Betriebsräte aus Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Baden-Württemberg haben gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di alle CDU-Bundestagsabgeordneten im Land zu regionalen Gesprächen eingeladen. Anlass ist die Sorge um massenhafte Arbeitsplatzverluste sowie Sozial- und Lohndumping im ÖPNV, wie in Pforzheim im vergangenen Jahr bereits geschehen. Wenn die CDU im Bundestag einem Bundesratsantrag zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zustimmt, könnten bei eigenwirtschaftlichen Anträgen wie in Pforzheim Arbeitsplätze künftig erhalten werden.
Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter: „Pforzheim darf sich nicht wiederholen. Das Ende des über hundert Jahre in öffentlicher Hand betriebenen Personennahverkehrs in dieser Stadt zeigt exemplarisch die Folgen einer auf die Spitze getriebenen Privatisierungspolitik. Leidtragende sind zuerst die Beschäftigten, aber später auch die Bürgerinnen und Bürger, die auf die gewohnte Qualität verzichten werden müssen.“
Verträge im Nahverkehr werden im Schnitt alle zehn Jahre neu vergeben. Den Beschäftigten drohen dann Arbeitsplatzverlust sowie Absenkung von Löhnen und Arbeitsbedingungen. Bisher sind soziale und ökologische Vorgaben nur bei Ausschreibungen und Direktvergaben möglich, konkurrierende sogenannte eigenwirtschaftliche Antragsteller müssen diese nicht einhalten, genießen jedoch Vorrang.
So ist es möglich, Eigenwirtschaftlichkeit allein durch Absenkung von Löhnen und Arbeitsbedingungen zu erreichen, wie in Pforzheim geschehen: Die Gehälter der städtischen SVP lagen um mehrere hundert Euro im Monat über den nun gezahlten Gehältern der Bahntochter RVS, die den Zuschlag erhalten hatte. Unternehmen mit Tarifbindung und Beschäftigten, die sich durch lange Betriebszugehörigkeiten Anspruch auf höhere Lohnstufen erworben haben, sind in diesem Wettbewerb chancenlos. Kommunen verlieren ihr Verkehrsunternehmen mit der Folge hoher Abwicklungskosten, private Unternehmen werden zur Aufgabe oder Tarifflucht gezwungen.
Auch in Baden-Württemberg finden in den nächsten Jahren weitere Vergaben statt.
Der Bundesrat hat nun – mit den Stimmen der rot-grünen Landesregierungen – einem Änderungsantrag zum Personenbeförderungsgesetz zugestimmt. Danach haben die Kommunen künftig das Recht, Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen sowie qualitative ökologische Anforderungen bei Vergaben im Nahverkehr vorzugeben.
„Zur Umsetzung braucht es jetzt noch eine Mehrheit im Bundestag. Und dafür braucht es die CDU“, so ver.di Landesfachbereichsleiter Andreas Schackert: „Wir brauchen einen besseren öffentlichen Personennahverkehr, nicht einen schlechteren.“
Fahrtausfälle wegen Fahrermangel und unsicherer Zukunft der Arbeitsplätze hat es bereits mehrfach gegeben, unter anderem in den Verkehrsverbünden Rhein-Main (RMV), Rhein-Neckar (VRN) oder in Hessen.
„Ein Szenario wie in Pforzheim wollen wir in Baden-Württemberg künftig verhindern. Deshalb brauchen wir eine breite Zustimmung der Politik“, so Schackert.
PM