40.000 Menschen demonstrieren friedlich in Stuttgart gegen CETA und TTIP

40.000 Menschen demonstrieren zur Stunde in der Stuttgarter Innenstadt friedlich gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Nach der Auftaktkundgebung am Mittag startete ein Demonstrationszug vom Hauptbahnhof über Rotebühlplatz und Charlottenplatz zurück zur Schillerstraße vor dem Bahnhof. Der Zug wurde begleitet von einem vielfältigen Kulturprogramm – Straßentheater, Bands, Trommlern sowie Künstlerinnen und Künstlern. Die letzten Demonstrierenden waren losgelaufen, als die Spitze des Zuges bereits den Charlottenplatz erreicht hatte. Momentan findet die Abschlusskundgebung statt.

„Die weit über unseren Erwartungen liegende, hohe Teilnehmerzahl zeigt deutlich, wie stark die Ablehnung der Freihandelsabkommen ist“, resümierten die Veranstalter: „Die Demo ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen sind in Stuttgart heute gemeinsam auf die Straße gegangen.“

Bundesweit haben 320.000 an sieben Demonstrationen teilgenommen. In Stuttgart hatte ein breites gesellschaftliches Bündnis Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg zum Protest aufgerufen. Die Organisatoren der Stuttgarter Demo fordern den sofortigen Stopp der Verhandlungen zu TTIP und die Aussetzung der Ratifizierung von CETA.

Das Bündnis in Baden-Württemberg umfasst Umweltschutzverbände, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Sozialverbände, kultur-, demokratie-, entwicklungspolitische und globalisierungskritische Organisationen, Initiativen für Verbraucherschutz und nachhaltige Landwirtschaft sowie die katholischen und evangelischen Kirchen.

In Stuttgart sprechen 14 Rednerinnen und Redner

Kirchen: Fairer, nachhaltiger und partnerschaftlicher Handel

Für die evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg und für die Erzdiözese Freiburg und die Diözese Rottenburg-Stuttgart der katholischen Kirche sagt Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden: „Es geht uns nicht in erster Linie um ein Nein. Unsere Vision geht weiter: Wir wollen Globalisierung gerechter gestalten! ‎Wir treten für einen Handel ein, der fair, nachhaltig und partnerschaftlich ist. Wir fordern als Kirchen und Entwicklungshilfeorganisationen, dass sich gerade das wirtschaftliche Handeln an Gerechtigkeit und Nächstenliebe orientiert. Alles andere ist nicht enkeltauglich!“

BUND: Nachhaltige Politik und Gemeinwohlinteressen vor Partikularinteressen

„Rund 80 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher wollen keine Gentechnik auf ihren Tellern. Bei uns in Europa liegt der Anteil der Gentech-Fläche an der gesamten Ackerfläche bei 0,1 Prozent, in Kanada bei 27 Prozent. Die Zivilgesellschaft hat in Europa im Umweltschutz sehr viel erreicht. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen! Wenn unsere Parteien für CETA und TTIP stimmen, befeuern sie die Entfremdung zwischen Bürgerschaft und Politik. Die Mehrheit möchte eine nachhaltige Politik, die allen Bürgerinnen und Bürgern dient und nicht allein der Wirtschaft. Deshalb sagen wir „Nein“ zu CETA und TTIP“, so Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND Baden-Württemberg.

Gewerkschaften: Breiter gesellschaftlicher Widerstand gegen Konzern-Interessen

Martin Gross, stellvertretender Landesbezirksleiter von ver.di Baden-Württemberg, spricht für den DGB und seine acht Mitgliedsgewerkschaften: „In diesem Herbst haben wir eine historische Chance. Zum ersten Mal können wir ein neoliberales Projekt globalen Ausmaßes stoppen, bevor es in Kraft getreten ist. Wenn es uns diesmal gelingt, die Notbremse zu ziehen, bevor der Karren im Dreck gelandet ist, ist das ein Quantensprung für den gesellschaftlichen Widerstand gegen eine Handelspolitik, eine globale Politik, die von Unternehmen und Konzernen diktiert wird.“

Mehr Demokratie: Transparente und bürgernahe Politik statt Demokratieabbau

Sarah Händel, Geschäftsführerin Mehr Demokratie e.V. Baden-Württemberg: „Statt mehr Lobbyeinfluss und Demokratieabbau wie bei CETA und TTIP, brauchen wir in Deutschland endlich bundesweite Volksentscheide für mehr transparente und bürgernahe Politik!“

Erfahrungen aus Kanada: CETA ist nicht gut. TTIP nicht tot.

