ÖPNV-Finanzierungsreform bringt besseren Öffentlichen Personennahverkehr für alle

Die Finanzierungsreform für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Baden-Württemberg macht das Bus- und Bahnfahren zwischen Main und Bodensee künftig wesentlich attraktiver. Grundlage dafür ist die vom Kabinett am 20. Juni 2017 beschlossene Neuordnung der Finanzströme zwischen Land, Kommunen und Verkehrsunternehmen. Verkehrsminister Winfried Hermann, MdL sagte am Montag, 26. Juni in Stuttgart: „Mit der ÖPNV-Finanzierungsreform kommen wir dem Ziel näher, mehr Menschen in Busse und Bahnen zu bringen und zwar in allen Städten, Gemeinden und Landkreisen des Landes.“

Am vergangenen Dienstag hatte der Ministerrat den Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNVG) und des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) beschlossen. Zuvor hatten sich das Verkehrsministerium, der Landkreistag, der Städtetag und die beiden Verkehrsverbände VDV Baden-Württemberg (Verband deutscher Verkehrsunternehmen) und WBO (Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer) sowie die Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg auf eine ÖPNV-Finanzierungsreform verständigt.

Nun muss noch der Landtag in zwei Lesungen über die Gesetzentwürfe beraten. Mit ihrer Verabschiedung wird der Weg dafür frei, dass künftig die Stadt- und Landkreise direkt das Geld aus dem kommunalen Finanzausgleich für die Finanzierung des Linienbusverkehrs zugewiesen bekommen und diese Mittel vom Jahr 2021 an schrittweise von 200 Millionen auf 250 Millionen Euro pro Jahr steigen. Bereits bisher sind sie für die Organisation der Busverkehre verantwortlich. In Zukunft werden ihnen auch die Finanzmittel direkt zur Verfügung stehen. Diese Mittel haben sich insbesondere in ländlichen Regionen zu einer zentralen Finanzierungssäule für das gesamte ÖPNV-Angebot entwickelt. Damit können die Kreise den ÖPNV in der Fläche zielgerichtet stärken.

Die Reform werde in zwei Stufen umgesetzt: In der ersten Stufe (zum 1. Januar 2018) werden Mittel in Höhe der bisherigen Ausgleichsleistungen (rund 200 Millionen Euro pro Jahr) unter Beibehaltung der bisherigen Verteilung zwischen den Kreisgebieten (Status Quo-Verteilung) vollständig kommunalisiert. Minister Hermann erklärte: „Wir stellen damit Stabilität im ÖPNV-System sicher und geben den kommunalen Aufgabenträgern sowie den Verkehrsunternehmen genügend Zeit für eine Anpassung.“

In der zweiten Stufe vom Jahr 2021 an werden die Mittel stufenweise um 50 Millionen Euro auf 250 Millionen Euro (ab 2023) erhöht werden. Der Betrag wird je zur Hälfte aus originären Landesmitteln und aus dem kommunalen Finanzausgleich erbracht werden. Daher berücksichtige die Gesetzesnovelle die durch die Reform ebenfalls notwendige Anpassung des Finanzausgleichsgesetzes. Damit werde künftig mehr Geld für einen guten ÖPNV im Land zur Verfügung stehen.

Gleichzeitig sieht die Reform vor, dass die Status-Quo-Mittelverteilung durch einen weiterentwickelten Verteilungsschlüssel stufenweise vom Jahr 2021 an abgelöst wird. Dieser enthalte raumstrukturelle sowie ÖPNV- und leistungsbezogene Parameter. Der Minister erläuterte: „Wir wollen mit einem Mix aus stabilisierenden Faktoren, wie der jeweiligen Fläche des Zuständigkeitsgebiets der Aufgabenträger und dynamischen Elementen, wie dem Angebotsumfang und der Fahrgastentwicklung in dem betreffenden Gebiet, eine gerechte finanzielle Grundlage für einen guten ÖPNV im ländlichen Raum und in den urbanen Regionen sicherstellen.“ Durch die stufenweise Erhöhung der Mittel werde sichergestellt, dass es „keine Verlierer, aber viele Gewinner“ gebe. „Die Reform wird dazu beitragen, den ÖPNV landesweit auszubauen und die Fahrgastzahlen wesentlich zu steigern.“

Sichergestellt wird auch, dass die Zeitkarten im Ausbildungsverkehr, die von Schülerinnen und Schülern genutzt würden, mindestens um 25 Prozent gegenüber den Fahrscheinen für Erwachsene vergünstigt werden. Hierfür müssen die Stadt- und Landkreise zwingend allgemeine Vorschriften nach europäischem Recht erlassen. Mit den übrigen, nicht hierfür benötigten Mitteln können die kommunalen Aufgabenträger weitere Rabatte umsetzen oder diese zur Finanzierung von Mehrverkehren, als einem besseren Fahrplanangebot verwenden.

 

Hintergrund:

Die bisherigen Ausgleichsleistungen nach § 45a PBefG waren seit 2007 pauschaliert. Dies ist in dieser Form nach europäischem Recht fragwürdig und muss in einen rechtskonformen Zustand überführt werden. Über ihre Kernfunktion (Rabattierung von Fahrscheinen des Ausbildungsverkehrs) hinaus haben sich die Ausgleichsleistungen zu einer wichtigen Finanzierungssäule des ÖPNV entwickelt.

Mit der Reform macht das Land von einer Öffnungsklausel im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) Gebrauch und ersetzt die bundesgesetzliche durch eine landesgesetzliche Regelung. „Herzstück der Reform“ ist die Zusammenführung der Finanzverantwortung mit der Zuständigkeit der Stadt- und Landkreise als kommunale Aufgabenträger für Busse und Stadtbahnen zum 1. Januar 2018. Dabei werden die Interessen der Verkehrsunternehmen, die bislang einen direkten gesetzlichen Ausgleichsanspruch gegen das Land hatten, durch die Ausgestaltung der Reform gewahrt. Dies gilt insbesondere auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen des WBO. Es ist künftig Sache des jeweiligen Aufgabenträgers, das für ihn passende Instrument zu nutzen.

Der gefundenen Einigung ging ein jahrelanger Beteiligungs- und Moderationsprozess voraus. Die Reform wurde von der vorherigen Landesregierung 2014 zurückgestellt und nunmehr neu verhandelt. Zukünftige Handlungsgrundlage für die kommunalen Aufgabenträger ist die Rechtsverordnung (EG) Nr. 1370/2007. Hiernach können allgemeine Vorschriften zur Festsetzung von Höchsttarifen erlassen oder öffentliche Dienstleistungsaufträge ausgeschrieben werden.

PM

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