FuE-Ausgaben setzt noch breiter an als dies die bisherige rein projektbezogene, oft bürokratie- und berichtslastige Förderung vermag“, erklärt Grenke weiter. „Ein Indikator, dass dies ein probates Mittel ist, zeigt der EU-Vergleich. Unter den 28 Mitgliedsstaaten gewähren mittlerweile nur noch Deutschland und Estland der Privatwirtschaft keine steuerlichen Vergünstigungen für FuE-Aktivitäten.“
Jüngst hat Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka betont, dass weitere Stimulationen von FuE-Tätigkeiten ohne steuerliche Förderung nicht erreichbar seien. Die steuerliche Absetzbarkeit solle auch ihrer Auffassung nach in Ergänzung zur bewährten Projektförderung erfolgen. Dazu Grenke: „Nach unserem Dafürhalten sollte sich die steuerliche Forschungsförderung am Volumen des gesamten FuE-Budgets eines Unternehmens orientieren, nicht nur an den Personalkosten. Zudem sollte sie allen Unternehmen offenstehen und auch die Auftragsforschung umfassen. So würden auch innovative Startups und kleine und mittlere Unternehmen profitieren, die oft keine eigenen Forschungsabteilungen haben.“ Vor diesem Hintergrund betont der BWIHK-Präsident abschließend: „Eine steuerliche Forschungsförderung für Unternehmen in Deutschland ist überfällig, weshalb das Thema auf der Tagesordnung des Bundestags diese Woche stehen müsste. Den Worten müssen endlich Taten folgen.“
PM