Warum Männer im Alter häufiger als Frauen suizidgefährdet sind, erläuterte der Amtsarzt Andreas Kadel vom Gesundheitsamt Göppingen vor dem Kreisseniorenrat in dessen jüngster Sitzung.
Die Statistik sagt aus, so Kadel, dass sich täglich in Deutschland durchschnittlich 22 Männer („Das sind quasi zwei Fußballmannschaften“) selbst das Leben nehmen. Die einschlägige Forschung habe herausgefunden, dass bei Aufklärung der Hausärzte und der Bevölkerung über die Früherkennungs-zeichen eines drohenden Suizids, die Selbstmordquote deutlich gesenkt werden könne. Das sind die Ergebnisse einer Langzeitstudie, die der deutsche Psychiater, Professor Rutz 1995 auf der schwedischen Insel Gotland durchgeführt hatte.
Die Früherkennungszeichen für eine akute Suizidgefährdung wurden zuerst von dem österreichischen Arzt Erwin Ringel wissenschaftlich beschrieben. In seinem Werk, „Der Selbstmord. Abschluss einer krankhaften Entwicklung“, von 1953 beschreibt er die tragische Verkettung mehrerer Lebensumstände beginnend von der sogenannten Einengung über die Depression zur Aggression bis hin zur Aggressionsumkehr und schlussendlich dem Suizid.
„Der Verlust von Freude, Antrieb, Kraft oder Gefühlen wird als unerträglich empfunden, führe bei vielen Männern zur Aggressivität gegen andere und gegen sich selbst. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass 25 Prozent der Männer über 65 Jahren und 43 Prozent der Männer zwischen 75 und 79 Jahren als depressiv einzuordnen sind. Das Risiko eines drohenden Suizids steigt mit höherem Lebensalter. Mögliche Gründe für einen Suizid seien subjektiv empfundene Einsamkeit (97 %), Armut (27 %), der Verlust des Partners (27 %) oder eine schwere Erkrankung (78 %).
Auf die Frage, warum Männer suizidgefährdeter sind als Frauen, sagte Kadel, dass die Frauen offenkundig „lebensklüger“ wären und mit Entwicklungen und Schicksalen, aber auch mit Verlusten konstruktiver umgehen können als Männer. Eine streng wissenschaftlich fundierte Erklärung dafür gäbe es aber bisher nicht.
Andreas Kadel empfahl gegenüber vermuteten Suizidgefährdeten absolute Offenheit. „Man darf sie im vertrauten Gespräch direkt fragen, ob sie sich mit Selbstmordgedanken tragen und sollte ihnen im Gespräch vor allem zuhören und sie in ihrem Leid oder ihrer Trauer ernst nehmen und nicht kritisieren“. Ein Patentrezept im Umgang mit Suizidgefährdeten gäbe es aber nicht.
Wer sich näher mit dem schwierigen Thema befassen wolle, könne sich mit Büchern der Experten Dr. Wolfersdorf, Prof. Rutz und Ringel sachkundig machen, die umfassende Grundlagenforschung betrieben haben. Eine Broschüre „Wenn das Altwerden zur Last wird – Suizidprävention im Alter“ kann beim Publikationsversand der Bundesregierung, Postfach 481009, 18132 Rostock, angefordert werden. Aber auch Andreas Kadel selbst steht im Gesundheitsamt Göppingen für Fragen und Auskünfte gerne zur Verfügung.
PM