Ver.di Baden-Württemberg wird weiterhin gegen offenkundig rechtswidrige Sonntagsöffnungen vorgehen
Martin Gross, stellvertretender ver.di Landesbezirksleiter: „Der Versuch einiger Kommunen, ver.di den schwarzen Peter für ihre eigene klar rechtswidrige Genehmigungspraxis in die Schuhe zu schieben, empfinden wir zunehmend als Provokation. Das ist wie, wenn ein geblitzter Autofahrer die Polizei beschuldigt, ihn wegen zu schneller Fahrt erwischt zu haben.“
Zum aktuellen Fall in Sindelfingen, wo der Verwaltungsgerichtshof gestern den Eilantrag von ver.di lediglich mit der Begründung abgelehnt hat, dass so kurzfristig die Nachteile der Betroffenen nicht für eine Absage ausreichen, erklärt ver.di: Die Stadt Sindelfingen hat ver.di zu den geplanten Sonntagsöffnungen nicht angehört. Die Stadt Sindelfingen wurde von ver.di Anfang September angeschrieben, mit der Bitte um Aufklärung und Gespräch in dieser Sache, trotz mehrmaliger Intervention fand kein Gespräch statt mit der Begründung, die Öffnung sei rechtssicher. Erst daraufhin hat ver.di kurzfristig Klage erhoben, da die wesentlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren: Der Anlass für die Sonntagsöffnung ist ein Kinderfest, das offenkundig der Annex der Öffnung ist, und nicht umgekehrt. Der Einsatz von Shuttlebussen vom Breuningerland zur Innenstadt beweist deutlich den fehlenden räumlichen Zusammenhang.
Auch in Ludwigsburg sieht ver.di einige der für 2017 geplanten Öffnungen als rechtswidrig an. Gespräche werden derzeit geführt.
Cuno Brune-Hägele, ver.di Geschäftsführer in Stuttgart: „Schon die Eigenwerbung der jeweiligen Veranstaltungen beweist die Rechtswidrigkeit: In Stuttgart war für den abgesagten 2. Oktober von einem Shoppingtag die Rede, in Ludwigsburg spricht man ganz unverhohlen von Freujahrsshopping oder Shoptober.“
Bernhard Franke, ver.di Landesfachbereichsleiter: „Der Sonntag ist der letzte Schutzwall gegen völlig ausgeuferte Arbeitszeiten im Handel, von Montag bis Samstag, rund um die Uhr. Jetzt soll offenkundig flächendeckend auch der Sonntag durchlöchert werden. Dort, wo das rechtswidrig geschieht, werden wir auch künftig nicht einfach wegschauen.“
Der arbeitsfreie Sonntag ist durch das Grundgesetz geschützt. Die Rechtsprechung dazu bezieht sich auf diesen strengen Schutz. Es geht dabei keineswegs nur um den Schutz der Beschäftigten, deren Interessen von ver.di vertreten werden, sondern ausdrücklich auch um den besonderen Schutz der gesellschaftlichen Bedeutung des gemeinsamen freien Sonntages. ver.di engagiert sich deshalb seit Jahren in der „Allianz für den freien Sonntag und sozialverträgliche Arbeitszeiten in Baden-Württemberg“ in einer landesweiten Initiative von kirchlichen und gewerkschaftlichen Verbänden, die von Organisationen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen unterstützt wird.
„Dies ist eine gesellschaftliche Auseinandersetzung, es geht um ein grundgesetzlich geschütztes Gut und keine kleine Bagatelle“, so Franke.
Aufgrund der bundesweiten inflationären Zunahme von Verkaufsöffnungen an Sonn- und Feiertagen, die sich im Land auf Paragraf acht des Ladenöffnungsgesetzes Baden-Württemberg stützt, hatte das Bundesverwaltungsgericht im November 2015 klare Kriterien aufgestellt, die eine Sonntagsöffnung rechtfertigen lassen.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sieht zwingend vor, dass der Anlass für die Sonntagsöffnung prägend ist: Er (der Anlass) muss selbst mehr Publikum anlocken als die Ladenöffnung und er muss in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Öffnung stehen.
Das Bundesverfassungsgerichts hat am 1. Dezember 2009 eine grundsätzliche Entscheidung getroffen, in der neben der religiösen Funktion explizit die soziale Bedeutung des Sonntags und der damit verbundenen Taktung des sozialen Lebens herausgearbeitet wurde: Dem Sonntag und den religiös-christlich ausgerichteten Feiertagen kommt nach dieser Entscheidung auch die Aufgabe zu, Schutz vor einer weitgehenden Ökonomisierung des Menschen zu bieten.
PM