Tierwohllabel von Minister Schmidt verhindert Umbau zu artgerechten Haltungsbedingungen / Bioland-Bauern zeigen wie Tierwohl wirklich funktioniert
Ein freiwilliges Label, dessen Einstiegsstufe geringer ist als der gesetzliche Standard soll für mehr Tierwohl in deutschen Ställen sorgen, so die Vorstellung von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. „Dieses Label ist Verbrauchertäuschung“, sagt Jan Plagge, Präsident von Bioland. „Es gaukelt bessere Haltungsbedingungen vor, die von der Mehrheit der Verbraucher erwartet werden. Gleichzeitig zementiert es den Status Quo und verhindert Investitionen in den Umbau zu artgerechten Stallsystemen.“
Minister Schmidt plant ein Label, das möglichst breit verwendet werden soll. Möglich machen will er das durch die Orientierung der Kriterien der Einstiegsstufe an den bereits bestehenden Bedingungen am „breiten Markt“. Das heißt: Landwirte sollen ohne oder bereits mit geringsten Investitionen in die Tierhaltung das Label für ihre Produkte verwenden können.
Tierwohllabel trotz kupierter Schweineschwänze
In der Schweinehaltung bedeutet das noch nicht einmal die Einhaltung der gesetzlichen Standards. So soll das Schwänzekupieren weiter erlaubt sein, gleiches gilt für das Abschleifen der Eckzähne. Um ohne diese schmerzhaften Eingriffe Schwanzbeißen zu verhindern, bräuchten die Tiere ausreichend Platz und eine Auftrennung der Buchten in Aktivitäts-, Liege- und Kotbereiche. Das sieht die Einstiegsstufe aber nicht vor. Ein weiteres, gravierendes Defizit: Für Zuchtsauen fehlen wichtige Kriterien, wie das Verbot der Haltung in Kastenständen. So bleibt das Tierwohl in einem zentralen Teil der Fleischerzeugung unberücksichtigt.
Biolandbau ist Tierwohl in der Praxis
Wie das Tierwohl auf Betrieben wirklich verbessert wird zeigen Landwirte wie Wilhelm Schulte-Remmert. 2015 hat der Schweinehalter aus Nordrhein-Westfalen seinen Betrieb auf die Bewirtschaftung nach Bioland-Kriterien umgestellt. Dazu hat er den Sauen-Bestand von 450 auf 150 reduziert, einen großen, hellen und gut durchlüfteten Stall gebaut und chemische Spritz- und Düngemittel von seinen Äckern verbannt. „Wir haben den Umbau unseres Betriebes nach den Bedürfnissen unserer Schweine ausgerichtet“, sagt Wilhelm Schulte-Remmert. „Die Sauen können jetzt ihre natürlichen Verhaltensweisen ausleben. Als ich gesehen habe, wie die Tiere auf ihre neugewonnene Freiheit in der Bioland-Haltung reagieren, war mir klar – wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert.“
Tierhaltung muss grundlegend geändert werden
Bioland fordert ein stimmiges Gesamtkonzept zum Umbau der Tierhaltung. Dafür ist zunächst die Zielperspektive der zukünftigen Tierhaltung festzulegen. In der Schweinehaltung würde das bedeuten: Mastschweineställe mit deutlich mehr Platz und Auslauf sowie die Abschaffung des Kastenstandes in der Sauenhaltung. Damit ein erfolgreicher Umbau der Schweinhaltung gelingt, muss der gesamte Instrumentenkasten von gesetzlichen Regelungen, klarer Kennzeichnung und gezielter Förderung genutzt werden.
Nach Schätzung des wissenschaftlichen Beirates kostet der Umbau der Tierhaltung jährlich drei bis fünf Milliarden Euro. Staatliche Investitionszuschüsse für den Stallbau dürfen zukünftig nur fließen, wenn die gesetzlichen Vorgaben für die Bio-Tierhaltung eingehalten werden. Dies konzentriert die Förderung auf artgerechte Haltungssysteme und ermöglicht es den Betrieben, ihre Produktion den Marktentwicklungen anzupassen.
Bioland fordert verpflichtende Kennzeichnung
Um eine vollständige Transparenz am Fleischmarkt zu gewährleisten, fordert Bioland eine Pflichtkennzeichnung für das gesamte Fleischsortiment. Dafür müssen alle gängigen Haltungssysteme in vier Stufen 0 (Bio), 1, 2, 3 (gesetzlicher Standard) eingruppiert werden.
PM