Sind die Eltern nicht motiviert, sind es auch die Kinder nicht, zeigt eine Studie der Tübinger Bildungsforscher
Ob sich die Unterstützung der Eltern beim Lernen positiv oder negativ auf die Leistung ihrer Kinder in der Schule auswirkt, ist davon abhängig, wie motiviert die Eltern sind. In einer Studie haben Wissenschaftler vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen herausgefunden, dass die Leistungen von Kindern, deren Eltern sich für Mathematik interessierten und ihre eigene fachliche Kompetenz für Mathematik hoch einschätzten, besser waren als die Leistungen von Kindern, deren Eltern sich wenig für Mathematik interessierten und sich selbst nicht so gut in Mathematik einstuften – unabhängig von der Intensität der elterlichen Unterstützung. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift Child Development veröffentlicht.
Der familiäre Hintergrund spielt eine entscheidende Rolle für die Motivation und die Leistung von Schülern. Frühere Studien haben gezeigt, dass ein hohes Interesse der Eltern an der schulischen Entwicklung der Kinder im Mittel mit einem günstigeren Leistungsverlauf einhergeht. Es blieb allerdings unklar, welche Art von elterlicher Unterstützung denn nun genau zum Erfolg führte und welche das Gegenteil bewirkt. Sind die Eltern beispielsweise zu engagiert, können die Kinder das als Kontrolle auffassen. Ihr Selbstvertrauen in die eigene Leistung kann dadurch sinken und ihre Leistung sich verschlechtern. Die Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher der Universität Tübingen wollten deshalb herausfinden, welche Faktoren innerhalb der Familie sich günstig auf die Schulleistung auswirken und welche eher hinderlich sind. Dazu befragten sie über 1.500 Kinder aus neunten Klassen sowie ihre Eltern.
Die Eltern mussten zu Beginn der Studie Fragen bezüglich ihrer Unterstützung in Mathematik beantworten, zum Beispiel, ob sie bei den Hausaufgaben helfen. Zudem sollten sie darüber Auskunft geben, wie sie ihre eigenen mathematischen Fähigkeiten einschätzen, wie viel Unterstützung ihre Kinder brauchen, wie viel Zeit und Energie sie für die Unterstützung ihrer Kinder aufbringen und ob die Familie grundsätzlich an Mathematik interessiert ist. Die Schülerinnen und Schüler füllten zu Beginn der Studie ebenfalls Fragebögen aus, in denen sie ihre eigenen Fähigkeiten einschätzten und über ihren Arbeitsaufwand und ihr Interesse für das Fach Mathematik berichteten. Nach fünf Monaten wurden sie erneut befragt, zusätzlich wurden ihre Leistungen und Noten ausgewertet.
Die Tübinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden in ihrer Annahme bestärkt, dass nicht die Unterstützung per se zu besseren Leistungen führt, sondern es ganz bestimmte Merkmale innerhalb der Familie gibt, die gute Leistungen begünstigen. „Die besten Entwicklungen fanden sich bei Kindern, deren Eltern eine hohe Wertschätzung der Mathematik besaßen und die ihre eigenen Fähigkeiten als hoch einschätzten“, erklärt Isabelle Häfner, Erstautorin der Studie. „Diese Kinder erzielten eine höhere Leistung, egal, ob die Eltern ihnen nun konkret bei den Schulaufgaben halfen oder nicht.“ Deshalb sei es problematisch, gute oder schlechte Leistungen der Kinder nur darauf zurückzuführen, ob die Eltern sie bei ihren Aufgaben unterstützen.
Die ungünstigsten Bedingungen für die Leistung der Kinder waren in Familien zu finden, in denen die Eltern ihre Kinder zwar intensiv unterstützten, selbst aber kein Interesse an Mathematik hatten und ihre eigenen Fähigkeiten auch nicht hoch einschätzten. Deren Kinder hatten nicht nur schlechtere Noten, sondern konnten sich auch nicht für Mathematik begeistern. „Helicopter-Mütter können ihren Kindern schaden, wenn sie sich selbst nicht für das jeweilige Fach interessieren, in dem sie ihre Kinder unterstützen wollen“, erklärt Häfner. Dieses komplexe Zusammenspiel von günstigen und ungünstigen Faktoren in Bezug auf die Leistung von Schülerinnen und Schülern müsse in weiteren Studien nun näher untersucht werden.
Originalpublikation:
Häfner, I., Flunger, B., Dicke, A.-L., Gaspard, H., Brisson, B. M., Nagengast, B., & Trautwein, U. (2017). The role of family characteristics for students’ academic outcomes: A person-centered approach. Child Development. doi:10.1111/cdev.12809
PM