Der NSA-Skandal und seine politischen Folgen waren Thema bei einer Diskussionsrunde der SPD-Bundestagsfraktion im Albwerkspeicher in Geislingen. Unter dem Titel „Die abgehörte Republik“ berichtete MdB Christian Flisek, SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages, auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Heike Baehrens über die Erkenntnisse und Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchung.
Automatisierte Massenüberwachung
Heike Baehrens erinnerte daran, wie durch den Whistleblower Edward Snowden 2013 die automatisierte Massenüberwachung durch die amerikanische National Security Agency (NSA) öffentlich wurde. Die Staaten der sogenannten Five Eyes, also die USA, das Vereinigte Königreich, Kanada, Australien und Neuseeland, haben auch Kommunikationsdaten deutscher Bürger millionenfach gespeichert. Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat den Auftrag, insbesondere die Verwicklung des Bundesnachrichtendienstes (BND) zu untersuchen. „Wir haben dabei beim BND ein Ausmaß an Schlamperei und Organisationsversagen aufgedeckt, welches ich mir so nicht habe vorstellen können“, nimmt Flisek vor seinen Geislinger Zuhörern kein Blatt vor den Mund. Der BND hat für die NSA Kommunikationsdaten in Deutschland gesammelt. Vor der Weitergabe sollten die Daten deutscher Bürger und europäischer Amtsträger herausgefiltert werden. „Das hat so schlecht funktioniert, dass in kürzester Zeit 40.000 problematische Selektoren – das sind beispielsweise bestimmte E-Mail-Adressen – entdeckt wurden. Es wurde deutsches Recht verletzt. Der BND hat eindeutig gegen deutsche Interessen gehandelt“, so Flisek.
Spionage auf beiden Seiten
Auch das Ausspionieren deutscher und europäischer Politiker und Beamter durch die NSA wird im Ausschuss analysiert und diskutiert. „Wenn wir mit Amerikanern darüber reden, bekommen wir zurecht zu hören: ihr Deutschen macht doch dasselbe mit uns, nur nicht so gut“, berichtet Flisek über Gespräche mit amerikanischen Geheimdienstlern und Politikern.
Erst in dieser Woche gab das parlamentarische Kontrollgremium (die Geislinger Zeitung berichtete) bekannt, dass auch der BND verbündete Regierungen abgehört hat. „Vor diesem Hintergrund ist die Empörung der Kanzlerin und das vom damaligen Kanzleramtsminister Pofalla ins Spiel gebrachte No-Spy-Abkommen im Jahr 2013 nur als Wahlkampfmanöver zu bezeichnen“, ergänzt Flisek.
Erste Konsequenzen
Am vergangenen Freitag fand die erste Lesung eines Gesetzes zur besseren Kontrolle des BND im Bundestag statt. „Wir haben gegen starke Widerstände eines großen Teils der Union und der Sicherheitsbehörden auf eine dringend notwendige Reform des BND und eine stärkere Kontrolle durch den Bundestag gedrängt“, so Flisek. So werden durch das Gesetz die Befugnisse des parlamentarischen Kontrollgremiums ausgeweitet, Whistleblower besser geschützt und öffentliche Anhörungen durchgeführt. „Zur Demokratie gehört, dass sich Geheimdienste voll umfänglich gegenüber dem Parlament verantworten müssen. Wir wissen aber auch, dass dies eine Dauerbaustelle bleiben wird. Deshalb wird man auch am Ende des NSA-Untersuchungsausschusses über weitere Reformen beim BND sprechen müssen“, fast Baehrens den aktuellen Stand zusammen.
Diskussion
Nachfragen zu einem möglichen politischen Asyl für Edward Snowden als Hauptaufklärer der Affäre beantwortete Flisek zurückhaltend. Der Untersuchungsausschuss habe mehrfach versucht Kontakt zu Snowden aufzunehmen. Der Kontakt kam jedoch nie zustande „Dabei sind wir weltweit der einzige parlamentarische Untersuchungsausschuss, der aufgrund der NSA-Affäre ermittelt“, so Flisek.
PM