Maude Barlow, Vorsitzende des Council of Canadians, der größten kanadischen Organisation für Umwelt und Bürgerrechte, berichtet vom Widerstand gegen die Freihandelsabkommen in Nordamerika: „CETA is TTIP through Canada. The same leaders who now say TTIP is dead, still support CETA, citing it as a „good“ trade agreement unlike „bad“ TTIP. American corporations will be able to use provisions in CETA exactly as they would have used TTIP.“ (CETA ist TTIP durch Kanada als Hintertür. Dieselben Politiker die jetzt sagen TTIP sei tot, unterstützen weiterhin CETA als angeblich „gutes“ Handelsabkommen im Gegensatz zum „schlechten“ TTIP. Amerikanische Unternehmen werden die Verfahren im CETA genauso nutzen können, wir sie es bei TTIP nutzen könnten

Weitere Rednerinnen und Redner des Bündnisses:

Marina Blum, Landesjugendsprecherin der BUNDjugend Baden-Württemberg: „TTIP und CETA erscheinen wie ein verzweifelter Versuch der Politik, eine Wirtschaft am Laufen zu halten, die ohne Wachstum anscheinend nicht funktioniert. Und die Verzweiflung und der Druck sind dabei so groß, dass man alle bisherigen Tabus über Bord wirft. Wir sollten als Gesellschaft dringend anfangen, uns vom Wachstumsdiktat der Wirtschaft zu befreien.“

Maria-Luisa Werne, Netzwerk Solidarische Landwirtschaft: „Wir von der solidarischen Landwirtschaft streben das Ziel einer solidarischen, fairen und sozialen Verteilung der Ressourcen an und wollen Werte wie Verteilungsgerechtigkeit, Basisdemokratie und Ernährungssouveränität pflegen. Es ist für uns inakzeptabel in dieser schon industrialisierten Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion, dass dieser Irrweg bis zum Exzess weiterverfolgt werden soll durch das Inkraftsetzen dieser Abkommen.“

Gottfried Härle, Brauerei Härle, Vertreter der KMU gegen TTIP: „Wir setzen als Brauerei auf vertrauensvolle Lieferbeziehungen zu Bauern aus der Region – und auf gentechnikfreie Rohstoffe für unser Bier. TTIP und CETA hätten fatale Auswirkungen auf unsere langjährigen Lieferanten – es ist zu befürchten, dass das regionale und gentechnikfreie Sourcing damit nicht mehr umzusetzen wäre. Zudem dürften die Kanadier mit CETA zwar kein Bayerisches Bier brauen – dafür aber Bavarian Beer oder Bières Bavaroise.“

Regina Schmidt-Kühner, stellvertretende Bundesvorsitzende der Naturfreunde: „Wenn wir wollen, dass ökologische Grenzen respektiert, soziale Gerechtigkeit hergestellt und gutes Wirtschaften zusammenkommt, wenn wir also Nachhaltigkeit gestalten wollen, dann braucht es Regeln und Begrenzungen statt Deregulierung und einseitiger Berücksichtigung von Handelsinteressen.“

Anneliese Schmeh, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Baden-Württemberg

Lynn Gogolin-Grünberg, campact: „Am Montag entscheiden die SPD-Delegierten auf ihrem Parteikonvent über CETA. Sie sollten das heutige starke Signal der Menschen in diesem Land nicht überhören und die einzig richtige Entscheidung treffen: CETA ablehnen! Unser Protest wird nicht leiser werden, bis die Abkommen vom Tisch sind.“

Manuela Rukavina, Erste Vorsitzende des Landesfrauenrats Baden-Württemberg: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen Handelsabkommen. Aber: wir sind gegen Handelsabkommen, die schon in deren Verhandlungsphase demokratische Rechte mit Füßen treten! Wir erwarten, dass wir mit unseren Sorgen ernst genommen werden und nicht als lästige Nörgeltruppe abgestempelt werden. Wir sind lebensbejahende, argumentierende Demokratinnen und Demokraten und wir sagen klar und deutlich: Hier wird nicht an uns vorbei verhandelt!“

Alev Bahadir, DIDF-Jugend (Föderation der Demokratischen Arbeitervereine / Demokratik İşçi Dernekleri Federasyonu): „Freihandelsabkommen tragen nur im Interesse von Konzernen zur Zerstörung der Umwelt, der Ausbeutung der Natur und der Menschen bei, auch auf anderen Kontinenten. Und dann ist die Rede von „Ökonomischen Geflüchteten“, Menschen, denen die Existenzgrundlage unter den Füßen weggezogen wurde und es heißt, dass sie hier nichts verloren haben.“

Peter Niedergesäss, KAB-Diözesansekretär: „Mit den geplanten Freihandelsabkommen werden demokratisch errungene soziale Standards auf dem Altar des Handels geopfert. Die KAB kämpft für Handelsverträge, die ethischen Grundsätzen Stand halten, die den Schwächsten und Armen eine Chance für ein gutes Leben ermöglichen, statt weiterhin die Gesellschaft zu spalten.“

PM

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