Zum Weltflüchtlingstag am Montag, 20. Juni, hat die Diakonie in Baden-Württemberg ihre Forderung nach mehr legalen Zuwanderungswegen nach Europa erneuert. Europa dürfe sich nicht weiter abschotten und Flüchtlinge rechtswidrig in Staaten außerhalb der EU, wie z.B. die Türkei, zurückzuschieben. Dies habe zur Folge, dass sich Menschen in die Hände krimineller Schlepper und damit in Lebensgefahr begäben.
„Die Bilder von überfüllten Flüchtlingsbooten, von toten Menschen an den Stränden dürfen uns nicht abstumpfen und verstummen lassen“ mahnte Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg. In diesen Wochen häuften sich erneut die Berichte von geflüchteten Menschen, die auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrunken seien. “Wir müssen alles daran setzen, einen weiteren Sommer des Sterbens im Mittelmeer zu verhindern;“ ergänzte Oberkirchenrat Urs Keller, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Baden. „Wenn wir legale und sichere Zugangswege nach Europa schaffen und die Familienzusammenführungsverfahren ermöglichen und beschleunigen, können wir viele der täglichen Tragödien auf den Fluchtrouten nach Europa verhindern.“
Unter den neu ankommenden Flüchtlingen befänden sich immer mehr Menschen, die zuvor legal hätten einreisen können. Seit dem 17. März 2016 sei dem per Bundesgesetz ein Riegel vorgeschoben worden. Das Gesetz schließe den Ehegattennachzug und den Nachzug von minderjährigen Kindern zu ihren Eltern aus, wenn diese in Deutschland nicht als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden, sondern nur den sogenannten subsidiären Schutzstatus zuerkannt bekommen haben. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass damit der Familiennachzug ausgeschlossen ist. Viele der Kinder und Erwachsenen, die im Mittelmeer gestorben sind, hätten sich aber gerade deshalb auf den Weg gemacht, um ihre Familien in Europa wiederzusehen.
Kaufmann und Keller wiesen darauf hin, dass sich parallel zur neuen Gesetzeslage auch die Praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge geändert habe. Statt der Anerkennung als Flüchtling bekämen viele Asylsuchende aus Syrien nur noch den subsidiären Schutzstatus für Bürgerkriegsflüchtlinge. Selbst für anerkannte Flüchtlinge könne es Jahre dauern, bis sie ein Visum zum Familiennachzug erhielten. Die deutschen Auslandsvertretungen verlangten häufig von Flüchtlingen gültige, syrische Pässe, die oft nur gegen teure Bestechungsgelder zu beschaffen seien.
Die beiden Vorstandsvorsitzenden der Diakonischen Werke warnten vor den Folgen der neuen Restriktionen beim Familiennachzug, aber auch des EU-Türkei-Paktes. Viele Flüchtlinge nähmen wieder verstärkt gefährlichere Fluchtrouten über das Mittelmeer in Kauf. Schon jetzt bewahrheiteten sich die Befürchtungen von Flüchtlingsorganisationen: Seit Beginn des Jahres seien bereits mehr als 40.000 Menschen über Nordafrika nach Italien geflohen. Es sei damit zu rechnen, dass sich 2016 bis zu 200.000 Menschen auf den Weg machen würden. Seit September 2015 seien durchschnittlich zwei Kinder pro Tag im Mittelmeer ertrunken. Unter den Opfern im Mittelmeer seien immer mehr Babys und Kleinkinder.
„Zäune und Abschottungsmaßnahmen reduzieren die Flüchtlingszahlen in Europa nur bedingt, erhöhen aber stark die Zahl der Opfer“, so Kaufmann und Keller. Dies könne nicht die Antwort Europas auf die aktuellen Herausforderungen sein. Wer die menschenrechtlichen Verpflichtungen ernst nähme, müsse sicherstellen, dass Menschen auf der Flucht Zugang zu effektiven Asylverfahren haben. „Weder das Abkommen mit der Türkei noch die geplanten Kooperationen mit Eritrea, Äthiopien, Somalia oder gar dem Sudan dürfen dazu dienen, dass Europa sich weiter abschottet und die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen von sich wegschiebt,“ so die beiden Oberkirchenräte.
PM