In diesem Jahr haben laut einer Online-Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart über 72 Prozent der Unternehmen ihre Ausbildungsplätze besetzen können. Obgleich das einer Verbesserung von vier Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr entspricht, besteht laut IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter keinerlei Grund zum Jubeln: „Es gibt nach wie vor bedenklich viele Betriebe, die niemanden für ihre angebotenen Ausbildungsplätze finden konnten.“
Die Unternehmen versuchen mit einer Vielzahl an Aktivitäten dieser Problematik entgegenzuwirken. So bieten wie im Vorjahr über 57 Prozent der befragten Unternehmen Praktikumsplätze an. Weiterhin arbeiten fast 54 Prozent an einem verbesserten Ausbildungsmarketing. Auch Kooperationen mit Schulen, zum Beispiel in Form von Bildungspartnerschaften, und Hochschulen sind nach wie vor ein beliebtes Mittel, um in direkten Kontakt mit potenziellen Bewerbern zu treten (über 47 und knapp 35 Prozent). Bei 40 Prozent der befragten Unternehmen rücken neue Bewerbergruppen wie Studienabbrecher in den Fokus; das sind knapp drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Zudem bieten 18 Prozent der Betriebe Auslandsaufenthalte während der Ausbildung an, um so ihre Attraktivität zu steigern (plus ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Für leistungsschwächere Jugendliche weiten die Betriebe ihr Unterstützungsangebot deutlich aus. Fast 47 Prozent der Umfrageteilnehmer geben an, Nachhilfe im eigenen Unternehmen anzubieten. Das sind im Vergleich zu 2015 knapp neun Prozent mehr Betriebe, im landesweiten Vergleich sind es fast sieben Prozent mehr. Auch die ausbildungsbegleitenden Hilfen der Agentur für Arbeit werden von 39 Prozent der Betriebe genutzt.
Nach wie vor stellen unklare Berufsvorstellungen das größte Ausbildungshemmnis bei der erfolglosen Besetzung von Ausbildungsplätzen dar. Waren es in der Umfrage von 2015 noch knapp 80 Prozent der Betriebe, die Ausbildungshemmnisse feststellen, so sind es dieses Jahr fast zehn Prozent mehr. „Das zeigt die Notwendigkeit der erfolgreichen Umsetzung des neuen Schulfachs ‚Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung‘ ab dem neuen Schuljahr im Herbst 2016“, erklärt Richter. Die Jugendlichen würden somit an die Arbeits- und Berufswelt besser herangeführt und vorbereitet, auf das was sie erwartet.
Als problematisch beurteilen die Betriebe die fehlende Leistungsbereitschaft und Motivation bei den Auszubildenden. Knapp 63 Prozent der Umfrageteilnehmer klagen darüber, der Mangel wird vor allem in den Branchen Baugewerbe, Handel, Gastgewerbe und Gesundheit/Pflege festgestellt. Der Wert ist im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent angestiegen und damit so hoch wie nie im Vergleich der letzten Jahre. Als weiteres großes Defizit benennen die Unternehmen zunehmend unzureichendes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen (über 63 Prozent, Vorjahr: fast 59 Prozent). Zudem beklagt mehr als jeder zweite Betrieb das Fehlen von elementaren Rechenfertigkeiten (über 54 Prozent) und fehlende Belastbarkeit (knapp 52 Prozent).
Dabei haben Azubis in der Region besonders gute Aussichten auf eine Übernahme nach der Ausbildung; mit gut 77 Prozent der Betriebe, die angeben, alle Auszubildenden zu übernehmen, liegt die Region Stuttgart über dem Landes- (fast 74 Prozent) und Bundesdurchschnitt (68 Prozent). Die Betriebe wollen damit dem drohenden Fachkräftemangel begegnen und haben daher großes Interesse, die gut ausgebildeten Fachkräfte auch langfristig ins Unternehmen zu integrieren.
Der zunehmende Fachkräftemangel ist wohl auch ein Grund für die Steigerung der Bekanntheit des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes (Anerkennungsgesetz). Im Jahre 2015 waren es lediglich rund 33 Prozent der Unternehmen, die das Gesetz kannten. In diesem Jahr kennen bereits über 54 Prozent der Betriebe die Möglichkeit von Arbeitnehmern, sich einen im Ausland erworbenen Berufsabschluss als einem Deutschen anerkannten Berufsabschluss gleichwertig anerkennen zu lassen.
Sprache und geklärter Aufenthaltsstatus sind dabei die wichtigsten Voraussetzungen für die Einstellung von Flüchtlingen in die Ausbildung. Knapp 94 Prozent der Betriebe geben an, dass fortgeschrittene Deutschkenntnisse – das heißt mindestens das Niveau B1 – vorliegen müssten. Für 82 Prozent ist der gesicherte Aufenthaltsstatus die Grundlage für die Einstellung und Ausbildung von Flüchtlingen.
An der Online-Umfrage hatten sich 308 Unternehmen aus der Region beteiligt. Die Wertungen der befragten Betriebe geben einen Trend wieder, sie sind nicht repräsentativ.
PM